Deutsche Auslandsschulen
Schulcloud des Hasso-Plattner-Instituts auf dem Vormarsch
Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen nimmt die Corona-Pandemie zum Anlass, die Digitalisierung der Deutschen Auslandsschulen voranzutreiben. Dabei spielt die Schulcloud des privaten Hasso-Plattner-Instituts eine wichtige Rolle.
„Wir freuen uns, dass wir mit dem Hasso-Plattner-Institut einen exzellenten Partner gefunden haben“, erklärte Heike Toledo, die Leiterin der Zentralstelle für Auslandsschulen (ZfA). Gemeinsam werde man die „dringliche Aufgabe, Schule im Zeitalter der Digitalisierung neu zu gestalten, systematisch angehen können“, so Toledo am 1. April 2020. ZfA und Hasso-Plattner-Institut (HPI) haben eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Damit können nun auch Deutschau Auslandsschulen (DAS) mit der HPI-Schulcloud arbeiten.
Die HPI-Schulcloud ist eine digitale Lernumgebung, mit der sich gemeinschaftlich an Dokumenten, Projekten und Hausaufgaben arbeiten lässt, auch zu Hause. Dazu werden die Daten auf einem externen Server – der Cloud – gespeichert. Das Pilotprojekt mit bis zu 50 DAS starte „ab sofort“, erste Anfragen lägen vor, teilte das HPI mit. Für das Projekt stellt das Auswärtige Amt aus seinem Schulfonds 282.000 Euro zur Verfügung, erfuhr die GEW auf Anfrage. Die IT-Lösung des HPI sei „nicht kommerziell ausgerichtet“, betont die ZfA. Zudem biete sie die Möglichkeit, Angebote weiterer Anbieter zu integrieren. Seit 2019 haben drei Auslandsschulen Zugang zur Potsdamer Schulcloud: Die Deutsche Internationale Schule in Washington D.C., die Deutsche Abteilung des Istanbul Lisesi und die Deutsche Schule Quito in Ecuador.
Das Hasso-Pattner-Institut (HPI) ist eine private Hochschule in Potsdam, finanziert von Hasso Plattner, Mitgründer des Software-Konzerns SAP, Stifter und Milliardär. Bislang nutzen 128 Schulen im deutschen Inland die HPI-Schulcloud. Weitere Schulen verwenden eine Cloud, die mit dem Potsdamer Institut kooperiert. Die Entwicklung der HPI-Cloud wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis 2021 mit sieben Millionen Euro gefördert.
Was sagen Auslandslehrkräfte?
Manche Lehrkräfte an DAS nutzen die Lernplattform des norwegischen Anbieters itslearning. Andere setzen auf Moodle oder Google Classroom. Braucht es eine einheitliche Cloud für alle DAS? „Ich würde es bevorzugen, weiß aber noch zu wenig über die Möglichkeiten“, antwortet ein GEW-Mitglied, das in Südamerika unterrichtet. „Ich bin eher für mehr Freiheit und Flexibilität, um den vielen regionalen Unterschieden gerecht zu werden“, so ein Pädagoge, der ebenfalls in Südamerika tätig ist. „Aber natürlich lasse ich mich gern vom Gegenteil überzeugen.“ Sie halte die HPI-Cloud für „ausbaufähig und sicher“, urteilt eine Auslandsdienstlehrkraft. Aber an ihrer Schule bleibe vielen bislang die Nutzung verschlossen, „weil es keine Einführung in das System gab“.
HPI will „starre Bildungsstrukturen“ aufbrechen
Das Hasso-Plattner-Institut macht kein Hehl daraus, dass es Schulen radikal verändern will. Durch die HPI-Schulcloud könnten „starre, hierarchisches Bildungsstrukturen aufgebrochen werden“, heißt es in einer Kurzbeschreibung. Die Rolle von Lehrkräften und Lernenden könnten „sich beliebig wandeln“. Schülerinnen und Schüler seien nicht mehr allein „Empfänger von Wissen“, sondern „werden zu Bildungspartnern“. Auch Learning Analytics spielt in diesem Konzept eine Rolle.
Diese Programme, die große Mengen Daten von Lernenden speichern und auswerten, könnten laut HPI helfen, „die Lernangebote auf der Basis der Nutzungsdaten weiterzuentwickeln und zu verbessern“. Die GEW sieht das kritisch. Auf Algorithmen beruhende Programme, „die Lernprozesse und Lernwege festlegen, um Kompetenzen und zu erzielende Leistungen zu normieren, widersprechen dem Primat der Pädagogik“, sagt Thomas Dornhoff von der GEW Niedersachsen.
Die HPI-Cloud werde ferner dazu beitragen, „einen prosperierenden Bildungsmarkt mit innovativen digitalen Bildungsprodukten zu etablieren“, schreibt das HPI. Damit bereite das private Institut den Boden, „um Bildung weiter zu privatisieren“, heißt es warnend in einem Bericht, den die GEW Bremen veröffentlichte. Günther Fecht, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Auslandslehrerinnen und -lehrer der GEW (AGAL), sieht ebenfalls Handlungsbedarf. „Wir werden bei diesem Thema mitreden, da es auf vielfältige Weise Inhalte und unsere Arbeitsbedingungen verändern wird. Die für November geplante Tagung der AGAL zur Digitalisierung der Auslandsschulen nimmt sich genau dieses Themas an.“
Verdrängungskampf auf dem Markt für Schulclouds
Der Bildungsjournalist Christian Füller berichtet von einem „regelrechten Verdrängungskampf“ auf dem Markt für Schulcloud-Lösungen. Dort dominierten bislang kleinere Anbieter. Inzwischen habe das HPI eine „Exklusiv-Vereinbarung“ mit dem Land Brandenburg erzielt. Folge: Will ein Schulträger eine andere Cloud nutzen, müsse er diese aus eigener Tasche zahlen. Wettbewerber wie die Schulcloud des HPI oder Microsoft mit Office 365 „dulden keine Konkurrenz neben sich“, schreibt Füller.
Sicherheitslücke ermöglichte Datenklau
Am 19. Mai 2020 berichtete die Saarbrücker Zeitung von einer Sicherheitslücke in der HPI-Schulcloud. „Daten von 103 saarländischen Schülern und Lehrern“ seien gestohlen worden. Hackern sei es möglich gewesen, sich illegal einen Account in der Schulcloud anzulegen und dann Daten abzugreifen. An 13 Schulen hätten vermutlich „unberechtigte Registrierungen“ stattgefunden. Laut Presseberichten hat das HPI diese Missbrauchsmöglichkeit inzwischen beseitigt.