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São Paulo: Lehrkräfte streiken erfolgreich gegen Rentenprivatisierung

In Brasilien haben Bildungsbeschäftigte in mehreren Bundesländern gegen die lokale Version einer national geplanten Rentenreform gestreikt. Der Streik in São Paulo stach durch feministische Themen, Demokratisierung und Solidarität hervor.

Streik gegen Privatisierung der Rente
Der Streik in São Paulo vom 8. - 27. März richtete sich gegen die geplante Privatisierung des Rentensystems der Kommunalbeschäftigten, die zu achtzig Prozent im Bildungsbereich arbeiten. Derzeit wird elf Prozent des Einkommens der Beschäftigten in die Rentenkasse eingezahlt. João Doria, Bürgermeister São Paulos, plante jedoch die Schaffung einer zweiten Rentenkasse, die mit einem höheren Anteil von 14 Prozent bzw. je nach Höhe des Einkommens 19 Prozent finanziert werden sollte. Diese zweite Rentenkasse dürfte mit der Rente der Kommunalbeschäftigten an der Börse spekulieren. Das monatliche Einkommen der öffentlich Angestellten würde dabei als Risikoabsicherung genutzt. Der unter dem Kürzel ‚Sampaprev‘ bekannte Plan würde nicht nur die derzeit arbeitenden Beschäftigten, sondern auch die bereits pensionierten Angestellten betreffen, die ebenfalls gezwungen wären, fünf Prozent ihrer Rente in die neue Kasse einzuzahlen.

Beschäftigte drängen auf Selbstorganisierung und Feminisierung der Führung
Derzeit ist Brasilien von einer großen wirtschaftlichen Krise und enormen politischen Polarisierung geprägt. Während Femizide und Angriffe auf schwarze Arbeitnehmer*innen und Jugendliche in den letzten Jahren zugenommen haben, dominieren immer wieder inspirierende Massenbewegungen gegen Sozialkürzungen, sexuelle und polizeiliche Gewalt die politische Landschaft. Das spiegelte sich auch im Streik des Bildungssektors wieder. Der Frauenanteil liegt dort bei mehr als achtzig Prozent. Es war kein Zufall, dass der Streik am 8. März, dem internationalen Frauen*kampftag, begann. An der ersten Demonstration beteiligten sich etwa 10.000 Beschäftigte, zudem schloss sie sich dem Protestauftakt der Frauenbewegung von São Paulo an. Während der zwanzig Streiktage übernahmen immer mehr Frauen die Führung. Jeden Morgen versammelten sich die Angestellten in den Schulen und Kitas, um ihre Strategien zu diskutieren.

„Sampaprev“ scheitert
Eltern und Schüler*innen wurden in die Debatten einbezogen. Aus gemeinsamen dezentralen Treffen an den Schulen gingen Ideen für neue Proteste hervor. Eltern solidarisierten sich mit dem Streik, da sie verstanden, dass der Angriff auf das Rentensystem auch sie selbst treffen kann. Während des Streiks gingen in São Paulo fast täglich zehntausende Menschen auf die Straße. Am 27. März blockierten rund 40.000 Menschen das Kommunalparlament der brasilianischen Metropole. Die Entscheidung über die Rentenreform wurde bis zum Abend verzögert. Bürgermeister Doria verlor seine Mehrheit für das Projekt und verschob die Abstimmung um 120 Tage in die Zeit des brasilianischen Präsidentschaftswahlkampfes, was de facto einem Aufschub auf den Saint Nimmerleinstag gleichkommt. Mit dem Streik verteidigten die Beschäftigten im Bildungssektor nicht nur ihre eigene zukünftige Rente, sondern auch die der jetzigen Rentnerinnen und Rentner und stärkten die Protestbewegung gegen ein Ausweiten der Rentenreform auf andere Bundesstaaten. Die Demokratisierung der Streikstrukturen, die Feminisierung der Führung und die Solidarität von Eltern und Schüler*innen halfen dabei, den Streik zu einem Erfolg zu machen.


* Anne Engelhardt, Doktorandin an der Universität Kassel und aktuell in Brasilien, schreibt über Arbeitskämpfe in Häfen und Flughäfen (Engpässe in der Wirtschaft) in Brasilien und Portugal.
* Joeferson Almeida ist Geschichtslehrer in São Paulo und im Gewerkschaftsvorstand von SINPEEM (Sindicato dos Profissionais bei Educação no Ensino Municipal de São Paulo)