Zum Inhalt springen

Arbeitszeitstudie

Sächsische Lehrkräfte arbeiten zu viel

Ein Drittel der Vollzeitkräfte in Sachsen arbeitet laut einer von der GEW geförderten Studie durchschnittlich mehr als 48 Stunden pro Woche. Die Überstunden fallen vor allem durch außerunterrichtliche Aufgaben an.

Vor allem Aufgaben außerhalb des Unterrichts führen laut einer neuen Studie bei Sachsens Lehrerrinnen und Lehrern zu Stress. (Foto: Dominik Buschardt)

Sächsische Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien arbeiten im Schnitt knapp drei Stunden pro Woche zu viel. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Vollzeitlehrkräfte ist in den Schulwochen regelmäßig mehr als 48 Stunden im Einsatz – eine Arbeitszeit, die als gesundheitsgefährdend gilt.

Dabei wird der Arbeitsalltag immer weniger durch das Unterrichten bestimmt: Außerunterrichtliche Aufgaben und Tätigkeiten beanspruchen wöchentlich fast elf Stunden (23 Prozent) Arbeitszeit, wie aus der von der GEW geförderten Studie „Arbeitszeit und Arbeitsbelastung sächsischer Lehrkräfte 2022“ der Georg-August-Universität Göttingen hervorgeht. „Dies muss dringend neu geregelt werden“, bilanzieren die Autoren Frank Mußmann und Thomas Hardwig.

„Die Studienergebnisse zeigen, dass sächsische Lehrerinnen und Lehrer nicht nur deutlich mehr Arbeit leisten, als sie vertraglich schulden. Sie sind auch hoch belastet.“ (Frank Mußmann)

„Die Studienergebnisse zeigen, dass sächsische Lehrerinnen und Lehrer nicht nur deutlich mehr Arbeit leisten, als sie vertraglich schulden. Sie sind auch hoch belastet. Burnout-Indikatoren zeigen, dass sie hohe Gesundheitsrisiken tragen“, betonte Mußmann bei der Vorstellung der Untersuchungen in Dresden. Sächsische Gymnasiallehrkräfte mussten besonders lang arbeiten:Sie lagen pro Woche vier Stunden und 18 Minuten über der Norm. 

20 „neue Aufgaben“

Die Studie identifizierte rund 20 „neue Aufgaben“, zentrale Stichworte sind hier etwa die Digitalisierung von Lehren und Lernen, der Ganztag, die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams, Inklusion, Kinder mit Flucht- und Migrationserfahrungen sowie die Coronapandemie.

„Das Problem ist, dass die neuen Aufgaben immer noch obendrauf kommen und aufgrund des Lehrkräftemangels immer mehr Arbeit von immer weniger Lehrkräften bewältigt werden muss.“ (Uschi Kruse)

Die GEW-Landesvorsitzende Uschi Kruse erläuterte: „Durch Digitalisierung, Migration, Inklusion, Ganztag und Corona sind in den letzten Jahren immer neue Aufgaben auf die Schulen zugekommen. Das Problem ist dabei nicht, dass sich Schulen und damit auch die Tätigkeit von Lehrkräften weiterentwickeln. Das Problem ist, dass die neuen Aufgaben immer noch obendrauf kommen und aufgrund des Lehrkräftemangels immer mehr Arbeit von immer weniger Lehrkräften bewältigt werden muss.“

Sie forderte, die Belastung von Lehrkräften und Schulleitungen müsse auf ein ertragbares Maß sinken. „Dazu gehören eine Entschlackung des Lehrplans und die Reduktion der Aufgaben, die Einführung der Klassenleiterstunde, ein deutlicher Ausbau der Unterstützungssysteme wie Schulassistenz, Schulpsychologinnen und -psychologen und Schulsozialarbeit und mehr Anstrengungen für die Gewinnung von Lehrkräften.“

Ähnliche Tendenz in allen Bundesländern

Die GEW macht sich seit langem für eine Senkung der Unterrichtsverpflichtung stark, auch die Göttinger Forscher plädieren unter anderem für eine Reform des Deputatsmodells und der Arbeitszeitverordnung.

Daniel Merbitz, GEW-Vorstandsmitglied für den Arbeitsbereich Tarif- und Beamtenpolitik, sagt: „Die Studie wurde zwar nur in Sachsen durchgeführt, aber man kann davon ausgehen, dass in der Tendenz ähnliches in allen 16 Bundesländern gilt.“ Die untersuchten „neuen Aufgaben“ seien keine sächsischen Besonderheiten.

Weitere Ergebnisse der Studie

  • 75 Prozent der Lehrkräfte gaben an, sie fühlten sich dadurch belastet, dass sie zu wenig Zeit für Vor- und Nachbereitungen hätten.
  • 60 Prozent sagen aus, dass unter den sonstigen Anforderungen auch die Qualität ihres Unterrichtes leide.
  • 79 Prozent belastet es stark, dass ihr Privatleben unter der Erledigung außerunterrichtlicher Aufgaben leidet.
  • 78 Prozent erwägen, zum Schutz ihrer Gesundheit früher in den Ruhestand zu gehen.
  • 44 Prozent haben ihre Stunden bereits einmal reduziert.
  • Nur zwischen 9 und 33 Prozent der Lehrkräfte haben den Eindruck, dass die Verteilung von Aufgaben und Entlastungen an ihrer Schule fair geregelt ist.

Nach Angaben der Wissenschaftler ergeben sich aus den Ergebnissen weitere Forschungsfragen – beispielsweise: Inwiefern können Lehrkräfte individuell auf (neue) Belastungen reagieren? Und inwiefern können sie ihr Arbeitsvolumen regulieren?

Frühere Arbeitszeitstudien

Die sächsische Studie ist die jüngste in einer Reihe von empirischen Untersuchungen zur Arbeitszeit von Lehrkräften der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften an der Georg-August-Universität Göttingen. Der Gesamtbefund für Sachsen reiht sich ein in die Ergebnisse der Studien aus Niedersachsen und Frankfurt (2020) sowie der Digitalisierungsstudie (2021).

Für die jüngste Studie wurden im Juni und Juli 2022 insgesamt 1.473 Lehrkräfte an 300 sächsischen Schulen befragt. Das entspricht etwa sechs Prozent der Pädagoginnen und Pädagogen an rund 26 Prozent der Schulen.