Das Ausmaß des Unwesens, das so genannte Raubverlage treiben, haben diesen Sommer die Süddeutsche Zeitung und der Norddeutsche Rundfunk aufgedeckt. „Eine Folge des aus dem Ruder gelaufenen Wettbewerbs in der Wissenschaft“, kritisiert GEW-Vize und Hochschulexperte Andreas Keller.
Veröffentlichungen ohne Prüfung der Inhalte
Raubverlage („Predatory Publisher“) nehmen Kontakt zu Forscherinnen und Forschern auf und bieten ihnen gegen Bezahlung eine Publikation in einem wissenschaftlich anmutenden Journal an. Die Beiträge der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden dann oft ohne nennenswerte Kontrolle der Inhalte binnen weniger Tage veröffentlicht. Eine Prüfung durch andere Forscherinnen und Forscher („Peer Review“) findet gar nicht statt oder wird vorgetäuscht. Auf diese Weise gelangt eine Mischung aus Wissen, Halbwahrheit und Irreführung in die Welt. Das sind die Ergebnisse aufwändiger Recherchen von Journalistinnen und Journalisten, welche die Süddeutsche Zeitung und der Norddeutsche Rundfunk im Juli veröffentlicht haben.
Alarmiert zeigten sich neun von zehn Mitgliedern der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, der u. a. die großen Verbünde der außeruniversitären Forschungseinrichtungen – die Hochschulrektorenkonferenz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Wissenschaftsrat – angehören. Innerhalb weniger Tage veröffentlichten sie eine Stellungnahme. „Die neun Mitglieder der Allianz der Wissenschaftsorganisationen treten solchen unlauteren Praktiken entschlossen entgegen und verurteilen diese. Dabei ist es entscheidend, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über diese unseriösen Geschäftsmodelle weiter aufzuklären und gleichzeitig die Gesellschaft über diese Praktiken zu informieren“, heißt es in der Stellungnahme. Ein einziges Allianzmitglied hat die Stellungnahme nicht unterstützt: die Max-Planck-Gesellschaft. Über die Gründe kann nur spekuliert werden.
Wettbewerb in der Wissenschaft eindämmen
Der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller, zeigte sich ebenfalls besorgt. „Die Qualität von Forschungsergebnissen ist ein hohes Gut und Grundlage des Vertrauens der Gesellschaft in die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie die Wissenschaftspolitik müssen alles tun, die Qualität der Forschung als Element der guten wissenschaftlichen Praxis sicherzustellen“, sagte Keller. Zugleich machte er auf die Gefahren einer Wissenschaftspolitik, die vor allem den Wettbewerb fördere, aufmerksam. „’Publish or perish’ – veröffentliche oder gehe zugrunde. Dieses unselige Prinzip haben viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Hochschulen und Forschungseinrichtungen verinnerlicht. Im Wettbewerb um Drittmittel und Projektgelder, Stellen und Vertragsverlängerungen müssen, koste es, was es wolle, Veröffentlichungen präsentiert werden. Zwielichtige Unternehmen nutzen die Not von Forscherinnen und Forschern im Sinne ihrer Profitinteressen aus und untergraben letztlich das Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft. Der Skandal um die Raubverlage sollte daher auch Anlass für die Wissenschaftspolitik sein, den aus dem Ruder gelaufenen Wettbewerb in der Wissenschaft einzudämmen“, sagte Keller.