Gesunde Ernährung in Kita, Schule und Hochschule
Qualität hat ihren Preis
Schülerinnen und Schüler sollten mehr an der Gestaltung der Schulverpflegung beteiligt werden, meint Anke Oepping, Leiterin des Nationalen Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule.
- E&W: Was sollte ein gutes Schulessen kosten?
Anke Oepping: Vorweg eine Klarstellung: Nach außen sichtbar ist lediglich der Abgabepreis oder Elternbeitrag. Er liegt an Grundschulen im Durchschnitt bei 3,22 Euro, an weiterführenden Schulen bei 3,45 Euro. Die tatsächlichen Kosten im Hintergrund, die Schule, Caterer und Kommune aufbringen, sind erheblich höher und liegen bei etwa 5,40 Euro. Wenn wir über Qualität sprechen, sind die Kosten kein guter Indikator. Es gibt eine Fülle Faktoren, die Kosten erzeugen, aber nicht mit mehr Qualität einhergehen. Die Studie zu Kosten- und Preisstrukturen in der Schulverpflegung (KuPS) hat gezeigt, dass das Essen im Durchschnitt vier Cent teurer wird, wenn der Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) berücksichtigt wird.
- E&W: Wie kommt der Abgabepreis zustande?
Oepping: Die Länder oder Kommunen legen den Elternbeitrag fest. Da wird geschaut, was politisch gewollt ist und Eltern sich leisten können und wollen. Ergänzend gibt es das Bildungs- und Teilhabepaket, aus dem Eltern Zuschüsse von bis zu 100 Prozent erhalten. In Berlin ist das Schulessen für die Erst- bis Sechstklässler kostenfrei.
- E&W: Ist Gratis-Schulessen eine gute Lösung?
Oepping: Sicher ist die Handhabung und Einflussnahme auf das, was angeboten wird, einfacher, wenn das Geld aus einer Hand kommt. Voraussetzung ist jedoch, dass die Entscheidungsträger in Ländern, Kommunen und Schulen ein Bewusstsein für Qualität haben. Wir sollten darüber sprechen, wie verbindlich Kriterien umgesetzt werden – auch beim Angebot des Essens. Von alleine wird ein Gratisessen nicht zu einem qualitativ hochwertigen Essen.
- E&W: Was macht „gutes“ Schulessen aus?
Oepping: Eine sehr gute Orientierung geben in ernährungswissenschaftlicher Hinsicht die DGE-Qualitätsstandards. Sie enthalten zusätzlich Hinweise zur Umsetzung im jeweiligen Setting: Was ist zu berücksichtigen, damit das Essen von den Schülerinnen und Schülern akzeptiert wird, wie lässt sich ein pädagogisches Konzept dazu entwickeln? Was ist bei Raumgestaltung und Pausenzeiten zu beachten? Auf struktureller Ebene ist wichtig, dass alle beteiligten Akteure ihre Konzepte gut abstimmen. Das betrifft vor Ort insbesondere die Zusammenarbeit des Trägers, der für den Rahmen zuständig ist, mit den Angestellten des Schul- oder Kultusministeriums, die im inneren Schulbereich tätig sind.
- E&W: Gutes Schulessen hängt auch von den Vorgaben und Kriterien des jeweiligen Bundeslandes ab.
Oepping: Richtig! Einige Länder wie das Saarland, Berlin und Hamburg haben die Umsetzung der DGE-Standards verpflichtend gemacht. Das erfordert, dass Kontrollstellen eingerichtet und Schulen und Caterer geprüft werden, ob sie die Kriterien einhalten. Bremen hat sich auf die Fahne geschrieben, die Schulverpflegung auf 100 Prozent biologisch erzeugte Lebensmittel umzustellen. Das ist ein Spezifikum, das noch in keinem anderen Bundesland so umgesetzt wird.
- E&W: Wo sehen Sie weiteren Verbesserungsbedarf bei der Schulverpflegung?
Oepping: Schülerinnen und Schüler sollten mehr an der Gestaltung der Schulverpflegung beteiligt werden. Speziell in weiterführenden Schulen betrachten sie die Mittagspause nicht nur als Zeit für die Nahrungsaufnahme. Sie möchten „runterkommen“ und sich mit Freunden treffen. Das kann eine Schulmensa, in der im Schichtbetrieb gegessen wird, nicht unbedingt leisten. Schulessen der Zukunft muss als ein wichtiger Teil des Schulalltags gedacht werden, der mehr Qualitäten hat als satt zu machen und die Nährstoffversorgung sicherzustellen. Schulleitungen sollten die Gemeinschaftsverpflegung auch unter diesem Fokus betrachten und sich dafür einsetzen, dass sie vom Kollegium mitgetragen wird. Wenn Lehrkräfte beteiligt sind, wird meist eine bessere Qualität angeboten.
Die verbindliche Umsetzung der DGE-Qualitätsstandards verbunden mit dem Lernen rund um Lebensmittel und nachhaltige Ernährung würde allen Schülerinnen und Schülern den Zugang zu einer gesundheitsförderlichen Schulverpflegung ermöglichen. Das sollte nicht nur für die Ganztagsschulen gelten, in denen Mittagsverpflegung verpflichtend ist, sondern für alle Schulen.
- E&W: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Gemeinschaftsverpflegung?
Oepping: Die Herausforderungen für alle Akteure sind enorm: Wie werden die Hygienemaßnahmen von den Kindern eingehalten, mit welchem Aufwand sind Abstandsregelungen im Essensbetrieb zu gewährleisten, wie wird mit Verstößen gegen die Corona-Regeln umgegangen? Dienstleister und Küchen-Mitarbeitende müssen noch größeres Augenmerk auf die Hygiene legen; auch die Bedingungen für das Personal haben sich deutlich verschärft.
- E&W: Wie geht es den Caterern?
Oepping: Für die privaten Anbieter ist das Geschäft weggefallen, viele sind in ihrer Existenz bedroht. Wir haben keine Informationen, inwieweit Schulverpflegung noch in dem Umfang wie vor den Corona-Zeiten geleistet werden kann und welche Lösungen sich nun abzeichnen, um in einen Regelbetrieb zu kommen, der ja möglicherweise immer wieder von regionalen Lockdowns unterbrochen sein wird. Wenn diese Betriebe ins Straucheln geraten, steht die Schule am Ende des Tages ohne Essen da. Da sind die Mensen, die im Eigenbetrieb von der Kommune organisiert werden, im Vorteil, weil sie nicht so anfällig für Schwankungen auf dem Markt sind. Ob sie die bessere Lösung sind, sei dahingestellt. Aber unter diesen verschärften Bedingungen ist es eine Möglichkeit, die Schulverpflegung angemessen aufrechtzuerhalten.