Auf den ersten Blick könnte man höchst zufrieden sein. Es ist gelungen, das Angebot für Kinder, die jünger als drei Jahre sind, erheblich auszubauen. Viele kommunale und frei-gemeinnützige Träger haben sich stark engagiert. Die Bedeutung der außerfamiliären frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung ist heute in allen gesellschaftlichen Gruppen anerkannt. Alte ideologische Gräben sind zugeschüttet. Das ist gut so.
Im Fokus der zurückliegenden Jahre stand jedoch in erster Linie der quantitative Ausbau. Ohne ihn wäre die Zusage gescheitert, dass jedes Kind ab seinem ersten Geburtstag Anspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung hat. Auch trieb alle Beteiligten die Frage um, wie wir die gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen können, die das Recht des Kindes auf eine hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung einlösen.
Dieses Recht erfordert es, jetzt verstärkt auf Qualität zu setzen. Damit soll nicht das schlechtgeredet werden, was heute bereits geleistet wird. Mit hohem Engagement setzen sich die pädagogischen Fachkräfte und deren Träger dafür ein, dass Kinder ein gutes Angebot erhalten: individuelle Eingewöhnungskonzepte für jedes Kind, verlässliche Bezugspersonen, eine beziehungsvolle Pflege, wertschätzende Dialoge und Räume, die Sinneserfahrungen fördern.
Aber die Rahmenbedingungen der Arbeit müssen den wachsenden Herausforderungen angepasst werden. Ein inklusiver pädagogischer Alltag muss allen Kindern – ungeachtet ihrer Herkunft – gerecht werden. Kindertageseinrichtungen entwickeln sich zu Familienzentren und engagieren sich im Sozialraum. Das ist ohne zeitliche Ressourcen nicht zu leisten.
Bundesqualitätsgesetz gefordert
Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass die Bedingungen von Bundesland zu Bundesland, von Region zu Region so unterschiedlich sind wie heute. Daher setzen sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die Arbeiterwohlfahrt und der Deutsche Caritasverband für ein Bundesqualitätsgesetz ein. Es soll den Ländern nicht ihre Verantwortung abnehmen, aber unverzichtbare Eckpunkte setzen: Standards für eine wissenschaftlich fundierte Fachkraft-Kind-Relation, genügend Zeit für die Zusammenarbeit mit Eltern und die Leitungsarbeit sowie Anspruch auf Fachberatung.
Nur ein Bundesqualitätsgesetz schafft die Voraussetzungen dafür, dass sich der Bund an der Finanzierung der Kindertagesbetreuung beteiligen kann. Um die Arbeitsbedingungen in den Kindertagesstätten auf das fachlich gebotene Niveau zu heben, wären nach groben Schätzungen zusätzlich neun Milliarden Euro pro Jahr notwendig. Es ist nicht realistisch, dass Länder und Kommunen diese Kosten allein stemmen.
Seit der Föderalismusreform gelten solche Mischfinanzierungen als etwas anrüchig. Man muss jedoch pragmatisch bleiben. Auch beim Hochschulbau wurden Ausnahmen gemacht. Niemand kann behaupten, eine gute Betreuung und Bildung von Kleinkindern sei weniger wichtig.
Müssen wir wirklich so viel Geld ausgeben? Ja, wir müssen. Die frühe Kindheit ist eine sehr sensible Phase. Kinder entfalten ihre Potenziale nicht von alleine, sie brauchen Anregungen und eine Umwelt, die Anreize setzt. Was hier versäumt wird, ist später nur schwer wieder gut zu machen. Oder eben gar nicht.
Das heutige Familienmodell baut auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es ist gut, wenn die Familie der Berufswelt nicht untergeordnet wird. Aber ohne eine Kinderbetreuung, die den fachlich gebotenen Standards entspricht, wäre die sehr frühe Betreuung von Kindern außerhalb der Familie ein gesellschaftliches Großexperiment mit zweifelhaftem Ausgang. Daher brauchen wir ein Bundesqualitätsgesetz, das die Grundlagen für die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen schafft.