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Privatschulen: teurer, aber nicht besser

Welche Vorteile bieten teure Privatschulen? Bessere Leistungen sind es nicht. Privatschüler schneiden Studien zufolge nicht besser ab als Kinder und Jugendliche, die an öffentlichen Schulen lernen, wenn der soziale Hintergrund herausgerechnet wird.

Von einem „Run auf die Privatschulen“ war in den vergangenen Jahren häufig in den Medien die Rede, von einem „Gründerboom“ und einer „Flucht vieler Eltern“ aus dem öffentlichen Schulsystem. 750.000 Jungen und Mädchen besuchen inzwischen bundesweit eine der mehr als 3.600 allgemeinbildenden Schulen in privater Trägerschaft.

Doch der Bildungswissenschaftler Klaus Klemm widerspricht der These einer „Massen-Expansion“ des Privatschulsektors. Zwar hat sich in den vergangenen 25 Jahren der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die private Schulen besuchen, bundesweit von 4,8 Prozent auf 9 Prozent nahezu verdoppelt. Der Zuwachs sei jedoch in erster Linie auf die Entwicklung in den ostdeutschen Bundesländern zurückzuführen – in denen 1992 nur 0,9 Prozent der Kinder und Jugendlichen eine Schule in privater Trägerschaft besuchten. Heute liege der Privatschüleranteil in diesen Bundesländern bei 9,9 Prozent, bilanziert Klemm in der neuen Studie „Privatschulen in Deutschland“ des Netzwerks Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Westen hingegen stieg die Privatschülerquote im gleichen Zeitraum von 6,1 auf 8,8 Prozent – in 25 Jahren ein Zuwachs von nur 2,7 Prozentpunkten.

In den neuen Bundesländern ist es nicht nur der vermeintliche Nachholbedarf, der dort in den vergangenen Jahren für einen erheblichen Zuwachs bei den Privatschulen sorgte. Es ist auch der unter dem Sparvorwand politisch verordnete „Rückzug der öffentlichen Schulen aus der Fläche“, vor allem bei den Grundschulen. „In den Dörfern auf dem Land sind zuerst die Apotheken weg, dann fehlen die Ärzte – und dann die Kinder“, klagten Teilnehmer bei der Präsentation der Studie in Berlin. Bürgermeister lockten mit Prämien, wenn private Schulen vor Ort blieben – oder neue eröffnet würden. Oft könnten private Träger nahezu kostenlos das verlassene Schulgebäude der früheren öffentlichen Schule übernehmen.

„Insgesamt lässt sich resümieren, dass zumeist nur geringfügige Unterschiede zwischen den an privaten und öffentlichen Schulen im Mittel erreichten Kompetenzen festzustellen sind.“ (Petra Stanat)

Die Studie des Netzwerks Bildung räumt zudem mit einer weiteren Legende über Privatschulen auf. Deren Schülerinnen und Schüler erzielten keine wesentlich besseren Leistungen als Gleichaltrige an öffentlichen Schulen – wenn man dabei die soziale Herkunft und den Bildungshintergrund der Eltern berücksichtige, stellt Bildungsforscherin Petra Stanat, Direktorin am Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), in der Untersuchung fest. Verglichen wurden dabei die Leistungen von Schülerinnen und Schülern der vierten und neunten Klassen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik. „Insgesamt lässt sich resümieren, dass zumeist nur geringfügige Unterschiede zwischen den an privaten und öffentlichen Schulen im Mittel erreichten Kompetenzen festzustellen sind“, sagt Stanat. Nur in den Kompetenzbereichen Zuhören (Deutsch) und Hörverstehen (Englisch) konnten an Privatschulen demnach bessere Leistungen nachgewiesen werden. Dagegen fielen im Bereich Leseverstehen (Englisch) die Leistungen an privaten Gymnasien schlechter aus als an öffentlichen.

Basis für die aktuelle Auswertung waren die Testergebnisse aus bundesweit insgesamt 2.721 Schulen, die an den IQB-Bildungstrends der Jahre 2015 und 2016 teilgenommen hatten. Eine ältere Untersuchung auf der Grundlage von PISA-Ergebnissen aus dem Jahr 2009 war bereits zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

Vertreter der Privatschulen bemängelten bei der Präsentation der Studie des Netzwerks Bildung, dass in den jüngsten Leistungsvergleich die Ergebnisse nur weniger Schulen in privater Trägerschaft eingeflossen seien. Allerdings nehmen beispielsweise viele Waldorfschulen – aber auch andere Privatschulen – an den bundesweiten IQB-Leistungstests überhaupt nicht teil. Mehrere Bildungsexperten verwiesen auch darauf, dass die Privatschulen bei der Weitergabe von Daten sowohl gegenüber den Ministerien wie auch der Bildungsforschung „mauerten“. Dies gelte nicht nur für Angaben über die Höhe des erhobenen Schulgeldes und die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft, sondern auch über Lehrkräfteeinsatz und erteilte Unterrichtsstunden. In einigen Bundesländern sei zudem die Staatliche Schulaufsicht gegenüber den Privatschulen viel zu lax.

„Zahlreiche private Schulen arbeiten ganz konventionell. Und viele öffentliche Schulen sind reformfreudig, leistungsstark und förderorientiert.“ (Ilka Hoffmann)

Das Recht, Schulen in privater Trägerschaft zu errichten, ist in Deutschland durch das Grundgesetz, Artikel 7, Absatz 4, gewährleistet. Darin heißt es jedoch auch: „Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.“

Dieses „Sonderungsverbot“ soll unter anderem bewirken, dass Privatschulen nicht durch hohes Schulgeld der sozialen Selektion von Schülerinnen und Schülern weiter Vorschub leisten. Auf der Basis einer Reihe verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen gehen Bildungsexperten davon aus, dass ein Verstoß gegen das Sonderungsverbot dann vorliegt, wenn der Durchschnitt des von den Eltern monatlich zu zahlenden Schulgeldes 160 Euro übersteigt. Tatsächlich aber liegt das erhobene Schulgeld in vielen Bundesländern durchschnittlich zwischen 170 und 300 Euro. Dies zeigen sowohl die neue Studie des Netzwerks Bildung wie auch Untersuchungen des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB). Das Land Berlin erlaube den Privatschulen sogar, von SGB-II-Empfängern hundert Euro und mehr monatliches Schulgeld zu kassieren, kritisierte WZB-Bildungssoziologe Marcel Helbig. Stichproben hätten zudem gezeigt, dass sich auf den Internetseiten der Privatschulen nur selten Informationen zu möglichen Stipendien oder reduziertem Schulgeld für finanziell Bedürftige fänden. Eine Auskunft darüber sei oft verweigert worden. Laut WZB-Erhebung werden die Vorgaben des Grundgesetzes für Privatschulen nur in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen halbwegs beachtet. Thüringen und Bremen erfüllen demnach keine der Vorgaben.

Fazit: Häufig verstärken Privatschulen die soziale und ethnische Trennung der Schülerschaft. In Privatschulen ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, deren Eltern weniger Einkommen, keinen Hochschulabschluss oder einen Beruf mit geringem sozialen Ansehen haben, deutlich niedriger. Privatschulen werden zudem seltener von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund besucht. „Privatschulen bieten Eltern, die auf Abgrenzung und Statussicherung bedacht sind, häufig die Gelegenheit dazu“, erklärte Brandenburgs Ex-Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp.

Unstrittig ist hingegen unter den Bildungsexperten, dass einige Schulen in privater Trägerschaft in den vergangenen Jahren auch „Motor für Innovationen im Bildungsbereich“ gewesen sind. Doch: „Zahlreiche private Schulen arbeiten ganz konventionell. Und viele öffentliche Schulen sind reformfreudig, leistungsstark und förderorientiert“, betont GEW-Vorstandsmitglied und Schulexpertin Ilka Hoffmann. Nach dem Grundgesetz gilt für Privatschulen ein Sonderungsverbot. Doch auch das staatliche Schulsystem wirkt bereits sondernd: Öffentliche Gymnasien seien häufig ähnlich selektiv wie Privatschulen, gibt Hoffmann zu bedenken. Auch die Gymnasien müssten Hürden beseitigen, durchgängig fördern und sich der Herausforderung der Inklusion stellen. Alle Schulen, die diesen Weg gehen, benötigten mehr Unterstützung.