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Migration und Internationales

„Positive Ansätze im Koalitionsvertrag erkennbar“

Die GEW begrüßt die Betonung von Demokratie und Menschenrechten in der Asyl- und Migrationspolitik sowie in der internationalen Zusammenarbeit, sieht aber Verbesserungsbedarf. Das Grundrecht auf Bildung muss umfassend realisiert werden!

„Es sind positive Ansätze im Koalitionsvertrag erkennbar“, sagte GEW-Chefin Maike Finnern über die Migrations- sowie die Internationale Politik im Ampel-Koalitionsvertrag. Die GEW bewerte die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellten Verbesserungen in der Asyl- und Migrationspolitik in punkto Familiennachzug, Arbeitsmigration und Integration vor Ort grundsätzlich positiv, so Finnern. „Migration ist Normalität in einer globalisierten Welt und Deutschland ist ein Einwanderungsland. Dass diese Tatsachen nicht nur symbolisch anerkannt, sondern in verschiedenen Politikfeldern als gemeinsame Gestaltungsaufgabe wahrgenommen werden, fordert die GEW schon lange“, sagte die GEW-Chefin.

Die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen, soziale Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe würden sowohl in nationaler als auch internationaler Perspektive zu Recht stärker ins Zentrum gerückt. Der Schutz von Asylsuchenden und die Integration von neu Zugewanderten durch Bildung und Beschäftigung gehörten zu den Kernaufgaben einer demokratischen EU, bekräftigte Finnern.

Chancen: Anerkennung und Teilhabe in der Migrationsgesellschaft

Durch innenpolitische Reformen und neue Gesetzesvorhaben wollen die Koalitionsparteien vorhandene Widersprüche im deutschen Einwanderungs- und Aufenthaltsrecht auflösen, Einbürgerungen erleichtern und Asylverfahren fairer gestalten. Ein Partizipationsgesetz für mehr Repräsentanz und Teilhabe wird ebenso in Aussicht gestellt. „Wenn es gelingt durch diese Vorhaben auch die Bildungsteilhabe zu verbessern und der schwierigen Duldungs- und Arbeitsverbotepraxis tatsächlich ein ‚Chancen-Aufenthaltsrecht‘ entgegenzusetzen, das jungen Geflüchteten sichere Bleibeperspektiven sowie mehr Möglichkeiten zum sogenannten Spurwechsel bietet, wären das Meilensteine für die Integrationspolitik“, sagte die GEW-Vorsitzende mit Blick auf den Koalitionsvertrag. Mehr Rechtssicherheit sei sowohl für Betroffene als auch für Bildungseinrichtungen und Betriebe dringend geboten.

Bei den Themen Fachkräftebedarf und gleichberechtigte Teilhabe durch nachhaltige Arbeitsmarktintegration begrüßte sie zudem, dass Hürden bei der Anerkennung von ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen abgebaut sowie Integrationskurse, berufsbezogene Sprachkurse und zielgruppenspezifische Beratungen stärker gefördert werden sollen. „Um diese Vorhaben zu realisieren, brauchen Kommunen und Länder unbedingt mehr finanzielle Unterstützung des Bundes“, sagte Finnern zur Finanzierbarkeit der Vorhaben.

Unverhandelbar: Recht auf Bildung und Asyl

Sorge bereitet der GEW allerdings, dass für asylsuchende Kinder und Jugendliche lediglich sogenannte schulnahe Angebote kurz nach ihrer Ankunft vorgesehen sind. Es sei gut und richtig, dass Kinder und Jugendliche schnell Zugang zu Bildung bekommen sollen, unterstrich die GEW-Vorsitzende, kritisierte jedoch, dass dies keine hinreichende Garantie für die Umsetzung des Rechts auf Bildung sei.

„Das Grundrecht auf Bildung und das Grundrecht auf Asyl sind nicht verhandelbar. Menschenrechtliche Standards dürfen weder relativiert, gegeneinander ausgespielt noch aus Kostengründen eingeschränkt werden!“ (Maike Finnern)

Die GEW fordert, dass Bund und Länder geflüchteten und asylsuchenden Menschen – ungeachtet ihres Aufenthaltsstatus – nach spätestens drei Monaten den Zugang zum allgemeinen Bildungssystem, also auch zu Regelschulen, garantieren. Dies entspricht dem geltenden Recht und ist insbesondere für Kinder und Jugendliche relevant, die mehrere Monate in (Erst-) Aufnahmeeinrichtungen verweilen müssen. Zwar will die Ampel-Koalition das Konzept der AnkER-Zentren nicht weiterverfolgen, zur Aufenthaltsbegrenzung in Sammelunterkünften hat sie jedoch trotz vielfältiger Kritik keine Aussagen gemacht.

Die neue Bundesregierung bekennt sich zu ihrer humanitären Verantwortung auf der Basis der Genfer Flüchtlings- und der EU-Menschenrechtskonvention. Die GEW erwartet, dass sie die Standards einhält und bei den grundlegenden Reformen des Europäischen Asylsystems mit gutem Beispiel vorangeht. Dazu gehört, mit Nachdruck für die menschenwürdige Aufnahme und Versorgung von Schutzsuchenden in den Mitgliedstaaten und an den EU-Außengrenzen einzutreten sowie internationalen Verpflichtungen solidarisch nachzukommen. Dafür setzen sich sowohl GEW als auch die Bildungsinternationale ein.

Verantwortung für Menschenrechte und Friedenspolitik wahrnehmen

Auch in den anderen internationalen Politikfeldern erkennt die GEW den deutlichen Menschenrechtsbezug. Sie unterstützt das Vorhaben eines wirkungsvollen EU-Lieferkettengesetzes, mit dem Unternehmen in Europa auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltnormen innerhalb ihrer Wertschöpfungsketten verpflichtet werden. Die GEW vermisst aber eine klare friedenspolitische Handschrift im Koalitionsvertrag. Die Entwicklung in Afghanistan hat erneut deutlich gemacht, dass Aufrüstung und Militarisierung keine geeignete Mittel der Konfliktlösung darstellen.

Von der Bundesregierung erwartet die GEW, dass sie sich insbesondere ihrer Verantwortung für die Menschen in Afghanistan stellt, die nun um ihr Leben fürchten. Die Ankündigung, gefährdete Personen mittels unbürokratischer Verfahren eine Ausreise zu ermöglichen, sei ein wichtiger Schritt, sagte GEW-Chefin Finnern. Zu begrüßen ist ebenfalls die Ankündigung, die Vergabe humanitärer Visa auszuweiten.

Entwicklungszusammenarbeit: Fairer Beitrag für Bildung

Die GEW bewertet positiv, dass sich die Koalitionsparteien dazu verpflichten, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit (EZ) aufzuwenden. Diese heben die wichtige Rolle von Gewerkschaften für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in den Partnerländern hervor. Die EZ soll sich an den nachhaltigen Entwicklungszielen orientieren, die das Nachhaltigkeitsziel für inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung für alle einschließt. Die GEW begrüßt, dass auch die Förderung der Grundbildung im Koalitionsvertrag explizit genannt wird, sie erwartet aber konkrete Zusagen. Zusammen mit der globalen Bildungskampagne setzt sich die GEW dafür ein, dass Deutschland einen fairen Beitrag für die Finanzierung von Bildung in der bilateralen wie multilateralen EZ und in der humanitären Hilfe leistet.

Kritik: Keine Freigabe der COVID-19 Impfstoffpatente

Beim Thema globale Impfgerechtigkeit fehle ein Bekenntnis zur Freigabe der COVID-19 Impfstoffpatente und Medizinprodukte, für die sich die GEW zusammen mit Nicht-Regierungs-Organisationen und der Bildungsinternationale einsetzt, erklärte Finnern. Die COVAX-Initiative sei weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, sie reiche als alleiniges Instrument nicht aus, sagte die GEW-Chefin mit Blick auf die globale Verteilung von Impfstoffen. Die Verweigerung, der Patentfreigabe in der Welthandelsorganisation zuzustimmen, habe nicht nur verheerende Folgen für das Leben der Menschen und den Bildungszugang in den Ländern des Globalen Südens mit geringer Impfquote. Sie gefährde letztlich auch die erfolgreiche globale Pandemiebekämpfung.

Geschichte und Zukunft verbinden: Aufbau des Deutsch-Israelischen Jugendwerks

Die GEW unterstützt den von der Ampel-Koalition angekündigten Aufbau eines deutsch-israelischen Jugendwerks. „Als Pädagog*innen und Gewerkschafter*innen haben wir eine besondere Verantwortung, künftige Generationen in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust professionell zu unterstützen und zur Wachsamkeit gegenüber Antisemitismus und zum friedlichen Zusammenleben zu befähigen“, sagte Finnern. Die GEW spricht sich dafür aus, dass in der Arbeit des Jugendwerks auch die Förderung von Schüler*innenaustausche berücksichtigt wird. Auch andere erinnerungspolitische und antirassistische Aspekte, den Minderheitenschutz, die Förderung kultureller und sprachlicher Vielfalt sowie postkolonialer Perspektiven im Koalitionsvertrag nimmt die GEW wohlwollend zur Kenntnis.