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Leitung in Bildungseinrichtungen

„Politisches Denken mitbringen“

Gute Führung ist auch in der Erwachsenenbildung dringend nötig. Was gehört in der Weiterbildung zu den wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen? Fragen an Helle Timmermann, Leiterin der Volkshochschule (VHS) Bochum.

Helle Timmermann (Foto: Bert Butzke)
  • E&W: Sie leiten seit zwei Jahren die VHS Bochum mit einem Team von rund 40 Personen und 450 Kursleiterinnen und -leitern. Worauf kommt es dabei an?

Helle Timmermann: Die Leitung einer VHS ist nicht zuletzt eine politische Aufgabe, weil Volkshochschulen nach wie vor eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielen. Da geht es um Demokratiebildung, um Digitalisierung oder den Umgang mit Geflüchteten. Als VHS-Leitung muss man sich für diese Themen in Gremien engagieren. Daher ist es wichtig, politisches Denken mitzubringen.

  • E&W: Wie muss man sich den Leitungsauftrag vorstellen; -welches Handwerkszeug braucht man dafür?

Timmermann: Im Grunde kommuniziere ich den ganzen Tag. Mündlich und schriftlich, einzeln und in Gruppen, online und analog. Leitung heißt für mich: kommunizieren, entscheiden, Entscheidungen kommunizieren – wie in jeder guten Führungsposition.

  • E&W: Um welche Fragen geht es dabei? Was sind die Herausforderungen und Probleme?

Timmermann: Zurzeit geht es natürlich vor allem um Pandemie-Themen und die Frage, wie wir die jeweiligen Corona-Verordnungen auslegen. Aber es geht auch um Personal, um strategische Ausrichtungen, um organisatorische Veränderungen von Honorarfragen bis hin zu Gebäudethemen. Langweilig wird es nie. Das wollte ich ja auch nicht.

  • E&W: Wie haben Sie sich für den Leitungsjob qualifiziert?

Timmermann: Ursprünglich habe ich Mathe und Physik auf Diplom studiert, später Mathe und Französisch für Lehramt am Gymnasium. Dann habe ich in Frankreich einen Magister in Deutsch-Französischen Studien abgelegt und zudem einen Bachelor in Europäischer Politik.

  • E&W: Nicht gerade der klassische Weg an die Spitze einer VHS.

Timmermann: Ja, aber „Volkshochschule“ habe ich dann noch von der Pike auf gelernt: Zuerst war ich Kursleiterin für Deutsch als Fremdsprache in Frankfurt am Main, das sollte eigentlich nur eine Übergangslösung sein. Aber nach zwei Jahren gefiel mir der Bereich so gut, dass ich mich als Fachbereichsleiterin in Bochum beworben habe. Daneben habe ich mehrere Seminare eines Aufbaustudiengangs Erwachsenenbildung besucht – das war wichtig. Fünf Jahre später wurde ich stellvertretende Leiterin und 2019 VHS-Leiterin. Für mich ist es bis heute ein Idealfall.

  • E&W: Wie sollte die Qualifizierung von Führungskräften im VHS-Bereich bestenfalls aussehen?

Timmermann: Vor allem benötigt man das gleiche Rüstzeug, das man auch für Führungsaufgaben an anderer Stelle braucht. Ein solider pädagogischer Hintergrund und Erfahrungen als Kursleitung sind dabei hilfreich. Meine Beobachtung ist, dass viele Kolleginnen und Kollegen an der Spitze einer VHS tatsächlich aus der Erwachsenenbildung, der gemeinwohlorientierten Bildung oder der Verwaltung kommen.

  • E&W: Wie würden Sie eine VHS-Leitung auswählen?

Timmermann: Ich würde besonders darauf achten, dass jemand eine Vorstellung von Organisationsentwicklung mitbringt. Volkshochschulen sollen gesellschaftliche Veränderungen begleiten. Dazu müssen sie sich selbst verändern können. Das Wichtigste aber ist, dass man Menschen mag. Wenn man das nicht tut, sollte man nicht führen.

  • E&W: Wie weit spielt in der Erwachsenenbildung auch Pädagogik eine Rolle?

Timmermann: Bislang zu wenig. Das ändert sich allerdings gerade. Die Digitalisierung verändert den Umgang mit Unterricht auch bei uns. Gerade in der politischen Bildung beschäftigt man sich sehr stark mit unterschiedlichen Formaten. Die Zeit des Frontalunterrichts ist in Volkshochschulen ohnehin fast vorbei, es wird mehr und mehr in anderen Formaten gelernt. Ich nehme in dem Bereich aber eher die Rolle einer Moderatorin ein, da es in meinem Team schon zehn Pädagoginnen und Pädagogen gibt.