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Lesekompetenzen in einer digitalen Welt

Schlecht lesen = schlecht surfen

Etwa die Hälfte der 15-Jährigen kann im Internet Fakten und Meinungen nicht unterscheiden. Digitale Kompetenzen werden in der Schule nicht ausreichend erlernt, wie aus einer PISA-Sonderstudie zur Lesekompetenz hervorgeht.

Den PISA-Erhebungen zufolge hat sich die Internetnutzung der 15-Jährigen im OECD-Raum zwischen 2012 und 2018 von 21 auf 35 Stunden wöchentlich erhöht. (Foto: Pixabay / CC0)

Viele Jugendliche erwerben in der Schule keine ausreichenden digitalen Kompetenzen. Hinzu kommt: Je länger digitale Geräte im Unterricht genutzt werden, desto schlechter wird die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler. Das sind zwei Ergebnisse der neuen OECD-Sonderauswertung „21st-Century Readers“. Bei vielen abgefragten Netz-Kompetenzen lagen die Leistungen der 15-Jährigen in Deutschland unter dem OECD-Durchschnitt, erneut spielt die soziale Herkunft dabei eine große Rolle. Die GEW sieht sich in ihrer Forderung bestätigt, die Digitalisierung in Schulen inklusiver und sozial gerechter zu gestalten.

„Lesekompetenz ist im digitalen Zeitalter DIE Schlüsselkompetenz.“ (Andreas Schleicher)

Die Sonderstudie mit dem deutschen Titel „Lesen im 21. Jahrhundert: Lesekompetenzen in einer digitalen Welt“ basiert auf Daten aus der PISA-Erhebung im Jahr 2018. „Lesekompetenz ist im digitalen Zeitalter DIE Schlüsselkompetenz“, betonte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher bei der Vorstellung der Ergebnisse.

Umgang mit digitalen Medien muss gelernt werden

Die sind erneut besorgniserregend: Nur 25,3 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland gaben an, Phishing- oder Spam-Mails identifizieren zu können (OECD-Durchschnitt: 41,2 Prozent). 48,7 Prozent (54,5 Prozent) sind in der Lage, festzustellen, ob Informationen subjektiv oder voreingenommen sind. Erkennen, ob eine Information aus dem Internet vertrauenswürdig ist, schaffen 54,3 Prozent (69,3 Prozent). Webseiten vergleichen und entscheiden, welche Informationen für Aufgaben in der Schule geeignet seien, können 46,5 Prozent (62,6 Prozent). Immerhin 73,9 Prozent (75,8 Prozent) verstehen, welche Folgen es hat, Informationen über soziale Netzwerke öffentlich zu machen.

Das theoretische Wissen sei vorhanden, es mangele jedoch an praktischer Handlungskompetenz, sagte Schleicher. „Schulen können hier viel tun.“

Der festgestellte negative Zusammenhang zwischen der Nutzungsdauer digitaler Geräte und der Lesekompetenz, der in Deutschland am ausgeprägtesten ist, zeigt laut Studie, dass der Einsatz digitaler Medien allein nicht lernfördernd wirke. Nur wenn Lehrkräfte digitale Medien pädagogisch sinnvoll einsetzten, könne dies zur Verbesserung der Leistungen beitragen.

Analoge Leserinnen und Leser vorn

Zugleich bilanziert die Auswertung: Die Lust am Lesen nimmt in etwa der Hälfte der OECD-Länder ab, am stärksten bei den Jugendlichen hierzulande. Auch ist die Art des Lesens entscheidend: Schülerinnen und Schüler in Deutschland, die gedruckte Bücher lesen, erreichen bei der Lesekompetenz deutlich mehr Punkte als diejenigen, die selten oder nie Bücher lesen. Keine Kompetenzunterschiede gab es überraschenderweise zwischen E-Book- sowie Nicht- und Wenig-Leserinnen und Lesern.

Deutschland zählte zudem zu den PISA-Teilnehmerländern mit den größten geschlechtsspezifischen und sozioökonomischen Unterschieden. „Vorwiegend Jungen aus sozial ungünstigem Umfeld schneiden schlecht ab“, sagte Schleicher. 

„Eine gute Ausstattung der Grundschule mit Personal und Fördermöglichkeiten ist die Basis einer guten Bildung für alle in der digitalen Welt.“ (Ilka Hoffmann)

„Der Einsatz digitaler Medien hat die Kluft zwischen benachteiligten und privilegierten Jugendlichen vergrößert“, kritisierte GEW-Schulexpertin Ilka Hoffmann. „Es ist höchste Zeit, gegenzusteuern. Dafür müssen die Schulen massiv unterstützt werden, damit sie Kindern aus armen Familien oder mit besonderem Unterstützungsbedarf einen kompetenten Umgang mit digitalen Medien möglich machen können.“  Es reiche nicht, alle nur mit Endgeräten auszustatten. Gerade benachteiligte Schülerinnen und Schüler profitierten davon wenig, wenn sie keine Grundlagen in Arbeitstechniken und Lesefertigkeit hätten. Um diese zu erlernen, müsse früh angesetzt werden. „Eine gute Ausstattung der Grundschule mit Personal und Fördermöglichkeiten ist die Basis einer guten Bildung für alle in der digitalen Welt.“

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) betonte: „Wir müssen Schülerinnen und Schüler beim digitalen Lesen künftig besser begleiten.“ Analoges Lesen und digitale Kompetenzen müssten parallel trainiert werden. „Das stellt Schulen vor weitere Herausforderungen.“