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PISA-Forscher fordert neues Ganztagsschulprogramm

Berlin (dpa) - Der deutsche PISA-Forscher Eckhard Klieme hält ein weiteres Bund-Länder-Programm zum Ausbau von mehr Ganztagsschulen für erforderlich. "Es darf aber kein neues Bauprogramm sein, sondern müsste in die Inhalte fließen, in besseren Unterricht und ein besseres Förder- und Freizeitprogramm", sagte Klieme der Wochenzeitung "Die Zeit".

Der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Klieme hat den deutschen Teil der am Vortag vorgestellten neuen PISA-Studie geleitet.

Die rot-grüne Bundesregierung hatte 2004 gegen heftigen Widerstand der unionsgeführten Bundesländer ein erstes Ganztagsschulprogramm in einem Umfang von vier Milliarden Euro durchgesetzt. Auf Druck der Länder durfte jedoch der Bund nur in Baumaßnahmen investieren. 2006 setzte der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bei der Föderalismusreform ein Kooperationsverbot im Grundgesetz durch, das dem Bund direkte Investitionen in die Schulen untersagt.

Der Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, kritisierte den Bildungsföderalismus als "unglaubliche Leistungsbremse" in Deutschland. Ungeachtet der verbesserten Testergebnisse gebe es in der Bildungspolitik immer noch reichlich Nachholbedarf, sagte Lenzen der Nachrichtenagentur dpa in Hamburg. Als "richtigen Weg" bezeichnete Lenzen den bundesweiten Trend zu zentralen Bildungsstandards.

Der Bildungsforscher Manfred Prenzel, der 2003 und 2006 die deutschen Teile der PISA-Studien verantwortete, übte in der "Zeit" Kritik an den Gymnasien. Sie betrieben zu wenig Spitzenförderung. Auch an anderen Schulen könnten Schüler inzwischen das Abitur ablegen. "Wenn die Gymnasien in der Konkurrenz bestehen wollen, dann müssen sie den besonders leistungsstarken Schülern einfach mehr bieten."

Sachsens Kultusminister Roland Wöller (CDU) forderte eine bessere Lehrerausbildung. "Der Bund sollte gemeinsam mit den Ländern eine Exzellenzinitiative ins Leben rufen", sagte der CDU-Politiker der dpa in Dresden. Wenn der Aufwärtstrend bei PISA anhalten solle, müsse mehr in die Qualität der Lehrerausbildung investiert werden.

Auch der Wissenschaftler Ewald Terhart von der Universität Münster forderte eine bessere Qualifikation der Lehrer. "Um die Weiterbildung von Lehrern steht es im Vergleich zu anderen Berufen sehr schlecht", sagte er der dpa in Münster. Um die anhaltend schlechten Schulleistungen von Kindern aus bildungsfernen Familien zu verbessern, müssten bereits in den Kindergärten stärker qualifizierte Erzieher zum Einsatz kommen.

Seit dem ersten PISA-Test vor zehn Jahren sind die deutschen Schulen etwas besser geworden. In Naturwissenschaften und Mathematik erreichen die 15-jährigen Schüler in Deutschland jetzt das obere Leistungsdrittel der 34 wichtigsten OECD-Industrienationen. In der wichtigsten Lerndisziplin, dem Lesen und Verstehen von Texten, bleibt Deutschland allerdings nur Mittelmaß. Trotz einiger Verbesserungen bei Migrantenkindern und Risikoschülern bleibt auch die soziale Förderung in den deutschen Schulen weiter mangelhaft. PISA wird von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris veranstaltet.