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Offener Brief an das Präsidium und den Vorstand des Goethe-Instituts

Mit einem Offenen Brief hat die GEW heute das Präsidium und den Vorstand des Goethe-Instituts zu einem Gespräch über tarifliche Regelungen für Freie Mitarbeiter/innen aufgefordert. Der Brief ist nachstehend im Wortlaut abgedruckt

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Schreiben vom 7. Dezember 2012 hat die GEW den Vorstand des Goethe-Instituts um ein Gespräch gebeten mit dem Ziel, tarifliche Regelungen für die Freien Mitarbeiter / Honorarlehrkräfte an den GID zu vereinbaren und dazu folgende Themen vorgeschlagen:

  1. Tarifliche Vereinbarungen zu den Honoraren bzw. künftigen Honorarerhöhungen und weiteren Entgeltbestandteilen der Freien Mitarbeiter.
  2. Regelungen zum Bestandsschutz und Angebote zur Übernahme in eine Festanstellung.
  3. Beiträge des Arbeitgebers zur Sozialversicherung.
  4. Zusätzliche soziale Leistungen des Arbeitgebers.

Zur Begründung hat die GEW angeführt, dass die Lage der Freien Mitarbeiter in mehrfacher Hinsicht von unsicheren Berufsperspektiven sowie mangelnder sozialer Absicherung geprägt sei, was nicht im Interesse des Goethe-Instituts sein könne, weil es überwiegend Honorarlehrkräfte seien, die im Bereich der Sprachkurse die hohe Qualität und den guten Ruf der Institute aufrechterhalten. Daher verfolge die GEW neben einer Verbesserung des Verhältnisses Festangestellte zu Freien Mitarbeitern das Ziel, für die Freien Mitarbeiter Verbesserungen zu erreichen, die ihren Qualifikationen und Leistungen angemessen sind und eine faire soziale Sicherung sowie Planungssicherheit gewährleisten.

In seinem Antwortschreiben vom 20. Dezember 2012 hat der Vorstand ein solches Gespräch abgelehnt, da die Vergütung der Honorarlehrkräfte beim Goethe-Institut angemessen sei und ihnen erlaube, besser als andere Freie Mitarbeiter in ihre soziale Absicherung zu investieren. Ferner erhielten die Honorarlehrkräfte im Sprachkursbetrieb künftig eine vergütete fünftägige Einweisung. Daher wolle der Vorstand von „weitergehenden Verhandlungen“ Abstand nehmen.

Dazu stellen wir fest:

1. Das Honorar entspricht nicht dem Gehaltsniveau akademisch ausgebildeter Fachkräfte und erlaubt keine hinreichende soziale Sicherung

Das Goethe-Institut zahlt an Honorarlehrkräfte Stundensätze von 26,60 Euro bis zu 32,80 Euro bezogen auf eine Unterrichtseinheit von 45 Minuten inklusive Vor- und Nachbereitungszeiten und Zusammenhangstätigkeiten. Der Stundensatz für den Einsatz in Prüfungen beträgt derzeit 20,- Euro. Bei einem üblichen Einsatz von monatlich ca. 17 Unterrichtstagen und drei Tagen für Anreise und Prüfungen ergibt sich daraus ein Bruttomonatseinkommen von jahresdurchschnittlich ca. 2.750,- bis 3.300,- Euro. Zieht man davon sechs Wochen unbezahlten Urlaub im Jahr ab, bleiben ca. 2.400,- bis 2.900,- Euro. Da Freie Mitarbeiter die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung selbst mittragen müssen, um sich adäquat zu versichern, bleiben davon (Steuerklasse 1, ledig, ohne Kinder) weniger als 1.200,- bis 1.500,- Euro als Nettoeinkommen. Nicht berücksichtigt sind dabei die fehlenden Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auf Arbeitslosengeld. Insgesamt wird selbst bei Abstrichen hinsichtlich der sozialen Sicherung das Gehaltsniveau akademisch ausgebildeter Fachkräfte bei Weitem nicht erreicht.

2. Die Honorarlehrkräfte tragen fast 80 Prozent des operativen Geschäfts des Eigenmittelbereichs.

Der Anteil der Festangestellten Lehrkräfte beim Goethe-Institut Deutschland ist in den letzten 20 Jahren von etwa 70 Prozent Mitte der 1990er Jahre auf 20 bis 30 Prozent 2013 kontinuierlich gesunken. Mit wenigen Ausnahmen erfolgten in diesem Zeitraum keine Festanstellungen, auch dann nicht, wenn eine festangestellte Lehrkraft aus dem Goethe-Institut ausschied und eine besetzbare Stelle frei gewesen wäre. Das bedeutet einerseits, dass Honorarlehrkräfte, die seit vielen Jahren für das Goethe-Institut tätig sind, keine Chance hatten, eine Festanstellung zu erreichen. Andererseits bedeutet das, dass die Sprachkurse, die das Kerngeschäft des GID ausmachen, ohne Honorarlehrkräfte längst nicht mehr realisierbar wären. Die Beschäftigten – „Feste“ wie „Freie“ sind das Aushängeschild des Goethe-Instituts. Das Goethe-Institut erwartet auch von den Honorarlehrkräften, dass sie hohe qualitative Standards erfüllen und aufrechterhalten. Es erwartet u.a. den Einsatz neuer Medien im Unterricht, langjährige Auslandserfahrung und akademische Ausbildung sowie Berufserfahrung im Bereich DaF oder Interkultureller Germanistik.

Durch den Einsatz von Honorarlehrkräften ist das Goethe-Institut sehr flexibel bei der Einsatzplanung. Es kann sein Angebot kurzfristig ausbauen oder einschränken, fast ohne Kostenrisiko. Dieses Risiko tragen überwiegend die Honorarlehrkräfte, die nicht wissen, ob und in welchem Umfang sie in den folgenden Monaten oder Jahren eingesetzt werden. In der Regel erfahren sie erst kurz vor Kursbeginn, ob sie eingesetzt werden. Das Goethe-Institut erwartet einerseits, dass sich die Freien Mitarbeiter langfristig an das GI binden und so zur „Qualitätssicherung“ beitragen. Andererseits verweigert es den Betroffenen jegliche Planungssicherheit. Wenn Kurse ausfallen, gibt es weder ein Ausfallhonorar noch einen Anspruch auf anderweitigen Einsatz. Wenn das Goethe-Institut die Lehrkraft – aus welchem Grund auch immer – nicht mehr einsetzt, hat sie keinerlei Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und somit keinerlei sozialen Puffer für den Fall der Erwerbslosigkeit. Oft wird von ihnen zu Beginn des Jahres eine Urlaubsplanung erwartet um die Planungsmöglichkeiten der Institute zu erleichtern – eine Zusage über einen möglichen Einsatz hingegen erhalten sie nicht. Eigentlich würden Honorarlehrkräfte im Gegenzug für ihre Flexibilität eine Risikoprämie benötigen, die es ihnen erlauben würde, für diesen Fall finanziell Vorsorge zu treffen. Loyalität ist keine Einbahnstraße.

3. (Auch) die Freien Mitarbeiter sind „Goethe“

Das Goethe-Institut versteht sich gerne als attraktiver Arbeitgeber – und schließt die Freien Mitarbeiter von diesem Anspruch systematisch aus. Freie Mitarbeiter beim Goethe-Institut erleben in vielfältiger Weise, dass sie nicht wirklich dazu gehören. Sie sind von den meisten Kommunikationsformen ausgeschlossen, zu denen Festangestellte selbstverständlich Zugang haben: Sie haben keinen Zugang zum Intranet, erhalten kein AIZ, haben keine Goethe-Email-Adresse, weshalb sie auch bei den Befragungen zur Mitarbeiter-Zufriedenheit nicht berücksichtigt werden konnten – so die offizielle Begründung des Vorstands. Das Goethe-Institut unterhält mit der GEW zahlreiche Tarifverträge und Vereinbarungen, es hat eine lebendige Kultur betrieblicher Interessenvertretung. Wenn Konflikte sozialpartnerschaftlich gelöst werden, ist das gut für den sozialen Frieden und ein positives Betriebsklima. Für die Freien Mitarbeiter gibt es hingegen keine Tarifverträge und keine betriebliche Interessenvertretung. Sie sind jeweils auf sich alleine gestellt, wenn es zum Konflikt kommt. Aber die Freien Mitarbeiter gehören zum Goethe-Institut – sie sollen und wollen sich identifizieren, wollen teilhaben an der Kommunikation und an der betrieblichen Interessenvertretung. Sie sagen: „Wir sind Goethe!“ Das sollte einem attraktiven Arbeitgeber gefallen.

Höchste Zeit also für ein Signal: „Ja, auch ihr seid Goethe!“ – höchste Zeit, den Anliegen der Freien Mitarbeiter, die sich zunehmend in der GEW als ihrer Interessenvertretung am Goethe-Institut organisieren, in einem offenen Gespräch Beachtung zu geben.

Ziel der GEW sind weiterhin Verhandlungen mit der Absicht, tarifliche Vereinbarungen zu treffen, damit künftig alle Beschäftigtengruppen des Goethe-Instituts ihre Arbeitsbedingungen auf Augenhöhe verhandeln können. Der Vorstand hat signalisiert, dass er noch nicht bereit ist, diesen Weg gemeinsam zu beschreiten. Entscheidend ist aber, zumindest einen ersten Schritt zu tun. Als Einstieg in eine tarifliche Vereinbarung schlagen wir vor, die in dem Schreiben des Vorstands erwähnten freiwilligen Leistungen des GI für die FM in einer tarifvertraglichen Vereinbarung festzuschreiben.

Wir fordern den Vorstand auf, sich bis spätestens 3. Juni zu den Forderungen der GEW zu verhalten und ein Gesprächsangebot zu unterbreiten.

Mit freundlichen Grüßen
Ilse Schaad