„Was hat ein Lehrer in Deutschland vom heute in Berlin tagenden Lehrergipfel?“, fragte mich der Fernsehmoderator in einem Interview des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) am Abend des ersten ISTP-Gipfeltages. Ehrlicherweise antwortete ich: „Erst mal so direkt – heute – nichts, aber … es kommt darauf an, ob wir eine Langzeitwirkung erzielen.“ Wie so oft ist die Frage entscheidend, ob etwas – in diesem Fall der International Summit on the Teaching Profession (ISTP) – nachhaltig wirkt.
Vor Kongressbeginn hatte die GEW die Delegierten zu Besuchen in Sprachlernklassen in acht Berliner Schulen eingeladen. Die internationalen Gewerkschaftskolleginnen und –kollegen waren von der Empathie und der Fachkompetenz der Lehrkräfte stark beeindruckt. „Es geht um das Engagement, einen positiven Unterschied im Leben von Kindern zu machen“, betonte der Generalsekretär der Bildungsinternationale (BI), Fred van Leeuwen, später vor den Kongressteilnehmenden.
Die internationalen Gäste haben viele Anregungen für ihre Arbeit mitgenommen. Die Berliner Kolleginnen und Kollegen wiederum fühlten sich durch den Austausch mit den ISTP-Delegierten wertgeschätzt. Die Schulbesuche der Ministerinnen und der Minister sowie der Teaching Professionals sind ähnlich erfolgreich gelaufen. Es gab also für alle Seiten viele Möglichkeiten, die eigene Perspektive auf Schule zu erweitern. Die Kolleginnen und Kollegen aus Asien beispielsweise waren insbesondere über den projektorientierten Unterricht erstaunt. Diese Methode ist ihnen sehr fremd.
Hin und Her macht reformmüde
„Professionalisierung von Lehrkräften: Voraussetzung für gute Unterrichtsqualität und beste Lernergebnisse“, lautete das Thema des Gipfels. Experten der BI und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterstrichen auf der Grundlage von Untersuchungen ihre Überzeugung, dass selbst kleine Reformen nur dann erfolgreich umgesetzt werden können, wenn die Lehrkräfte diese unterstützen und sich zu eigen machen. Die Ministerinnen und Minister stellten dar, dass Bildungspolitik in vielen Ländern Wahlen entscheidet und manchmal zu ideologischen Auseinandersetzungen führt. Beide Kernaussagen kann ich nur bestätigen.
Wenn Regierungswechsel zu einem steten Hin und Her in der Bildungspolitik führen, machen Lehrkräfte diese Veränderungen irgendwann nicht mehr mit und werden reformmüde. Ziel muss also sein, Entwicklungsprozesse in einem Dialog auf breiter Basis zu verankern. Entwicklungen aber brauchen Zeit und Raum. Viele Rednerinnen und Redner hoben hervor, dass eine enge Kooperation von Bildungsadministration und Lehrkräften notwendig sei. Dafür sind die Gewerkschaften als Vertretung der Lehrkräfte die geeigneten Partner. Und zwar nicht nur, wenn es um tarifpolitische Aushandlungsprozesse geht, sondern auch, wenn der soziale Dialog über Bildungs-, Aus- und Fortbildungsinhalte auf der Tagesordnung steht.
Also gingen die nationalen Delegationen in diesem Sinne schon einmal mit gutem Beispiel voran und verabredeten gemeinsame Ziele. Für Deutschland verständigten sich die Kultusministerkonferenz (KMK), die GEW sowie der Verband Bildung und Erziehung (VBE) auf ein Gemeinschaftsprojekt, das drei Kernpunkte beinhaltet:
- Der Umgang mit Diversität in Erstausbildung, Vorbereitungsdienst und Fortbildung soll stärker in den Fokus rücken.
- Die Bildungsstandards sollen mit Blick auf Inklusion nach wissenschaftlichen Kriterien überarbeitet werden.
- Für die „Bildung in der digitalen Welt“ wird eine Strategie entwickelt.
GEW und VBE, beide Organisationen sind Mitglied der BI, werden sich in diesem Prozess für bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen der Lehrkräfte einsetzen. Nun kommt es darauf an, dass die Kooperation mit der KMK auch tatsächlich klappt. Zudem können diese Vereinbarungen auch auf der Länderebene genutzt werden, um pädagogische Aushandlungsprozesse zu stärken. Insofern hat der ISTP dann auch eine positive Langzeitwirkung für jede einzelne Lehrkraft.