In der Debatte um die Digitalisierung der Arbeitswelt geht es im Wesentlichen um zwei zentrale Fragen. Die größte mediale Aufmerksamkeit gilt seit der Studie von Frey/Osborne im Jahr 2013 der Befürchtung, dass es zu einer Automatisierungswelle menschlicher Arbeit kommt. Inzwischen gibt es neue, aber unterschiedliche Szenarien. Was die Arbeitswelt aber tatsächlich erwartet, lässt sich zurzeit nicht seriös vorhersagen. Die zweite Frage ist, wie Digitalisierung genutzt werden kann, damit wir in Zukunft gute, ja bessere Arbeit bekommen. Kann die digitale Technik Arbeit menschlicher machen? Das klingt vielleicht widersprüchlich, aber die Hoffnung ist nicht unbegründet.
Roboter und Assistenzsysteme können den Menschen zum Beispiel schwere körperliche Arbeiten abnehmen, Software kann bei Arbeitsabläufen helfen und bei Routinetätigkeiten entlasten. Darüber hinaus wird Arbeit mobiler und kann flexibel organisiert werden. Das gilt auch für neue Arbeitsformen. Wer will, kann auch auf Online-Plattformen Arbeit finden – Nebenverdienste durch Microtasks oder als Freelancer bei Ausschreibungen im Netz das große Los ziehen. Das Ganze in bunten Co-Working Spaces. Klingt erst einmal gut. So wird auch immer wieder betont, dass „Arbeiten 4.0“ eine Chance ist, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren – nicht zuletzt die Arbeitgeberverbände heben diesen Aspekt hervor.
Arbeit wird parallel entgrenzt und intensiviert
Flexibilität ist das Zauberwort in der Debatte um „Arbeit 4.0.“. Was vor allem für Hochqualifizierte eine Verheißung ist, klingt für viele andere wie eine Bedrohung. Nicht ohne Grund: In den vergangenen Jahren hat die Flexibilisierung vor allem dazu geführt, dass die Arbeitszeiten ausgeweitet worden sind. Atypische Arbeitszeiten – am Abend oder am Wochenende – nehmen zu. Gleichzeitig steigen die Belastungen durch Arbeitsverdichtung, mehr als die Hälfte der Beschäftigten ist gestresst und arbeitet gehetzt – Probleme, die in den Bereichen Erziehung und Unterricht übrigens überdurchschnittlich häufig auftreten. Arbeit wird also parallel entgrenzt und intensiviert. Die Digitalisierung spielt hierbei eine große Rolle: Arbeitsprozesse werden beschleunigt, neue Kompetenzen sind gefordert und die Verfügbarkeit- und Erreichbarkeitserwartungen ufern aus.
Multitasking und Selbstorganisation, Arbeit in der Freizeit – all das ist für viele heute schon Alltag, nicht zuletzt im Home Office. Das Konzept der Work-Life-Balance mutiert zur Work-Life-Integration, Arbeit und Leben lassen sich immer weniger trennen. Dabei gehen die Interessen der Beschäftigten weit auseinander: Die einen wollen freier arbeiten, während sich andere durch prekäre Jobs quälen und nach Perspektiven suchen. Wieder andere brauchen klare Grenzen oder sorgen sich, das Tempo nicht mitgehen zu können. Das bedeutet, die Arbeitsgestaltung wird anspruchsvoller. Entscheidend ist dabei nicht die Arbeitszeit alleine, sondern die Frage, was in welcher Zeit zu arbeiten ist – und in welcher Form.