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Globale Nachhaltigkeitsagenda

Zivilgesellschaft macht vor, was die Politik versäumt

Nachhaltigkeit ist mehr als ein Label. Wie ihre Umsetzung funktioniert, zeigen Spitzenverbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen mit konkreten zivilgesellschaftlichen Projekten und Initiativen im Nachhaltigkeitsbericht 2018.

Der dritte Nachhaltigkeitsbericht mit dem Titel „So geht Nachhaltigkeit! Zivilgesellschaftliche Initiativen und Vorschläge für nachhaltige Politik“ zeigt einmal mehr, wie wichtig „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ für eine umfassende Umsetzung der von der UN verabschiedeten Globalen Nachhaltigkeitsagenda ist. Ein Bündnis aus Kooperationspartnerinnen und -partnern, zu dem auch die GEW gehört, hat mit dem heute in Berlin vorgestellten Bericht zusammengetragen, was zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen tagtäglich für die Nachhaltigkeit in Deutschland und weltweit leisten, obwohl sie politisch nicht immer unterstützt werden. Im Fokus steht dabei stets die Frage, welche Folgerungen sich für die Bund-, Länder- und Gemeindeebene aus diesen Best-Practice Beispielen ableiten lassen und welche politischen Forderungen daraus entstehen. Für die Bildung ist unter anderem ein ganzheitliches Konzept für Schulen interessant, um Jugendlichen die Bedeutung von Nachhaltigkeit zu vermitteln und im Schulalltag erlebbar zu machen.

Die Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) sind politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen (UN), die der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene dienen sollen. Ziel 4: Bildung für Alle ist für die GEW von besonderer Bedeutung.

Zu den Beispielen gehört, wie „Gemeindekrankenpflegerinnen und -pfleger“ Frauen und Kindern in Entwicklungsländern das Leben rettet, wie Wasser, Strom und Wohnungen durch öffentliche und genossenschaftliche Erzeugung bezahlbar für alle bleiben und wie Recht und Gesetz ganz praktisch das Klima schützen. Die Beispiele wurden ausgewählt, da sie für zivilgesellschaftliche, kommunale und staatliche Ansätze nachhaltiger Entwicklung stehen und potenziell auf einen größeren gesellschaftlichen Kontext – in unserem Fall in Deutschland – übertragbar sind.

Bildung nachhaltiger Entwicklung an Schulen in acht Schritten

Als praktisches Beispiel zur Umsetzung Bildung nachhaltiger Entwicklung (BNE) wird das Konzept des „Bündnis Zukunftsbildung“ vorgestellt: Es sieht zur Implementierung in der Schule acht Schritte vor. Entscheidend dafür ist die von der GEW mitfinanzierte Expertise „Warum redet niemand über Geld? – Vorschläge zu Finanzierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schulen“, die Umsetzungsschritte bündelt und einen Fahrplan zur praktischen Umsetzung an allgemeinbildenden Schulen vorschlägt. Demnach könne BNE nicht alleine durch schulgesetzliche Vorgaben oder Verordnungen der Kultusbehörde einfach zusätzlich funktionieren – sozusagen „on top“ ohne weitere Unterstützung zu den bisherigen Aufgaben der Schulen. BNE müsse in kleinen Schritten auf sämtlichen Ebenen durchgeführt und in die Routinen des Schulalltags – genauso wie im gesellschaftlichen Alltag – integriert werden.

  • Im ersten Schritt steht die schulspezifische Konzeption einer BNE-Strategie.
  • Der zweite Schritt sieht die Verankerung von BNE in Schulgesetzen und Curricula vor.
  • Im dritten Schritt soll BNE in Lehrmaterialien integriert werden.
  • Im vierten Schritt soll BNE durch Maßnahmen in das eigene Schulprofil, die schulischen Curricula sowie den Unterricht in Form eines Projekts integriert werden.
  • Fünftens folgt die Benennung von mindestens einer BNE-Koordinatorin oder eines BNE-Koordinatoren pro Schule, die den fachübergreifenden BNE-Unterricht koordinieren.
  • Sechster Schritt ist die Fortbildung der Lehrkräfte zur Umsetzung von BNE (alle zwei Jahre eine eineinhalbtägige BNE-Fortbildung).
  • Der siebte Schritt ist die Erhöhung der personellen Kapazitäten für BNE in den zuständigen Kultusbehörden sowie der Schulaufsicht.
  • Der letzte achte Schritt ist die Erhöhung öffentlicher Mittel zur Umsetzung von BNE.

Bildung nachhaltiger Entwicklung gibt es nicht umsonst

Die Expertise zeigt deutlich, dass eine glaubwürdige Einführung und Umsetzung von BNE in den Schulen weder „on top“ von den Lehrkräften bewerkstelligt werden kann noch kostenfrei ist. Die verantwortlichen Länder müssten demnach langfristig von 2018 bis 2030 insgesamt 13,7 Milliarden Euro und ab 2030 jährlich etwa 2,2 Milliarden Euro für eine wirksame Bildung für nachhaltige Entwicklung in die Hände nehmen. Nur so könne BNE zur Erfüllung der SDGs in unser Schulsystem integriert werden, verdeutlicht der Nachhaltigkeitsbericht. Bei Betrachtung der gesamten Bildungsaufwendungen der Länder relativiert sich diese Summe: Nach dem Ausbau von BNE liegen die BNE-Ausgaben der Länder für die Schulen gerade einmal bei 3,6 Prozent der gesamten schulischen Ausgaben.

Koalitionsvertrag: Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, die Agenda 2030 umzusetzen

Im September 2015 hatte sich die deutsche Bundesregierung zusammen mit den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen aktiv an der Formulierung der UN-Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung beteiligt. Die neu gefasste Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) soll den Rahmen bilden, die Agenda 2030 in Deutschland umzusetzen. Auch im Koalitionsvertrag bezeichnet die Große Koalition die Umsetzung der Agenda 2030 und die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung als Maßstab und Richtschnur des Regierungshandelns. Doch trotz dieser Bekenntnisse ist die Politik der Bundesregierung noch lange nicht nachhaltig. Das gilt in sozialer (z.B. Bildungsbenachteiligung, wachsende Ungleichheit und Armut), in ökonomischer (z.B. veraltete Infrastruktur und Abkehr von der Energiewende) und in ökologischer Hinsicht (z.B. Feinstaubbelastung und Qualität des Trinkwassers).

Nicht die Zivilgesellschaft sondern die Politik muss handeln!

Die Hauptverantwortung für die Umsetzung der Agenda 2030 und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele liegt jedoch bei den Regierungen. Sie haben sie beschlossen und sie sind verantwortlich dafür, die politischen Weichen in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung in allen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Sektoren auf allen Ebenen zu stellen. Damit sich zivilgesellschaftliches Engagement für nachhaltige Entwicklung entfalten und vermehren kann, müssen Widerstände abgebaut, bessere Rahmenbedingungen geschaffen und insbesondere die strukturellen Hindernisse einer nachhaltigen Entwicklung endlich auch von der Politik angegangen werden. Die im Nachhaltigkeitsbericht dargestellten Projekte, Initiativen und Aktivitäten halten der Politik in Deutschland darum klar den Spiegel vor.

So geht Nachhaltigkeit! Mit diesen im Nachhaltigkeitsbericht 2018 gesammelten Projekten macht die Zivilgesellschaft der Politik vor, wie es geht:

  1. Streetware gegen Jugendarmut
  2. Ernährungssouveränität zum Anpacken: Ernährungsräte in Deutschland
  3. Beitrag der Zivilgesellschaft zur Verbesserung der Gesundheitssituation in Nepal: Von humanitärer Nothilfe zur Entwicklungszusammenarbeit
  4. Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schulen: Step by step alle mitnehmen!
  5. #FreePeriods: Wie die Regel zum Armutsfaktor wird und was dagegen zu tun ist
  6. (Re)kommunalisierung von Wasser als gemeinschaftliches Management von Ökosystemen
  7. Energie in Bürger*innenhand
  8. Vorbilder für global nachhaltiges Wirtschaften: Frankreichs Gesetz zur Reduzierung von Menschenrechtsverstößen und Umweltschäden
  9. Der Volksentscheid Fahrrad in Berlin: Bürgerinnen und Bürger erzwingen den Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik
  10. Mehr Chancengleichheit durch gezielte und nachhaltige Stadtteilarbeit
  11. Wohnraum für Alle: Das Mietshäuser Syndikat
  12. Wenn der Staat einkaufen geht … Städte und Gemeinden als Vorreiter für nachhaltige öffentliche Beschaffung
  13. Klimagerechtigkeit: Wie Klimawandelkonflikte zunehmend vor Gericht ausgefochten werden
  14. Fischen und Bewahren: Über die Bedeutung traditionellen Wissens für den Schutz der Meere
  15. Nach der Kohle: UferLeben e.V. setzt sich für einen ökologischen Tourismus im ehemaligen Braunkohlerevier ein
  16. Zivilgesellschaft als Treiber: Kolumbien und die Philippinen als Beispiele inklusiver Friedensprozesse
  17. Nachhaltigkeit durch Investment? Der FairWorldFonds und die Agenda 2030