„Durchgeschwitzt, das Gefühl gehabt zu haben, keinem Kind gerecht geworden zu sein und mich keinen Meter von meinem Tisch vor der Tafel wegbewegt zu haben“, so schildert Kerstin Vollmer ihre Eindrücke nach ihrem Unterricht in ihrem ersten Jahr als Lehrerin an der Grundschule. Die Klassenlehrerin der 3b der Bergschule in Hohenhaslach, einem idyllischen kleinen Ort, umgeben von Weinbergen und Feldern, in der Nähe von Ludwigsburg, war alles andere als zufrieden mit ihrer Arbeit. „Frau Vollmer, ich bin schon fertig – was kann ich als nächstes tun?“, „Frau Vollmer, ich verstehe diese Aufgabe nicht – können Sie mir helfen?“, „Frau Vollmer, der sowieso hat mich geschubst!“ – „Kaum habe ich das Klassenzimmer betreten und mich eingerichtet, standen die ersten Kinder schon bei mir vorne,“ erzählt Vollmer. „Ich bin überhaupt nicht dazu gekommen, mit den Kindern im Kontakt zu sein!“.
Eine Projektwoche in ihrem zweiten Schuljahr an der Bergschule sollte alles auf den Kopf stellen und die Pädagogik der Schule nachhaltig ändern. Ein Buch sollte in dieser Woche besprochen werden und Vollmer nutzte die Chance ihren Unterricht für diese Zeit umzustellen. Sie baute Lernstationen im Klassenzimmer auf, ließ den Kindern die Freiheit, mit welchem Material, sie sich dem Stoff nähern wollten. Es klappte. „Machen wir das jetzt immer so?“, fragten sie die Kinder danach. Die Schülerinnen und Schüler hatten den unbedingten Wunsch, weiter so lernen zu dürfen. Vollmer wurde stutzig. „Das kam für mich zunächst überraschend, aber es hatte so wunderbar gut in dieser Woche funktioniert“. Warum also nicht?
„Heute bin ich nach meinem Arbeitstag auch oft kaputt und verschwitzt, aber mit einem ganz anderen Gefühl als damals.“ (Kerstin Vollmer)
Als Marlis Tepe und Doro Moritz bei ihrem Besuch an der Schule gut sieben Jahre später durch das Klassenzimmer der 3b laufen, findet sie ein Konzept des individuellen Lernens vor, das komplett durchdacht und durchstrukturiert ist. Marlis Tepe, Doro Moritz, die geladenen Kommunalpolitikerinnen und -politiker und selbst die Elternvertreterinnen und -vertreter staunen über die diffizilen Arbeitsmaterialien, über die Lernatmosphäre der Kinder, die sich selbst von dem fast 10-köpfigen Erwachsenen-Besuch nicht stören lassen. Die „Lernregale“ sind gut beschrieben – darin befindet sich vom Solartaschenrechner, über selbstgebastelte Würfel, laminierte Kärtchen, alles erdenklich Kreative – immer verbunden mit einer Lernaufgabe. Die Schülerinnen und Schüler wissen genau wie das funktioniert, wo die Delegation nur staunend davor steht. „Heute bin ich nach meinem Arbeitstag auch oft kaputt und verschwitzt, aber mit einem ganz anderen Gefühl als damals“, lacht Vollmer.