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Gewerkschaften und Digitalisierung

Vom Recht auf Ausloggen

In einigen GEW-Landesverbänden gibt es bereits Arbeitsgruppen zur Medienbildung und Digitalisierung. Diese werden ab März 2019 in einem Bundesforum vernetzt. Das Forum soll Herausforderungen diskutieren und Lösungen entwickeln.

Foto: Dominik Buschardt

In vieler Hinsicht sind Bildungseinrichtungen im Vergleich zur Industrie regelrecht unterdigitalisiert. Die Ausstattung mit Hardware lässt ebenso zu wünschen übrig wie die Verfügbarkeit eines bedarfsgerechten W-LAN; vielerorts kümmern sich nach wie vor einzelne Lehrkräfte um die Technik, ohne angemessene Entlastung. Mangels Dienstcomputern wird von den Kolleginnen und Kollegen erwartet, dass sie auf privaten Geräten Unterricht vorbereiten, Klassenarbeiten auswerten, Förderpläne schreiben und Schule organisieren. Dabei tragen sie persönlich Verantwortung für die Datensicherheit – Zustände, die in einem herkömmlichen Betrieb undenkbar wären.

Andererseits hält die Digitalisierung auf immer mehr Ebenen Einzug in die Schulen – etwa durch Medientechnologien in Verwaltung und Unterricht, Schulclouds oder digitale Schließanlagen. Das bedeutet: Mehr und mehr sind Kolleginnen und Kollegen wie auch die GEW in Sachen Mitbestimmung, Arbeitszeitrecht, Daten-, Arbeits- und Gesundheitsschutz gefordert. Die Digitalisierung verändert nicht nur die Pädagogik, sondern auch die „Infrastruktur der Arbeitswelt“, wie es in einem der im Mai verabschiedeten DGB-Beschlüsse heißt. Und: Auch im Bildungswesen wird die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben ebenso durchlässiger wie jene zwischen Märkten und Bildungseinrichtungen.

Die gewerkschaftliche Perspektive lautet, „die Digitalisierung als einen Prozess zu verstehen, der von Menschen verantwortet wird und politisch gestaltbar ist“ und die Digitalisierung im Sinne der Humanisierung der Arbeit zu gestalten.

Am Beispiel Schulcloud lässt sich gut zeigen, dass es auch im Bildungsbereich um die Stärkung der Mitbestimmung und die Durchsetzung individueller Rechtsansprüche der Beschäftigten geht. Das Recht auf Nichterreichbarkeit etwa, das der DGB stärken will, spielt eine immer größere Rolle. Denn Schulleitungen erwarten zunehmend, dass Kolleginnen und Kollegen in ihrer Freizeit Mails lesen oder nachschauen, ob sie am nächsten Morgen für Vertretungsunterricht eingeteilt sind. Dass die durch ständige Erreichbarkeit entstehende Belastung – die seit jeher ein Kennzeichen der Berufe im Bildungs- und Erziehungsbereich ist – durch die Digitalisierung verstärkt wird, bestätigt der DGB-Index Gute Arbeit von 2016.

In anderen Branchen, etwa der Automobilindustrie, wurden in dieser Hinsicht wichtige Schritte gemacht: Viele Betriebsräte setzten bereits Vereinbarungen zum Schutz der Work-Life-Balance und zu einem Recht auf Nichterreichbarkeit durch. Es ist höchste Zeit, dass derlei Vereinbarungen auch im Bildungs- und Erziehungsbereich Schule machen. Gute Beispiele gibt es bereits: etwa die – mit dem Deutschen Personalrätepreis gekrönte – Dienstvereinbarung der Hauptpersonalräte zur Schulcloud „Logineo“ in Nordrhein-Westfalen, die den Schutz vor Mehrbelastung, Arbeitsverdichtung sowie Arbeits- und Verhaltenskontrolle regelt.

Auch an weitere aktuelle DGB-Beschlüsse kann die GEW anknüpfen. So gelten die „tägliche Höchstarbeitszeit“ wie die „Ruhezeiten nach Arbeitszeitgesetz bzw. dem Dienstrecht“ auch in Bildungseinrichtungen. Ebenso sollte der Datenschutz angesichts der verstärkten Kontrollmöglichkeiten auch im Bildungsbereich stärker „Teil des Gesundheitsschutzes“ werden. Ein wichtiges Instrument für eine menschengerechte Arbeitsgestaltung sehen die Mitgliedsgewerkschaften des DGB zudem in ganzheitlichen, die psychischen Belastungen einbeziehenden Gefährdungsbeurteilungen – die auch im Bildungs- und Erziehungsbereich angezeigt sind. Die gewerkschaftliche Perspektive lautet, „die Digitalisierung als einen Prozess zu verstehen, der von Menschen verantwortet wird und politisch gestaltbar ist“ und die Digitalisierung im Sinne der Humanisierung der Arbeit zu gestalten. Nur dann biete diese Chancen für selbstbestimmtere, gesündere und attraktivere Arbeits- und Lernumgebungen.

Weil die Digitalisierung auch ein Einfallstor für die Kommerzialisierung und Ökonomisierung des Bildungswesens ist, spielen schließlich die Verteidigung öffentlich verantworteter und finanzierter Bildung sowie das Zurückdrängen des zunehmenden Lobbyismus eine zentrale Rolle.

Der Freiburger Gewerkschaftstag formulierte 2017 ausführlich, welche Anforderungen die GEW an „Bildung in der digitalen Welt“ stellt. Die DGB-Beschlusslage von 2018 knüpft hieran an und konkretisiert die Positionen der Bildungsgewerkschaft insbesondere im berufsbildenden Bereich. Zum Beispiel machen die Gewerkschaften Vorschläge zur Anpassung der Qualifizierung der betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder. Sie fordern einen Pakt von Bund und Ländern, um die technische Ausstattung der berufsbildenden Schulen zu modernisieren, damit die berufliche Ausbildung mit neuen Erfordernissen Schritt halten kann.

Nun gilt es, die Beschlüsse weiter zu entwickeln, die Digitalisierung im Bildungswesen kritisch zu begleiten und Einfluss zu nehmen. In einigen GEW-Landesverbänden gibt es bereits Arbeitsgruppen zur Medienbildung und Digitalisierung. Diese werden ab März 2019 in einem Bundesforum, in dem die Kolleginnen und Kollegen aus Landesverbänden und den GEW-Bundesausschüssen zusammen arbeiten sollen, vernetzt. Das Forum soll arbeitspolitische, rechtliche und pädagogische Herausforderungen diskutieren und Lösungen entwickeln. Vorschläge für eine bessere Verankerung von Medienbildung und Digitalisierung in den Curricula stehen ebenso auf der Agenda wie die Aus- und Fortbildung der Lehrenden. Weil die Digitalisierung auch ein Einfallstor für die Kommerzialisierung und Ökonomisierung des Bildungswesens ist, spielen schließlich die Verteidigung öffentlich verantworteter und finanzierter Bildung sowie das Zurückdrängen des zunehmenden Lobbyismus eine zentrale Rolle.

Mit den anderen DGB-Gewerkschaften verbindet die GEW das Ziel, die Digitalisierung so zu gestalten, dass die Kolleginnen und Kollegen ent- statt belastet werden. Und: dass Bildung sich weder technischen Entwicklungen noch Marktinteressen unterwirft, sondern die Pädagogik – und mit ihr die Lernenden und die Beschäftigten – im Mittelpunkt steht.