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Freiberuflich in der Bildung

„Viele stocken mit Hartz IV auf“

Niedrige Honorare und kaum Rechte: Die Lage vieler freiberuflich in der Bildung Tätigen ist schlecht. Seit 2015 berät die GEW in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg Selbstständige an einer Hotline.

Foto: Pixabay / CC0

Niedrige Honorare, kaum Rechte: Die Lage vieler freiberuflich in der Bildung Tätigen ist schlecht. Seit 2015 berät die GEW in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg Selbstständige an einer Hotline. Ihr Ansprechpartner: Erwin Denzler, Gewerkschaftssekretär in Bayern – und viele Jahre freiberuflicher Dozent für Arbeitsrecht.

  • E&W: Die Hotline für Selbstständige besteht seit zwei Jahren. Welche sind die drängendsten Themen?

Erwin Denzler: Die häufigsten Fragen drehen sich um die Pflichten in der Renten- und Krankenversicherung. Denn selbstständige Lehrkräfte sind in Deutschland zwar rentenversicherungspflichtig wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie müssen aber den vollen Beitrag selbst bezahlen – ohne Zuschüsse des Auftraggebers. Mit der Kranken- und Pflegeversicherung macht die finanzielle Belastung bis zu 40 Prozent des Einkommens aus.

  • E&W: Dabei gilt die Bezahlung ohnehin als kaum auskömmlich.

Denzler: Im Bildungsbereich sind die Stundensätze ziemlich schlecht. Zwar hören sich 35 Euro pro Unterrichtsstunde erstmal gut an. Aber alle anderen Aufgaben wie die Vor- und Nachbereitung, aber auch Verwaltungstätigkeiten werden nicht vergütet. Und 40 Stunden Unterricht in der Woche hält man nicht lange durch.

  • E&W: Wie kommen Selbstständige dann zurecht?

Denzler: Viele Kolleginnen und Kollegen müssen mit Hartz IV aufstocken. Die öffentliche Hand gibt in dem Bereich einfach zu wenig aus. In der beruflichen Bildung zum Beispiel ist das Niveau seit Jahren schlecht. Freiberuflerinnen und Freiberufler bekommen nur 20 bis 30 Euro pro Stunde und müssen davon alle Pflichtkosten selbst tragen.

  • E&W: Was wäre der Ausweg?

Denzler: Mehr feste Anstellungen wären für viele Lehrkräfte das Mittel der Wahl. Für Selbstständige in der Bildung wäre aber auch eine Art Sozialversicherung wünschenswert, die ähnlich wie bei Künstlern und Publizisten den Arbeitgeberanteil übernimmt.

  • E&W: Durch die Sprach- und Integrationskurse ist für Freiberuflerinnen und Freiberufler ein zusätzliches Feld entstanden und stark gewachsen. Wie läuft es dort?

Denzler: Dort sind tatsächlich, bedingt durch die Nachfrage, auch die Honorare leicht gestiegen. Ein großes Thema ist nun der Urlaubsanspruch. Denn für arbeitnehmerähnliche Selbstständige gilt prinzipiell ein Anspruch auf vier Wochen bezahlten Urlaub im Jahr, wenn man überwiegend für einen Auftraggeber tätig ist. Das ist nicht immer leicht durchzusetzen.

  • E&W: Welche Hilfen kann die Hotline bieten?

Denzler: Am Telefon stehen wir für erste Auskünfte und allgemeine Beratung zu diesen Fragen bereit. Bei einigen Anliegen, zum Beispiel wenn formale Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren nötig sind, vermitteln wir an die GEW-Rechtsschutzstellen.

  • E&W: Was war der Anlass für die Einrichtung der Hotline?

Denzler: Als seinerzeit unser Organisationsentwicklungsprozess lief, gab es einen Beratungsbedarf für Freiberuflerinnen und Freiberufler, den nicht jede einzelne Geschäftsstelle vor Ort abdecken konnte. Heute bekommen wir durchschnittlich zehn bis 20 Anfragen im Monat. In manchen Phasen, etwa zu Semesterbeginn oder während aktueller Debatten in der Politik, sind es deutlich mehr.

  • E&W: Die Hotline wurde als Modellprojekt gestartet. Wird sie fortgeführt?

Denzler: Die Projektzeit läuft tatsächlich derzeit ab. Aber wir werden die Hotline jetzt auf unbestimmte Zeit weiter anbieten.

  • E&W: Wer kann sich melden?

Denzler: Neben denjenigen, die hauptberuflich als Selbstständige tätig sind, auch jene Kolleginnen und Kollegen, die zusätzlich zu ihrem Arbeitsplatz Nebenjobs ausüben. Da wir in rechtlichen Fragen nur Mitglieder beraten dürfen, ist das Angebot diesen vorbehalten; und weil es ein Projekt auf Landesebene ist, auf Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beschränkt. Für neue Landesverbände sind wir allerdings offen, Gespräche dazu laufen.

Die Hotline für Selbstständige ist unter 0800-5894660 zu erreichen. Beratung in der Regel mittwochs 16 bis 19 Uhr und freitags 10 bis 12 Uhr.

Erwin Denzler, GEW Bayern / Foto: Thomas Langer