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USA schränken Lehrergewerkschaften ein

Der Oberste Gerichtshof hat in einem Urteil die Finanzierungs- und Mobilsierungsmöglichkeiten der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst der Vereinigten Staaten von Amerika massiv einschränkt. Es ist der größte Angriff auf die Gewerkschaftsbewegung.

US Supreme Court (Foto: Pixybay, CC0)

„Ich bin entsetzt über das Urteil des Obersten Gerichtshofs“, schrieb Marlis Tepe umgehend an die US Lehrergewerkschaften. Lily Eskelsen García, Vorsitzende der National Education Association (NEA), der größten Lehrergewerkschaft, antwortete, „Ja, es ist ein Schlag ins Gesicht von Lehrerinnen und Lehrern, Krankenschwestern, Feuerwehrleuten, Polizisten und alle Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, alles Menschen, die unser Land stark und sicher machen.“ García rechnet mit einem Verlust von 200,000 Mitgliedern und 28 Millionen Dollar weniger Einnahmen bei einem Gesamtbudget von 366 Millionen Dollar. Randi Weingarten, Vorsitzende der American Federation for Teachers (AFT), zeigte sich hingegen optimistisch: Von den 800.000 Mitgliedern hätten 500.000 erklärt, dass sie beabsichtigten Mitglied zu bleiben.

Am 27. Juni 2018 hatte der Oberste Gerichtshof der USA in seinem Urteil die Finanzierungs- und Mobilsierungsmöglichkeiten der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst der Vereinigten Staaten von Amerika massiv einschränkt. Besonders betroffen sind die Lehrergewerkschaften, die mehr als 3,8 Mio Mitglieder haben. Die Entscheidung kam nicht unerwartet. Die US Gewerkschaften hatten damit gerechnet, dass das mehrheitlich von Republikanern besetzte Gremium gegen die Gewerkschaften entscheiden wird. Verhandelt wurde der sogenannte Janus Fall. Mark Janus hatte mit Verweis auf die US Verfassung dagegen geklagt, dass er gezwungen ist als Nicht-Gewerkschaftsmitglied einen Beitrag an die Gewerkschaft zu entrichten, die die Beschäftigten seines Betriebes repräsentiert.

Betriebe können nach US Recht vereinbaren, dass alle Beschäftigte einen Beitrag („agency fees“) an die Gewerkschaft zahlen, auch wenn sie nicht Mitglied der entsprechenden Gewerkschaft sind. Dieser Betrag ist meist niedriger als ein Mitgliedsbeitrag und die Gegenleistung für die gewerkschaftliche Vertretung in Tarifverhandlungen. Der Oberste Gerichtshof hatte diese Regelung in einem Grundsatzurteil in den 1970er Jahren als rechtens angesehen. Das Gericht hat am 27. Juni 2018 jetzt ein anderes Urteil gefällt mit der Folge, dass Gewerkschaften im öffentlichen Dienst zukünftig keine Beiträge mehr von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern erheben dürfen.

Die US Chamber of Commerce und andere Lobbyverbände der US Wirtschaft, die von den mächtigsten und einflussreichen Unternehmern wie den Koch Brüdern finanziert werden, hat das Urteil aus den 1970ern immer geärgert. In 28 Staaten ist es ihnen gelungen, eine sogenannte „Right to Work“ Gesetzgebung zu implementieren, die untersagt, „agency fees“ zu vereinbaren. Vor allem in der Privatindustrie hat das die US Gewerkschaften sehr geschwächt. Ihr Organisationsgrad liegt nur noch knapp über 6 Prozent. Der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes mit einem Organisationsgrad von über 30 Prozent standen nicht zuletzt durch die „agency fees“ immer noch besser da.

Das Economic Policy Institut hat untersucht, wer die Klagen gegen die „agency fee“ finanziert hat. Auch die Klagen von Mark Janus, die bis zum Obersten Gerichtshof gegangen sind, wurden von Unternehmern wie den Koch Brüdern finanziert. Ihr Credo lautet: Der Staat hat nur eine Aufgabe, nämlich den Schutz des Eigentums. Und, Gewerkschaften sind hinderlich für die freie Entfaltung des Kapitals. Mit dem Janus Urteil ist ihnen ein wichtiger Etappensieg gelungen.

Die Lehrergewerkschaften hatten sich auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs eingestellt. Sie haben seit dem Wahlsieg Trumps Personal abgebaut und Ausgaben gekürzt. Ihre Strategie ist es jetzt, neue Mitglieder zu gewinnen, vor allem junge Lehrerinnen und Lehrer, die noch keine Bindung zu Gewerkschaften haben. Hoffnung machen die jüngsten Streiks. Sie fanden in Staaten statt, die besonders von Kürzungen im Bildungsbereich betroffen und die Gewerkschaften nicht so stark sind und sich schon länger ohne „agency fees“ finanzieren müssen.