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Türkei: Symposium gegen Diskriminierung

In Ankara trafen sich Mitte Dezember lesbische, schwule, bi- und transsexuelle Gewerkschafter zu einem internationalen Symposium gegen Diskriminierung. Aus Berlin war der GEW-Kollege Detlef Mücke in die türkische Hauptstadt gereist.

Fotos: Detlef Mücke

Vom 13. – 14. Dezember 2014, während der Woche der Menschenrechte, fand in Ankara das dritte Internationale Symposium gegen Diskriminierung des KAOS GL unter dem Schwerpunkt „Gewerkschaften und die Probleme von LSBT-Personen, Frauen und Jungarbeitern“ statt. Eingeladen waren Vertreter_innen von internationalen und nationalen Gewerkschaften, Dachorganisationen von NGO (Nichtregierungsorganisationen) und Menschenrechtsgruppen sowie Vertreter_innen von EU-Institutionen.

Eröffnet wurde die Tagung von Yuri de Boer vom Europarat und Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, die eine Video-Botschaft sandte. Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen in Berlin, hatte ebenfalls ein Grußwort für diese Tagung gesandt, das verlesen wurde. Rund 150 Teilnehmende aus der LSBT-Community aus vielen Teilen der Türkei tagten in den Räumen der türkischen Gewerkschaft für kommunale Dienste Tüm Bel-Sen.

Unterschiedliche Realitäten und Erfahrungen

In sechs Blöcken wurden verschiedene Themen erörtert . Zunächst galt es, die Beschlusslage der Gewerkschaften auf europäischer Ebene aufzuzeigen. Salvatore Marra von der ETUC und Sandra Vermuyten von der PSI hoben hervor, dass beide Organisationen den Kampf gegen Diskriminierung und für Akzeptanz sexueller Vielfalt unterstützen. Sie sahen aber ebenfalls, dass die Realität in den europäischen Ländern und auch in der Türkei oft anders aussähe. Ihre Strategie ist es, dem top-down-Prinzip folgend, durch Gespräche auf internationaler Ebene auch Einfluss auf den Diskussionsprozess in der Türkei zu nehmen. In zwei weiteren Blöcken wurde aus Großbritannien und den Niederlanden berichtet, die schon über langjährige Erfahrungen in der Antidiskriminierungspolitik verfügen.

Ein langer Weg

Anna Braunroth von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der GEW-Kollege Detlef Mücke als Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes berichteten über die rechtliche und gesellschaftliche Realität in Deutschland. Zunächst wurde von den ersten Erfahrungen und Widerständen in der ÖTV und der GEW vor 40 Jahren berichtet, die vergleichbar sind mit der Situation in der Türkei heute. „40 Jahre Kampf gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz – ein langer Weg: Von ‚Es ist ein Privatproblem!‘ über Antidiskriminierungsgesetze bis hin zum Diversity-Mainstreaming“ – so lautete der Vortrag. Anschaulich wurde von den Aktivitäten der LSBTI-Kolleg_innen in der GEW und anderer DGB-Gewerkschaften berichtet, den Tagungen, den Veröffentlichungen und den Aktionen auf den Christopher Street Demonstrationen, wie z. B. Luftballons mit der Aufschrift "Cool, mein Lehrer ist schwul!"

Rechtlicher Schutz vor Diskriminierung

Auch die Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit staatlichen Einrichtungen und die Einflussnahme auf Gesetzgebungsverfahren wurden benannt. Die Queer-Zeitung des AK LSBTI des DGB Berlin-Brandenburg war ins Türkische übersetzt worden und wurde an die Teilnehmenden verteilt. Anna Braunroth erläuterte, wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz LSBT-Beschäftigte vor Diskriminierung schützt und welche Rechte und Pflichten es dabei den Gewerkschaften beimisst. Sie hob hervor, dass die vollständige Gleichberechtigung insbesondere im Hinblick auf Lebenspartnerschaften mit der Ehe nicht erreicht ist, und der Schutz vor Diskriminierungen wegen der sexuellen Identität nach wie vor nicht in das Diskriminierungsverbot des Artikel 3 Grundgesetz aufgenommen wurde.

Homosexuelles Leben wird sichtbar in der Türkei

In den beiden letzten Blöcken kamen Vertreter_innen der türkischen Gewerkschaften und LSBT-Organisationen zu Wort. Die türkische Gesellschaft durchläuft unter der AKP-Regierung einen Transformationsprozess. Politische Reformen und wirtschaftlicher Aufschwung einerseits sind verbunden mit einem zunehmenden AKP-Konservatismus.

Homosexualität und Geschlechterrollen werden neu bestimmt und viele Reformen von Atatürk werden Schritt für Schritt zurückgenommen. Dies trägt zu einer Polarisierung der türkischen Gesellschaft bei. Andererseits ist homosexuelles Leben in der Türkei sichtbarer geworden, jedes Jahr gehen mehr LSBT-Personen auf die Straße, um für ihre Rechte zu demonstrieren.

Internationale Vernetzung hilft

Trotz der vielfältigen Aufgaben, die sich türkischen Gewerkschaften stellen, wurde von allen bekräftigt, dass es auch Aufgabe von Gewerkschaften ist, sich für die Gleichstellung und gegen die Diskriminierung von LSBT-Personen einzusetzen. Die internationale Vernetzung und Unterstützung wurde von allen als notwendig und hilfreich angesehen. Hinzuzufügen ist, dass diese Veranstaltung von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Istanbul und der Deutschen Botschaft in Ankara ideell und finanziell unterstützt wurde.