Zum Inhalt springen

"Traumjob Wissenschaft"-Aktionen in den Ländern gestartet

Die GEW-Aktionswoche "Traumjob Wissenschaft" ist auch in den Bundesländern angelaufen. Erste Aktionen gab es beispielsweise in Hessen, Thüringen und Baden-Württemberg. Bis Freitag sind rund 100 Aktivitäten und Veranstaltungen geplant.

In Hessen verteilten die Aktivisten am Montag, 2. November rote Fahrradsattelbezüge mit der Aufschrift "Sattelfest". Weitere Aktionen gibt es in den kommenden Tagen in Frankfurt, Marburg, Gießen und Darmstadt. "Die große Koalition darf es nicht nur bei kosmetischen Korrekturen belassen, sondern muss sich festlegen, Dauerstellen für Daueraufgaben einzurichten", sagte Tobias Cepok, Referent für Hochschule und Forschung der GEW Hessen. Er kritisierte auch die Situation der freischaffenden Lehrenden: "Jeder Arbeitgeber behandelt sie unterschiedlich, und sie arbeiten als Selbstständige sehr oft zu Dumpinglöhnen."

Viele Diskussionen um das Befristungsunwesen an Hochschulen

An der Hochschule Nordhausen in Thüringen enthüllten am Montag etwa 25 meist befristet beschäftigte MitarbeiterInnen vor der Mensa ein Plakat, das auf den hohen Grad an Befristung an der kleinen Fachhochschule im Norden Thüringens aufmerksam machen soll. Dort arbeiten rund 200 Menschen, von denen ein Drittel befristet beschäftigt ist. Von den wissenschaftlichen MitarbeiterInnen sind sogar über 90 Prozent befristet. Die Plakate werden während der ganzen Aktionswoche auf dem Campus ausgestellt.

Thomas Hoffmann, Vize-Landesvorsitzender der GEW Thüringen und Personalratsvorsitzender der Hochschule Nordhausen, sagte, der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Wissenschaftszeitvertrages gehe nicht weit genug. Erforderlich sei eine Nichtanrechnung sämtlicher Beschäftigungszeiten vor dem Masterabschluss auf die sechsjährige Befristungszeit zur Erlangung der Promotion. Auch müssten Drittmittelbeschäftigte mindestens so lange beschäftigt werden, wie ihr Projekt läuft.

Die GEW Thüringen hat zudem einen ihrer regelmäßig erscheinenden Podcasts der Aktionswoche "Traumjob Wissenschaft" gewidmet.

Im thüringischen Ilmenau fand am Montag unter dem Motto "Neues Wissenschaftszeitvertragsgesetz - Befristungsunwesen eindämmen" eine Informationsveranstaltung an der Technischen Universität statt. Hoffmann machte auch hier auf das Verhältnis von befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen aufmerksam. An der TU seien seinen Angaben nach von 685 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 557 befristet angestellt.

Die Mittelbauinitiative an der TU Dresden startete ebenfalls am Montag eine Aktion, die auf ein beachtliches Medienecho stieß, auch der MDR berichtete. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Lehrbeauftragte der Initiative begruben symbolisch ihre Hoffnungen auf bessere Arbeitsbedingungen unter dem Motto "Traumjob Wissenschaft 2015 - 2065". "Wir richten uns mit der Aktion gegen die enttäuschenden und halbherzigen politischen Reaktionen auf die prekären Verhältnisse von Angestellten im akademischen Mittelbau", erklärt Anja Weber, eine Sprecherin der Mittelbauinitiative (MID) an der TU Dresden. 

Karriereglücksrad oder planbare Perspektiven?

In Hamburg fand am Montag, 2. November eine Diskussionsrunde zum Thema "Novellierung des WissZeitVG" statt. Die GEW-Fachgruppe Hochschule und Forschung hatte zu Vortrag und Diskussion eingeladen. Vor allem um die unscharfe Begriffe wie "Daueraufgaben"und "Qualifikationen" zeigte sich im Anschluss and den Vortrag von Dr. Jochen Meissner, Historiker an der Universität Hamburg, reger Gesprächsbedarf. Wissenschaftliche Stellen werden allzu oft als Qualifikationsstellen deklariert und deshalb befristet. Doch wer entscheidet, was eine qualifizierende Stelle ist und was nicht? Die Unschärfe dieser Begriffe lässt die zentrale Forderung der GEW in den Vordergrund rücken: Daueraufgaben brauchen auch Dauerstellen.

In Kiel sorgte am Dienstag, 3. November das Karriereglücksrad für Aufmerksamkeit. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten in der Mittagspause in der Mensa den Zufall über die Karriere entscheiden lassen. Über den Weg zur Professur oder der Sackgasse als wissenschaftliche Hilfskraft oder Lehrbeauftrage oder -beauftragter entscheidet an den Hochschulen oft der Zufall. Dazu gibt es neben der Professur zu viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen. Darüber waren sich auch die vielen diskutierenden Angestellten des akademischen Mittelbaus einig, die am Karriereglücksrad drehten. „Das muss sich ändern! Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen gute Perspektiven und verlässliche Karrierewege. Im Grundgesetz wird die Freiheit für Forschung und Wissenschaft garantiert. Aber die Menschen, die in der Wissenschaft arbeiten, sind ganz häufig auch frei von sicherer und dauerhafter Beschäftigung“, sagte dazu am Dienstag in Kiel GEW-Landesvorsitzender Matthias Heidn.

 

Traumjob Olympiade - Dabeisein ist alles!

Auch an der Viadrina-Universität Frankfurt (Oder) gingen die Beschäftigten des Mittelbaus am Dienstag kreativ mit dem Befristungsunwesen in der Wissenschaft um. Sie luden alle Professorinnen und Professoren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studierende ein, unter dem Motto "Dabeisein ist alles!" an der Traumjob Olympiade teilzunehmen. Beim modernen 10-Kampf passte leider nie alles unter einen Hut - die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich dabei überlegen, ob lieber Familie, Schlaf, Freizeit oder doch die Promotion draußen bleiben muss.

Gleichzeitig haben am Dienstag wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lehrbeauftragte und auch die Studierenden die elf Brandenburger Forderungen zur bundesweiten Aktionswoche an Staatssekretär Martin Gorholt übergeben. Sie machten insbesondere auf die problematischen Neuregelungen aufmerksam, die ab September 2016 weitere soziale Härten für die Lehrbeauftragten schaffen würden. Der Staatssekretär zeigte sich für Änderungen offen. Die Brandenburger Forderungen werden von allen wissenschaftlichen Personalräten aus Brandenburg und der Landesarbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Beschäftigten und Lehrbeauftragten unterstützt.

Wiss und Weg statt #Traumjob Wissenschaft

An wissenschaftlichen Instituten in Heidelberg erhalten die Toiletten eine besondere Dekoration: Dort hängen ab Mittwoch, 4. November Toilettenpapier mit der Aufschrift "9 von 10 Beschäftigten befristet: Wiss und Weg statt #Traumjob Wiss". An der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz hatte am Dienstagabend Roman George, Doktorand an der Universität Marburg und Mitglied des Vorstandes des GEW-Regionalverbandes Hochschule und Forschung Mittelhessen, über die Situation von Hochschulbeschäftigten mit Kind referiert.

Druck auf Große Koalition

Die GEW will mit den bundesweiten Aktionen den Druck auf die Große Koalition erhöhen: Am Donnerstag (5. November) wird der Deutsche Bundestag in erster Lesung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes beraten. Der Bundesrat forderte jüngst bereits Verbesserungen – und schloss sich damit der Kritik der Bildungsgewerkschaft an.

Keller bekräftigte am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin die Kernforderungen der GEW: ein Rechtsanspruch auf Qualifizierung in der Arbeitszeit, eine Vertragsmindestlaufzeit von drei Jahren, verbindliche Regeln bei der sogenannten familienpolitischen Komponente sowie damit verbunden eine Gleichstellung von Drittmittel- und Haushaltsbeschäftigten. Zudem verlangt die GEW eine Aufhebung der Tarifsperre, die bisher verhindert, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber Tarifverträge über Zeitverträge schließen dürfen.