Zum Inhalt springen

Traditionelle Rollenbilder in den Köpfen

Jede zweite Frau arbeitet nach wie vor in Teilzeit. Ein Grund: Neben fehlenden Betreuungseinrichtungen für Kinder halten sich traditionelle Rollenbilder. Die Volkswirtschaftlerin Christina Boll fordert mehr Mut, sich daraus zu befreien.

Foto: Pixabay / CC0

Führungsposition oder Kind? Für Frauen in Deutschland scheint beides noch immer schwer vereinbar. Während lediglich zwölf Prozent der weiblichen Führungskräfte ein Kind unter drei Jahren haben, ist der Anteil der Väter unter den männlichen Kollegen doppelt so hoch. „Kind und Führung geht bei Männern gut zusammen“, sagt Christina Boll, Forschungsdirektorin am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). „Männern in diesen Positionen wird der Rücken durch die Ehepartnerin freigehalten.“ Seit vielen Jahren forscht Boll im Auftrag von Ministerien, EU-Kommission und Stiftungen zum Themenfeld Erwerbstätigkeit und Familie.

Zwar habe die Zahl erwerbstätiger Frauen in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich zugenommen. Problematisch sei jedoch, dass unverändert fast jede zweite Frau in Teilzeit arbeite und die durchschnittliche Wochenarbeitszeit unter dem europäischen Durchschnitt liege. Damit verfestige sich die Lohnlücke zu den männlichen Kollegen. Neben fehlenden Betreuungseinrichtungen für Kinder gibt es weiter traditionelle Rollenbilder in den Köpfen. So sind laut Eurostat auch heute noch 60 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass das Familienleben leide, wenn die Mutter in Vollzeit arbeite.

„Je mehr die Frau zum Haushaltseinkommen beiträgt, desto kleiner wird ihr Anteil an der Hausarbeitszeit.“

Nur in wenigen Paarbeziehungen arbeiteten beide Partner Vollzeit, sagt Boll. Doch auch diese übernähmen nach der Geburt des ersten Kindes oft die traditionelle Arbeitsteilung. „Frauen verbringen weiterhin deutlich mehr Zeit mit unbezahlter Arbeit als Männer, auch wenn sie erwerbstätig sind.“ Während Frauen im Jahr 2012/13 laut Statistischem Bundesamt pro Tag 70 Minuten weniger in Erwerbsarbeit eingebunden waren als Männer, wendeten sie für Haushalt und Familie 85 Minuten mehr auf. Studien zeigten jedoch: „Je mehr die Frau zum Haushaltseinkommen beiträgt, desto kleiner wird ihr Anteil an der Hausarbeitszeit.“ Verdiene die Frau dagegen genauso viel wie der Partner, übernehme sie wieder mehr Hausarbeit. Boll fordert mehr Mut, sich aus vermeintlichen Rollenzwängen zu befreien.

Für die Expertin liegt es in der Verantwortung der Politik, Rahmenbedingungen für eine gleichgestellte Arbeitsteilung in den Familien zu schaffen und die Vereinbarkeit voranzubringen. Durch eine moderne Familienpolitik könnten „Rollenvorstellungen mittelfristig beeinflusst werden“. Durchsetzen müsse sich die Gleichstellung letztendlich in Betrieben und Institutionen. „Wir brauchen mehr Rollenvorbilder vor Ort. Das zieht weitere Frauen nach.“ Boll empfiehlt auch mehr Flexibilität, was Arbeitszeit und Ort betrifft. „Man muss auch in einer Führungsposition nicht rund um die Uhr im Büro sitzen, vieles lässt sich auch zu Hause erledigen.“

Der ungekürzte Artikel von Michaela Ludwig ist in der Februarausgabe der „E&W“ nachzulesen.