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Tarifverhandlungen gescheitert!

Die Berlitz-Geschäftsführung beharrt auf dramatischen Kürzungen und Entlassungen

In den am 4. November 2010 fortgesetzten Verhandlungen machte die Geschäftsführung deutlich, dass sie nicht bereit ist, sich auf einen Kompromiss einzulassen.
Im Gegenteil: die Verhandlungen wurden mit einer erneuten Provokation eröffnet. Statt der am Montag geforderten Einsparungen von 300.000 Euro, die durch Absenkung der Basisstundensätze erzielt werden sollten, forderte die Geschäftsleitung nun Gehaltskürzungen von insgesamt 520.000 Euro. Davon 400.000 Euro allein bei den Lehrkräften. Weitere 120.000 Euro wolle man einsparen, indem den Bürokräften die 2006 vereinbarte Lohnsteigerung von 40 Euro wieder weggenommen würde.

Das Angebot der Geschäftsführung:

  • Ein Beitrag der Gesellschafter am Einsparvolumen wird abgelehnt
  • §§ 5 und 6 werden dauerhaft gestrichen. Das bedeutet den Wegfall der Regelungen die freien Mitarbeitern eine unbefristete Anstellung ermöglichen und der Priorität für Festangestellte
  • Komplette Streichung aller Zuschläge
  • Absenkung der Basisstundensätze um bis zu 1,53 Euro (befristet), davon bis zu 74 Cent unbefristet
  • Kürzung des Weihnachtsgeldes um 50 Prozent
  • Weiterhin zahlreiche Kündigungen an mehreren Standorten „unumgänglich“

Der Gesamtvorschlag der Arbeitgeber hätte einen Einkommensverlust bei den angestellten Lehrkräften von bis zu 22 Prozent bedeutet. Gleichzeitig hält die Geschäftsführung an Kündigungen fest. Betroffen wären bis zu 50 Beschäftigte an zehn Standorten.
Nachdem die Tarifkommission sehr deutlich gemacht hatte, dass auf dieser Grundlage kein Verhandlungsfortschritt zu erzielen sei, bot die Geschäftsführung zwar häppchenweise an, die Kürzung der Basisstundensätze bei einem Euro zu belassen, wie sie es am Montag vorgeschlagen hatte, und beim Weihnachtsgeld von Kürzungen abzusehen. Alle strukturellen Veränderungen sollten jedoch in vollem Umfang realisiert werden. Da gab es nicht die geringste Bereitschaft, sich zu bewegen. Abermals betonte der Personalchef, Herr Schwarz, dass es ihnen um eine „dauerhafte Restrukturierung“ gehe, nicht um „kurzfristige finanzielle Engpässe“. Mit den Regelungen des Tarifvertrags habe Berlitz sich „der unternehmerischen Freiheit beraubt“. So sei man nicht konkurrenzfähig.

Mit ihrer kompromisslosen Haltung hat die Geschäftsführung noch einmal deutlich gemacht, dass die gegenüber den Beschäftigten beklagte akute Notlage, die schnelles Handeln erforderlich mache, nur ein Vorwand ist, um sich Schritt für Schritt der fest angestellten Belegschaft und damit des Tarifvertrags insgesamt zu entledigen.

Auf die Forderung der GEW-Tarifkommission nach einer zusätzlichen Einmalzahlung für Gewerkschaftsmitglieder ist die Geschäftsführung in ihren Ausführungen gar nicht eingegangen. Es zeugt von einem besonderen Maß an Respektlosigkeit, die Forderungen der Gegenseite in Tarifverhandlungen schlicht zu ignorieren. Auf Nachfrage verstieg sich Herr Schwarz dann zu der Behauptung, eine derartige Vereinbarung käme für Berlitz auf gar keinen Fall in Betracht, da man seine Beschäftigten nicht ungleich behandeln wolle. Die Verhandlungsführerin der GEW, Ilse Schaad, erklärte daraufhin, dass eine derartige Differenzierungsklausel nicht zu Ungleichbehandlung führe, sondern – im Gegensatz – Gleichbehandlung herstelle, wo Ungleichbehandlung herrsche. Ohne Differenzierungsklausel profitieren alle Beschäftigten von Tarifabschlüssen, die allein die Gewerkschaftsmitglieder durch ihre Beiträge erst ermöglichen. Daher sind solche Regelungen auch höchstrichterlich für rechtlich zulässig erklärt worden und inzwischen nicht mehr ungewöhnlich.

Wichtig für die Beschäftigten:
Die Verhandlungen fanden statt, ohne dass der Tarifvertrag gekündigt war. Er ist weiterhin in Kraft und seine Regelungen gelten, so lange er nicht gekündigt wird. Aller Voraussicht nach wird der Tarifvertrag nach dem Scheitern der Verhandlungen durch die Geschäftsleitung gekündigt werden. Damit wird der Tarifvertrag jedoch keinesfalls wirkungslos, sondern fällt (inklusive der §§ 5 und 6) in die Nachwirkung, bis ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wird, der die Regelungen des alten ablöst. Die durch den letzten Tarifabschluss ausgesetzten §§ 5 und 6 leben damit zum 1. Januar 2011 ebenfalls wieder auf. Daraus resultierende Ansprüche – insbesondere auf Übernahme in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis – können und sollten die Betroffenen dann sofort geltend machen.
Die Nachwirkung des Tarifvertrags würde konkret bedeuten:

  • Alle Zuschläge sind weiter in voller Höhe zu zahlen
  • die §§ 5 und 6 leben zum 1. Januar 2011 wieder auf
  • die Regelungen zur Arbeitszeit bleiben unverändert
  • das Weihnachtsgeld wird in voller Höhe ausgezahlt
  • die Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung und zum Kündigungsschutz bleiben ebenfalls in Kraft.

Was tun, wenn es zu Kündigungen kommt?

Betriebsbedingte Kündigungen und die Erstellung von Sozialplänen unterliegen der betrieblichen Mitbestimmung. Das bedeutet, die Betriebsräte sind zu beteiligen. Derzeit finden Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat und den Betriebsräten einzelner Standorte statt. Diese Verhandlungen gehen unabhängig vom Erfolg oder Scheitern der Tarifverhandlungen weiter. Die Geschäftsführung hat außerdem zugesichert, für die Dauer dieser Verhandlungen von betriebsbedingten Kündigungen abzusehen.
Sobald diese Verhandlungen abgeschlossen sind oder ebenfalls scheitern, ist aber mit Kündigungen zu rechnen. Gewerkschaftsmitglieder haben in diesem Fall die Möglichkeit, Rechtsschutz zu beantragen, um vor Gericht gegen ihre Kündigung klagen zu können. Das bedeutet, die GEW übernimmt die Beratung und Vertretung bzw., wenn die Vertretung anderweitig (DGB, Rechtsanwalt) erfolgt, die Kosten der Vertretung und die Gerichtskosten im Rahmen der gesetzlichen Gebühren. Dies gilt auch für den Fall, dass der Gang durch weitere Instanzen notwendig wird. In Situationen wie dieser ist es für die Arbeit der Gewerkschaft wichtig, dass ihre Mitglieder von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen. Neben der konkreten Sicherung von Arbeitsplätzen geht es darum, dem Arbeitgeber klar zu machen, dass er sich nicht einfach aus der Tarifbindung davonstehlen kann.

Wie geht es weiter?
Die GEW empfiehlt, so bald wie möglich an allen Standorten Betriebsversammlungen und/oder Mitgliederversammlungen durchzuführen.
Für diese Versammlungen stehen euch die Mitglieder der GEW-Tarifkommission und die zuständigen Hauptamtlichen als Referenten gerne zur Verfügung.
Ziel der Versammlungen ist es, die Beschäftigten über die Situation zu unterrichten und ihnen die volle Unterstützung der GEW insbesondere auch im Fall von Kündigungen zuzusichern. Die bestehenden Tarifverträge haben durch das Scheitern der Verhandlungen ihre Schutzwirkung nicht verloren!
Darüber hinaus gilt es, das weitere Vorgehen gemeinsam zu beraten und zu planen. Die GEW prüft gemeinsam mit den Betriebsräten und den beauftragten Rechtsanwälten alle rechtlichen Möglichkeiten. Die Beschäftigten werden frühzeitig und umfassend über diese Fragen informiert.

Mitglieder der Tarifkommission:Weitere GEW Ansprechpartner:
Jean Tracy (Freiburg)Inge Goerlich (Stuttgart)
Klaus Willmann (Freiburg)Alfred Uhing (Karlsruhe)
Carmen Wolters (München)Jockel Graf (München)
Klaus Beckmann (Berlin)Susanne Roth (Nürnberg)
Holger Dehring (Berlin)Peter Weiß (Nürnberg)
Angelika Silbermann (Hamburg)Katja Metzig (Berlin)
Andreas Hamm (Hamburg)Hartwig Schröder (Frankfurt)
Timothy Barnes (Wiesbaden)Udo Küssner (Mainz)
Willi Metsch (Frankfurt)Willi Schirra (Saarbrücken)
Inmaculada Herrandiz-Tolosa (Münster)Ulrich Kröpke (Bielefeld)
Berthold Paschert (Essen)Jürgen Schnaß (Düsseldorf)
Hildegard Merten (Köln)Norbert Müller (Duisburg)
Ilse Schaad (Frankfurt)Carsten Peters (Münster)