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Hochschulen

Strategien gegen rechts

Wie stark ist der gesellschaftliche Rechtstrend an den Hochschulen angekommen? Und wie lässt sich darauf reagieren? Ein Studierendenseminar der GEW suchte nach Antworten.

Das Zentrum der „Identitären“ in Halle an der Saale / Foto: Joachim F. Tornau

Das Haus in der kleinen Adam-Kuckhoff-Straße in Halle an der Saale wirkt seltsam unbelebt. Farbbeutelwürfe haben die Fassade des dreieinhalbstöckigen Baus unansehnlich gemacht und manches Fenster erblinden lassen. Auch abends ist drinnen kein Licht zu sehen. Dieses Gebäude inszeniert die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ als ihr Zentrum, als Basis für ihren Kampf um Deutungshoheit in Deutschland – auch an den Hochschulen. Nicht zufällig liegt die Immobilie unmittelbar am geisteswissenschaftlichen Steintor-Campus der Universität Halle.

Aus gutem Grund wählten die GEW und der Bundesstudierendenausschuss die sachsen-anhaltinische Stadt zum Ort ihres ersten Seminars für Studierende und Promovierende, das sich mit rechten Umtrieben an deutschen Hochschulen auseinandersetzte. Nur wenige Gehminuten vom Zentrum der „Identitären“ entfernt trafen sich vom 28. bis 30. März mehr als 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Hallenser Jugendherberge, um Erfahrungen auszutauschen und über Gegenstrategien nachzudenken. „Unser Verständnis ist, dass wir nicht nur Interessenvertretung unserer Mitglieder sind“, sagte Andreas Keller, stellvertretender GEW-Vorsitzender, in seiner Begrüßung. „Wir sehen Bildungspolitik immer auch im gesellschaftspolitischen Rahmen.“ Und dazu gehöre nicht zuletzt: die klare und entschlossene Abgrenzung gegen Rechtsextreme.

Mit Blick auf die Hochschulen hat das häufig überstrapazierte „Wehret den Anfängen“, anders als in anderen Bereichen der Gesellschaft, durchaus noch seine Berechtigung. Selbst in Halle ist von rechten Aktivitäten an der Uni kaum etwas zu bemerken, wie Lukas Wanke, Vorsitzender des Studierendenrats, berichtete. Dabei ist die Hochschule eine der ganz wenigen im Lande, bei der die gleichermaßen AfD- wie „Identitären“-nahe „Campus Alternative“ bei Wahlen ein Mandat gewonnen hat. „Das ist eher ein Marketing-Gag“, sagte Wanke. „An tatsächlicher Hochschulpolitik haben sie kein Interesse.“

Auch in der Wissenschaft sind Rechtsausleger wie der Kasseler Biologie-Professor Ulrich Kutschera Außenseiter. Er verunglimpft die Genderforschung als „fundamentalistische, feministische Mann-gleich-Frau-Ideologie“ und erklärt mit vermeintlichen Gesetzen der Biologie, warum Frauen keine Karriere machen sollten. Der Tübinger Sozialwissenschaftler Floris Biskamp, lange selbst an der Uni Kassel, zeigte auf, wie Kutschera zwar von Rechten hofiert wird, bis hin zur Aufnahme ins Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. In seriösen Medien aber komme er nicht mehr zu Wort, in der Wissenschaft würden seine Thesen ignoriert.

Kein Grund zur Entspannung

Dennoch, da herrschte Einigkeit, bestehe kein Anlass zur Entspannung. Auch wenn die populistische und extreme Rechte an Hochschulen (noch) schwach aufgestellt sei: Ihre Hetze gegen unliebsame Studierendenvertretungen, Lehrende und Forschungsrichtungen sowie die stets mitschwingende – und immer wieder bewiesene – Gewaltbereitschaft wirke bereits heute einschüchternd und verunsichernd. Und wie wird das erst werden, wenn etwa die AfD über ihre Stiftung eines Tages Studienstipendien vergeben darf?

Einige Ansätze, wie die Gegenwehr organisiert werden kann, wurden auf dem Seminar diskutiert. So gelten für zeitgeschichtliche Seminare an der Uni Halle Teilnahmebedingungen, die den Ausschluss von Studierenden beispielsweise für rassistische Äußerungen ermöglicht. Die Alice-Salomon-Hochschule in Berlin ließ die Unvereinbarkeit ihres hochschulpolitischen Leitbilds mit dem Programm der AfD wissenschaftlich feststellen. Der AStA der Goethe-Universität Frankfurt am Main entwickelte einen „Handlungsleitfaden“ zum Umgang mit Rechtsextremen auf dem Hochschulcampus.

Ermutigende Beispiele, die aber niemanden aus der Verantwortung entlassen, selbst etwas zu tun. Auf dem Programm des GEW-Studierendenseminars stand deshalb auch ein Argumentationstraining gegen rechtsextreme Parolen.