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Coronapandemie

„Stell dir vor, es ist Lockdown und keiner geht hin!"

In Sachsen und Thüringen etwa bleiben Schulen und Kitas zu. Niedersachsen, Baden-Württemberg und Berlin wollen bei Grundschulen weniger strikt vorgehen. Bundesweite Verbindlichkeit? Fehlanzeige. Im Netz treffen die Lockdown-Beschlüsse auf Kritik.

Abstandhalten ist an vielen Schulen in Deutschland im Regelbetrieb kaum möglich. (Foto: Pixabay/CC0)
Abstandhalten ist an vielen Schulen in Deutschland im Regelbetrieb kaum möglich. (Foto: Pixabay/CC0)

Nach dem Bund-Länder-Beschluss zum verlängerten Lockdown sind viele Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, aber auch Eltern teils extrem verärgert über die neuen Regeln zur Schließung von Schulen und Kitas. Kritisiert werden erneut fehlende klare Vorgaben. Zudem zeichnet sich wieder ein unterschiedliches Vorgehen in den Ländern ab. Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe forderte bereits, das „föderale Durcheinander“ endlich zu beenden. In sozialen Netzwerken wie Facebook nehmen die Kommentare unterdessen an Schärfe zu.

„Was wird getan, um Erzieher und Lehrer zu schützen????“

Die Schließung von Schulen und Kitas wird von vielen als nicht verbindlich genug angesehen. So moniert eine Erzieherin: „Die Presse trötet rum, das Schulen und Kitas geschlossen sind bis 31.01... So ein Blödsinn: Die Eltern werden ‘gebeten’, ihre Kinder zu Hause zu behalten, was nicht passiert!!!!“ Auch wird ein Schutz der Beschäftigten in Schulen und Kitas vermisst: „Mein Sohn sitzt in der Schule, bei voller Kapazität und bei einem hohen Inzidenzwert.Ich soll mich im Privaten einschränken, kann nirgends hin, aber arbeite in der Kita, wenn es schlecht kommt, ab Montag mit voller Kinderzahl???? Das ist doch wohl ein Witz. Was wird getan, um Erzieher und Lehrer zu schützen????“ 

„Bitte eindeutige Vorgaben und kein Wischiwaschi!“ 

Aktuelle Ausnahmeregelungen in den Ländern und individuelle Entscheidungen von Eltern stoßen im Netz auf großes Unverständnis: „Als Lehrer fühlt man sich da angesichts der sonstigen Einschränkungen und Appelle ziemlich verschaukelt“, schreibt eine Lehrerin bei Facebook. Eine Erzieherin kommentiert: „Die Kitas im Regelbetrieb zu öffnen und die Entscheidung eines Besuches auf die Eltern abzuwälzen - wohlgemerkt OHNE Unterstützungsmöglichkeiten, denn die Kita ist ja grundsätzlich auf - ist ein Unding!“

Eine Nutzerin schreibt: „Ein Grund zur Betreuung ist nicht nötig, kein Kind darf abgelehnt werden. Alles ist das... Aber keine Notbetreuung!“ Und eine andere erklärt: „Die Vorgaben für die Notbetreuung sind so weit gefasst, dass im Prinzip alle Eltern die Möglichkeit haben ihre Kinder zu bringen. (...) Wo ist da Planungssicherheit? Seit Tagen denke ich: Stell dir vor es ist Lockdown und keiner geht hin! (...) Eine Schließung die angeordnet ist und schlussendlich in der Realität keine ist, fühlt sich für mich persönlich deutlich als Veräppelung an.“

„Seit Tagen denke ich: Stell dir vor es ist Lockdown und keiner geht hin!“

Eine Erzieherin aus Hessen beklagt: „Liebe GEW - in Hessen ändert sich in Kitas nichts. Ein Appell an Eltern soll es richten. Das ist doch nur Wischi Waschi...Die Kitas - sind dann weiter im Regelbetrieb.“ Mehrere fordern wie eine weitere Nutzerin: „bitte eindeutige Vorgaben und kein Wischi-waschi!

Bei einigen macht sich derweil fast Resignation breit: „Und seien wir mal ehrlich, mit den neusten Beschränkungen haben Eltern ja mittlerweile gar keine Chance mehr, ihre Kinder anderweitig betreuen zu lassen, wenn sie berufstätig sind. Ein Trauerspiel und Erzieher:innen, Lehrer:innen und Eltern und Kinder baden es aus.“

Die Richtschnur für die Maßnahmen in der Schule sollen nach Ansicht der GEW die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sein. Dafür schlägt die GEW ein Fünf-Punkte-Programm vor:

5-Punkte-Programm zum Gesundheitsschutz an Schulen
Ab der 5. Klasse muss das gesellschaftliche Abstandsgebot von 1,5 Metern gelten. Dafür müssen Klassen geteilt und zusätzliche Räume beispielsweise in Jugendherbergen gemietet werden.
Um die Schulräume regelmäßig zu lüften, gilt das Lüftungskonzept des Umweltbundesamtes. Können die Vorgaben nicht umgesetzt werden, müssen sofort entsprechende Filteranlagen eingebaut werden.
Die Anschaffung digitaler Endgeräte für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler muss endlich beschleunigt werden. Flächendeckend müssen eine datenschutzkonforme digitale Infrastruktur geschaffen und IT-Systemadministratoren eingestellt werden. Zudem müssen die Länder Sofortmaßnahmen zur digitalen Fortbildung der Lehrkräfte anbieten.
Für die Arbeitsplätze in den Schulen müssen Gefährdungsanalysen erstellt werden, um Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler besser zu schützen.
Transparenz schaffen: Kultusministerien und Kultusministerkonferenz müssen zügig ihre Planungen umsetzen, wöchentlich Statistiken auf Bundes-, Landes- und Schulebene über die Zahl der infizierten sowie der in Quarantäne geschickten Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler zu veröffentlichen. „Wir brauchen eine realistische Datenbasis, um vor Ort über konkrete Maßnahme zu entscheiden“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. 

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.

Keine Notbetreuung für Lehrkräfte

Eine Nutzerin aus Nordrhein-Westfalen hat derweil den Eindruck, dass unklare Regelungen auch ausgenutzt würden: „In NRW gab es vor Weihnachten die schwammige Regelung, dass lediglich die Präsenzpflicht für Schülerinnen und Schüler aufgehoben wurde. Wer zur Schule kommen wollte, konnte das tun. In vielen Schulen sorgte das für ‘normal’ volle Klassen. Viele Eltern, von denen nicht beide berufstätig und damit dringend auf Betreuung angewiesen waren, schickten ihre Kinder zur Schule, weil es zu anstrengend war, diese zu Hause zu betreuen (O -Ton).“

Nicht nur Eltern seien jedoch „in Schockstarre“, betont eine Nutzerin aus Niedersachsen – „auch Lehrer, die keine Notbetreuung erhalten, weil sie im Homeoffice sitzen. Eltern werden wieder melden, dass Unterricht entfällt, weil Lehrer im Homeoffice ihre Kinder betreuen.“

„Vor den Weihnachtsferien war es schon so, dass ich in einer leeren Klasse saß, weil kein Schüler mehr kam. Dafür durfte ich dann den Speicher der Schule entrümpeln und aufräumen.“

Eine Lehrerin aus Hessen machte die Erfahrung, ihre eigenen Kinder nicht zuhause betreuen zu können, weil sie in die Schule musste – wo sie Folgendes erlebte. „Vor den Weihnachtsferien war es schon so, dass ich in einer leeren Klasse saß, weil kein Schüler mehr kam. Dafür durfte ich dann den Speicher der Schule entrümpeln und aufräumen.“ Die Präsenzpflicht auszusetzen, wie es in Hessen wieder geplant sei, verschiebe die Verantwortung wieder zu Eltern und Lehrkräften und Betreuern. „Es ist die komplizierteste Lösung, weil dann für die paar Kinder, die kommen, normal Unterricht sein soll, der Rest alles zu Hause erarbeiten muss, und man noch alles zusätzlich korrigieren muss. Da war das Wechselmodell klarer, und auch die Eltern konnten das besser planen.“

Für die Kitas verlangt die GEW, die individuellen Gefährdungsbeurteilungen nach Arbeitsschutzgesetz umzusetzen. Jede Kita braucht passgenaue und wirksame Hygienepläne. „Die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Kitas zum Infektionsschutz sind zu beachten und umzusetzen. Weiter müssten alle Kitaträger Betriebsmediziner einsetzen, diese sollten die Risikogruppen bei den Beschäftigten beraten und im Einzelfall von der Arbeit in der Kita freistellen“, sagte GEW-Chefin Marlis Tepe. Sie regte zudem an, freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten anzubieten.

  • Freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten
  • Passgenaue und wirksame Hygienepläne für jede Kita
  • Umsetzung der Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) an Kitas
  • Risikogruppen von Betriebsmedizinern beraten lassen und im Einzelfall von der Arbeit an der Kita freistellen

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten an ändern muss.

Gesundheitsschutz in den Fokus

Ungeachtet der Kritik wollen indes nicht alle gleich den Föderalismus abschaffen: „Schön wäre, die Forderung nach Gesundheitsschutz zu stellen!“, regte ein Nutzer an. „Wie viele Schulen haben bereits einen hygieneberatenden Menschen? Wie sieht Bewegungsförderung unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes aus?“ 

Ähnlich äußerte sich eine andere Nutzerin aus NRW: „Schade, dass sich die Gewerkschaft nicht dafür einsetzt, dass die Notbetreuung wie im März geregelt ist. Dort gab es eine klare Linie, an die man sich als Leitung halten konnte. Man hat nicht nur den Auftrag, die Bildung der Kinder in den schweren Zeiten zu fördern sondern auch seine Mitarbeiter zu schützen – und das kann ich mit diesen Wischiwaschi-System nicht.“