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10-Punkte-Programm gegen Lehrkräftemangel

So kann der Bildungsnotstand noch verhindert werden

Die Kultusministerkonferenz hat nachgerechnet: Auch in den nächsten Jahren fehlen zu viele Lehrkräfte. Die GEW hat nun ein 10-Punkte-Programm gegen den dramatischen Lehrkräftemangel vorgelegt, um den Bildungsnotstand noch zu verhindern.

Keine Lehrkraft im Klassenzimmer? So könnte es in den nächsten Jahren in vielen Schulen aussehen, wenn die Politik jetzt nicht die Notbremse zieht!

„In diesem Schuljahr fehlen mehrere tausend Lehrkräfte, zudem sind tausende Stellen mit Quer- und Seiteneinsteigern besetzt. Die neuen Zahlen zeigen: Bei der KMK ist offenbar endlich mehr Realismus eingezogen. Nun müssen den Worten Taten folgen. Denn wenn nicht die Notbremse gezogen wird, steuert Deutschland auf einen Bildungsnotstand zu“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe mit Blick auf die KMK-Prognose zur Entwicklung des Lehrkräftebedarfs bis 2030.

„Alle Bundesländer müssen sich endlich dazu durchringen, Lehrkräfte an Grundschulen genauso zu bezahlen wie an Gymnasien.“ (Marlis Tepe)

Der Grund für den Lehrkräftemangel sieht Tepe in der Lehrkräfteausbildung: „Während zu viele Gymnasiallehrkräfte ausgebildet worden sind, gibt es an Grund-, Berufs-, Förder- und Sonderschulen sowie insbesondere in den östlichen Bundesländern einen gravierenden Mangel.“ Zudem müsse der Beruf aufwewertet werden, insbesondere an den Grundschulen: „Alle Bundesländer müssen sich endlich dazu durchringen, Lehrkräfte an Grundschulen genauso zu bezahlen wie an Gymnasien. Sonst wird die Fehlentwicklung auch in den nächsten Jahren fortgeschrieben“, sagte Tepe. „Das ginge zu Lasten der Lehrkräfte und eines guten Unterrichts – und träfe damit die Schülerinnen und Schüler.“

Die GEW-Chefin forderte zudem, dass es attraktiver werden müsse, Lehrerin oder Lehrer zu werden, damit sich wieder mehr junge Menschen für den Beruf entscheiden. Dafür brauche es bessere Arbeitsbedingungen an den Schulen, wie Entlastungen vor allem aber eine Bezahlung aller voll ausgebildeten Lehrkräfte nach A13 (Beamtinnen und Beamte) und E13 (Angestellte). „Das gilt insbesondere für Lehrkräfte an Grundschulen – hier ist der Mangel am gravierendsten – wichtig: Sie werden in fast allen Bundesländern schlechter bezahlt als Lehrkräfte an anderen Schulformen.“

Das 10-Punkte-Programm der GEW gegen den Lehrkräftemangel zeigt kurz- und langfristige Lösungsansätze auf, um mehr Lehrkräfte zu gewinnen:

 

  1. Die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte werden verbessert (Arbeitszeit, Klassengröße, Ausgleichsstunden, Gesundheitsschutz, Altersermäßigung), um die Attraktivität der Profession zu erhöhen. Dies wird mit der GEW verhandelt. Unterstützungssysteme für Lehrkräfte wie Team-Coaching und Supervision helfen vor allem in Schulen in sozial komplexen Wohnquartieren und anderen Problemlagen.
  2. In den Schulen werden zusätzlich verschiedene Professionen gebraucht – Sozialpädagog*innen, Psycholog*innen, Heilerziehungspfleger*innen, Therapeut*innen, Kunsterzieher*innen, Musikpädagog*innen und herkunftssprachliche Lehrkräfte. Diese arbeiten in multiprofessionellen Teams zusammen. So können die Qualität des Unterrichts verbessert und die Zufriedenheit der Lehrkräfte gesteigert werden. Durch die Einstellung von Verwaltungskräften, die nichtpädagogische Arbeiten wie die Systembetreuung von EDV-Geräten übernehmen, werden Lehrkräfte von administrativen Aufgaben entlastet. Dadurch werden mehr Zeit und Energie für die notwendige pädagogische Arbeit gewonnen.
  3. Alle Lehrämter mit einer akademischen Ausbildung sind dem höheren Dienst zuzuordnen, damit ist die Eingangsbesoldung/-vergütung an allen Schularten A 13 (Beamtinnen und Beamte) und E 13 (Angestellte).
  4. Die Kultusministerkonferenz (KMK) führt zeitnah eine Berechnung der Lehrkräftebedarfe bis 2030 durch. Die dafür verwendeten Parameter (Bevölkerungsprognosen, Lehrer-Schüler-Relation, besondere Bedarfe für Ganztag und Inklusion u.s.w.) sind so frühzeitig zu kommunizieren, dass eine Diskussion und Einflussnahme möglich ist.
  5. Die Landesregierungen erhöhen die Zahl der Plätze für das Lehramtsstudium und schaffen Studienbeschränkungen (Numerus clausus) ab. Bei diesem Studienplatzausbau ist der besondere Bedarf bestimmter Fächerkombinationen zu berücksichtigen. Auch der Hochschulpakt muss den Ausbau von Studienplätzen fördern. Die Spezialisierung der Ausbildung für die unterschiedlichen Schularten wird zurückgeführt auf wenige Stufenlehrämter. Zudem muss die Qualität des Studiums verbessert werden, damit die Abbrecherquote sinkt. Die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse von Lehrkräften wird erleichtert.
  6. Die Landesregierungen weiten die Zahl der Plätze im Vorbereitungsdienst (Referendariat), auch in Teilzeit, aus. Arbeitslose Lehrkräfte mit erstem Staatsexamen können bei Bedarf einen Vorbereitungsdienst in einem anderen Lehramt absolvieren. Quereinsteiger*innen mit einem fachlich geeigneten Hochschulstudium können bei Bedarf direkt mit dem Vorbereitungsdienst beginnen. Der Vorbereitungsdienst wird so gestaltet, dass das Nachholen fehlender Ausbildungsinhalte aus dem Studium zu schaffen ist. Dazu ist ggf. auch der Vorbereitungsdienst zu verlängern.
  7. Beim Einsatz von Seiteneinsteiger*innen muss eine bestmögliche Qualifizierung, auch in Teilzeit, mit attraktiven Bedingungen für die angehenden Lehrkräfte einhergehen. Die Ausbildung „on the job“ ist so zu gestalten, dass fehlende Ausbildungsinhalte berufsbegleitend nachgeholt werden können. Dazu ist ausreichend zeitliche Entlastung zu gewähren. Eine dreimonatige Einführungsphase ist voranzustellen. Nach erfolgreichem Ausbildungsende werden diese Lehrkräfte allen anderen gleichgestellt.
  8. Unterricht durch nicht als Lehrkraft ausgebildete oder in Ausbildung befindliche Personen ist eine Notmaßnahme, für die die Politik verantwortlich ist. Auch in diesen Fällen ist den Aushilfskräften eine erfahrene Lehrkraft als Mentor*in zur Seite zu stellen. Personen, die sich im Unterrichtseinsatz bewähren, ist eine realistische Perspektive zur Nachqualifizierung als Quer- oder Seiteneinsteiger*in anzubieten. Befristungsketten lehnt die GEW ab, diese gehen zu Lasten der Beschäftigen, der Schüler*innen und der Schulen.
  9. Die betreuenden Lehrkräfte (Mentor*innen) erhalten eine Pflichtstundenentlastung von zwei Unterrichtsstunden pro Lehrkraft und Fach im Vorbereitungsdienst bzw. pro Seiteneinsteiger*in oder zu betreuender nicht ausgebildeter Lehrkraft. Ausbildende Schulen erhalten einen Deputatzuschlag. Mit finanziellen Anreizen können Pensionär*innen und Rentner*innen für Beratung oder Unterricht gewonnen werden.
  10. Schulen in herausfordernden sozialen Lagen stehen vor besonderen Problemen. Hier muss aktiv durch zusätzliche Ressourcen nach einem Sozialindex für die Schulen und durch Ausgleichsstunden für die Lehrkräfte gesteuert werden.