Zum Inhalt springen

Prekäre Bedingungen

Sichtbarkeit! Einigkeit?

Einer exzellent verdienenden Elite an Motivationsgurus stehen sehr viele Weiterbildnerinnen und Weiterbildner mit mäßigem Einkommen oder Kolleginnen und Kollegen mit prekären Beschäftigungsverhältnissen gegenüber.

Was haben ein freiberuflicher IT-Trainer, eine befristet Beschäftigte bei einem Maßnahmeträger der Bundesagentur für Arbeit, eine pensionierte Lehrerin, die Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, und ein Hauptamtlich Pädagogischer Mitarbeiter (HPM) in einer der 900 Volkshochschulen gemeinsam? Sie alle zählen zum Personal der Erwachsenen-/Weiterbildung – wie viele andere. 1,3 Millionen solcher Beschäftigungsverhältnisse mit lehrenden, planenden und beratenden Aufgaben kalkulieren neue wissenschaftliche Studien wie der wb-personalmonitor, den das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) erhebt. Bedeutet diese imposante Zahl, dass das Weiterbildungspersonal gut sichtbar ist? Wohl kaum.

Das hat viele Gründe: Die Spanne beim Gehalt ist immens; so stehen einer exzellent verdienenden Elite an Motivationsgurus sehr viele Weiterbildnerinnen und Weiterbildner mit mäßigem Einkommen oder Kolleginnen und Kollegen mit prekären Beschäftigungsverhältnissen gegenüber. Auch jenseits dessen ist neben einer immensen fachlichen Vielfalt sowie einer Vielzahl an Weiterbildungseinrichtungen zu beobachten, dass das Personal sich oft nicht als einheitliche Berufsgruppe oder gar Profession begreift. Wie kann da kollektive Interessenvertretung gelingen? Dazu kommt noch: Jenseits von Sonntagsreden zum lebenslangen Lernen bleiben Frühpädagogik und Hochschulbildung die medialen Top-Themen – obwohl eine alternde und in Umbrüchen befindliche Gesellschaft Erwachsenen-/Weiterbildung immer mehr wertschätzen sollte.

Das gilt auch für manche sozialen Demokratinnen und Demokraten, deren Horizont lebenslangen Lernens nur vom Kindergarten bis zur Hochschule zu reichen scheint. Wie sonst ist zu erklären, dass von jedem Euro der öffentlichen Bildungsausgaben deutlich weniger als ein Cent in die Erwachsenenbildung fließt? Und das ist längst nicht die einzige Barriere in einem vernachlässigten Bildungsbereich, der wichtige Aufgaben in vielfältigen Zusammenhängen in allen Lebens- und Arbeitsbereichen kompetent bearbeitet und gerne als Feuerwehr bemüht wird. Was kann man tun?

Gelingt es, hier Lösungen zu finden, können diese für andere Branchen Modell stehen; schließlich nimmt die Heterogenität der Beschäftigungsverhältnisse allgemein zu und wird auch von manchen Beschäftigten gewünscht, etwa um Arbeit und Familie zu vereinbaren.

In diesem kurzen Gastkommentar drei Gedanken als Impulse: Erstens muss an einer besseren Sichtbarkeit kontinuierlich gearbeitet werden. Dieses E&W-Heft ist dafür ein erfreulicher Baustein. Die Akteurinnen und Akteure der Erwachsenen-/Weiterbildung müssen aber auch selbst mehr tun, um sicht- und hörbar zu sein. Wirksame Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit tut not; von der Mittelverteilung zur Lehrgebäudesanierung über tarifliche Einstufungen nach Bologna bis zum Bildungsmonitoring. Zweitens müssen die Mitarbeitenden in ihrer Heterogenität anerkannt werden – wofür es gewerkschaftliche Strategien braucht.

Das Personal in der Weiterbildung gibt es nicht. Wie kann es da Standards geben, sich Solidarität trotz der Differenz entwickeln? Daran ist zu arbeiten. Gelingt es, hier Lösungen zu finden, können diese für andere Branchen Modell stehen; schließlich nimmt die Heterogenität der Beschäftigungsverhältnisse allgemein zu und wird auch von manchen Beschäftigten gewünscht, etwa um Arbeit und Familie zu vereinbaren. Welche sind also gewerkschaftlich zu verteidigende Kernbereiche, wo gibt es wie in anderen Professionen klare Zugangsbegrenzungen und Standards, die es gegenüber Lohndumping und Prekarisierung zu verteidigen gilt? Drittens muss man heute schnell sein und den richtigen Zeitpunkt wählen, um sichtbar engagiert für gute Arbeit zu streiten. Die Steuereinnahmen sprudeln zurzeit: Wo meldet die Weiterbildung aktuell ihren Bedarf an? Und: Sind Schulterschlüsse mit anderen Bildungsbereichen realistisch machbar?

Bernd Käpplinger / Foto: Anja Schaal