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Sachgrundlose Befristung mit demselben Arbeitgeber

Das Bundesverfassungsgericht hat eine umstrittene Auslegung der Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) durch das Bundesarbeitsgericht gekippt.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat klargestellt, dass eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bei demselben Arbeitgeber auch dann unzulässig ist, wenn die Beschäftigung drei Jahre oder länger zurückliegt. Der Beschluss hat auch Auswirkungen auf die Befristungspraxis an Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

§ 14 TzBfG regelt, unter welchen Voraussetzungen Arbeitsverträge befristet werden dürfen. Während § 14 Absatz 1 Sachgründe auflistet, die eine Befristung rechtfertigen können, ermöglicht § 14 Absatz 2 außerdem eine sachgrundlose Befristung. Die sachgrundlose Befristung darf sich auf maximal zwei Jahre erstrecken. Außerdem ist sie nicht zulässig, „wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat“, heißt es in § 14 Absatz 2 Satz des Gesetzes. Diese Bestimmung hat das Bundesarbeitsgericht sehr eigenwillig ausgelegt und eine erneute sachgrundlose Befristung erlaubt, wenn die Beschäftigung beim selben Arbeitgeber mindestens drei Jahre zurückliegt.

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts stärkt den Schutz von Beschäftigten vor Kettenbefristungen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nun sehr deutlich kritisiert: Die Rechtsprechung dürfe „den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen“, mahnen die obersten Richterinnen und  Richter, denn der Gesetzgeber habe sich beim TzBfG klar erkennbar gegen eine Frist entschieden, nach deren Ablauf der Schutz vor sachgrundloser Befristung erlischt.

Ausnahmen erkennt das Bundesverfassungsgericht lediglich an, wenn die Vorbeschäftigung beim selben Arbeitgeber „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders geartet“ oder von „sehr kurzer Dauer“ war. Als Beispiele werden „Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden oder bei einer Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung über eine Aus- und Weiterbildung einhergeht“, genannt. Diese Ausnahmen dürften als gerade im Hochschulbereich greifen.

Das ist wichtig, weil der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts auch Auswirkungen auf die Befristungspraxis in der Wissenschaft hat. Zwar bezieht sich die Entscheidung ausschließlich auf das TzBfG und nicht etwa auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), nach dessen Vorgaben an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vor allem Arbeitsverträge befristet werden. Doch seit die Voraussetzungen für die Befristung von Arbeitsverträgen nach WissZeitVG mit der Gesetzesnovelle von 2016 strenger geworden sind, weichen mehr und mehr Wissenschaftsarbeitgeber auf die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung nach TzBfG aus. Außerdem wird das TzBfG für die Befristung von Arbeitsverträgen mit technischem und Verwaltungspersonal angewandt, da das WissZeitVG seit der Novellierung ausschließlich für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gilt.

Die GEW wird die Entscheidung sorgfältig auswerten. GEW-Mitgliedern, die einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber haben, bei dem sie zuvor schon einmal beschäftigt waren, wird empfohlen, eine Rechtsberatung bei der Rechtsschutzstelle ihres Landesverbands in Anspruch zu nehmen. Offen ist, wie die vom Bundesverfassungsgericht zugelassenen Ausnahmen zu bewerten sind. Ab wann liegt eine Beschäftigung „sehr lang“ zurück, unter welchen Voraussetzungen ist sie „ganz anders geartet“ und bis zu welchem Zeitraum ist sie von „sehr kurzer Dauer“? Nach erstem Augenschein spricht viel dafür spricht, dass eine studentische Hilfskrafttätigkeit nicht dazu führt, dass später keine sachgrundlose Beschäftigung mit demselben Arbeitgeber zulässig ist.

Im Ergebnis stärkt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts den Schutz von Beschäftigten vor Kettenbefristungen und dämmt die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen ein, deren Bekämpfung sich die DGB-Gewerkschaften auf die Fahnen geschrieben haben. Unter dem Druck der Gewerkschaften hat sich sogar die Große Koalition vorgenommen, den Missbrauch von Befristungen zu bekämpfen und die sachgrundlose Befristung einzuschränken. Es kommt jetzt darauf an, dass die Arbeitgeber nicht einfach auf die Wiederbeschäftigung von bereits zuvor beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verzichten, sondern diesen nachhaltige Beschäftigungsperspektiven eröffnen: Entweder, wie es das deutsche und europäische Arbeitsrecht als Regel vorsieht, unbefristet oder aber auf Basis eines Sachgrunds, der eine Befristung als Ausnahme rechtfertigt.