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Rechtsextremismus und Rassismus bekämpfen

DGB mahnt: „Die Blutspur ist lang!“

Der Kabinettsausschuss der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus soll bis Oktober einen konkreten Maßnahmenkatalog erarbeiten. Der DGB und andere zivilgesellschaftliche Organisationen stellen hierzu klare Forderungen.

Betroffene müssen vor rassistischer Gewalt geschützt werden. (Foto: Pixabay/ CCO)

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sowie zahlreiche Fachverbände und Organisationen von Migrantinnen und Migranten fordern vom Kabinettsauschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus wirkungsvolle Maßnahmen und eine nachhaltige Gesamtstrategie – unter Beteiligung der von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Betroffenen.

Die Bundesregierung hatte den Ausschuss nach den rechtsterroristischen Anschlägen in Kassel, Halle und Hanau eingerichtet. Mitte Mai nahm er unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin seine Arbeit auf. Am 20. August konnten zivilgesellschaftliche Organisationen in einer Voranhörung in Berlin ihre Stellungnahmen einbringen.

„Rechter Terror hat in unserem Land eine unrühmliche Tradition – die Blutspur ist lang.“ (Anja Piel)

Der DGB bekennt sich in seiner umfassenden Stellungnahme zu seinen antifaschistischen Wurzeln und betont – auch im Namen seiner Mitgliedsgewerkschaften – die damit verbundene Aufgabe, Rassismus und menschenfeindlichen Ideologien in der Gesellschaft, im Bildungsbereich und in der Arbeitswelt entschieden entgegen zu treten. Anja Piel, für Antirassismusarbeit zuständiges Mitglied im DGB-Bundesvorstand mahnte: „Rechter Terror hat in unserem Land eine unrühmliche Tradition – die Blutspur ist lang. Allein seit der Wiedervereinigung wurden mehr als 200 Menschen Opfer von Rechtsextremisten“.

Sie bezeichnete die Einrichtung des Kabinettsausschusses als guten und richtigen ersten Schritt, verlangte jedoch dessen dauerhafte institutionelle Verankerung sowie die Einbindung des Bundesministers für Arbeit und Soziales als ständiges Mitglied.

Gegen Diskriminierung vorgehen und politische Bildung stärken

Damit unterstrich Piel die Bedeutung des Handlungsfelds Arbeitswelt, die in der DGB-Stellungnahme ausführlich und mit besonderem Blick auf gleichberechtige Teilhabe beschrieben wird. Neben der Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus in Betrieben und Verwaltungen fordert der DGB auch verstärkte Maßnahmen im Bereich der politischen Bildung, die Stärkung der Zivilgesellschaft durch ein Demokratiefördergesetz und die Gewährleistung der persönlichen Sicherheit von Menschen, die sich gegen Neonazis und Rechtspopulisten engagieren.

Außerdem werden weitere notwendige Maßnahmen auf europäischer Ebene, bei der Revision nationaler Gesetze, der Ausweitung des Schutzes von Opfern von Rassismus und Rechtsextremismus skizziert - inklusive dem Ausbau von Beratungs-, Präventions- und Interventionsangeboten sowie wissenschaftlicher Forschung im Themenfeld.

Zusammenfassend empfiehlt der DGB, bei der Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus in den verschiedenen Handlungsfeldern folgende vier Ziele in den Vordergrund zu rücken:

  • Vielfältige Gesellschaft akzeptieren und gestalten – Partizipation stärken
  • Rassistische Gewalt und Rechtsextremismus bekämpfen – Betroffene schützen und stärken
  • Rassistische Diskriminierungen sanktionieren – Chancengerechtigkeit und Teilhabe fördern
  • Rassistische Einstellungen überwinden – Präventive Antirassismusarbeit und rassismuskritische Bildungsarbeit stärken

Gesamtstrategie statt Symbolpolitik

Das von der Amadeu Antonio Stiftung koordinierte Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention fordert in einem offenen Brief an den Kabinettsausschuss: „Rechtsextremismus als größte Bedrohung ernst nehmen!“. Es gebe in Deutschland zwar zahlreiche wichtige und richtige Maßnahmen zur Bekämpfung und Vorbeugung von Rechtsextremismus und Rassismus, jedoch kein abgestimmtes staatliches Handeln, kritisiert das im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ neu geförderte Netzwerk.

Notwendig zur nachhaltigen Stärkung von demokratischen und menschenrechtlichen Haltungen in der Gesellschaft sei eine Gesamtstrategie, bei deren Konzeption und Umsetzung sowohl die Länder als auch die zivilgesellschaftlichen Organisationen mit ihrer Fachexpertise einbezogen werden. Mit einem Demokratiefördergesetz müsse die Präventions- und Beratungsarbeit langfristig anerkannt, zielgruppenspezifisch weiterentwickelt und finanziell abgesichert werden, um in den Regelstrukturen Wirkung zu entfalten.

Eine „Agenda gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus – und keine Sonntagsreden“ fordern der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG), EachOneTeachOne (EOTO), Bundesverband Mobile Beratung (BMB) und neue deutsche organisationen (ndo) in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Danach sollte das Maßnahmenpaket des Kabinettsausschusses folgende Punkte umfassen:

  • eine einheitliche und bundesweit verbindliche Arbeitsdefinition von institutionellem und strukturellem Rassismus,
  • eine Erweiterung des Opferschutzes im Aufenthaltsgesetz,
  • eine Studie zu Racial Profiling und Rassismus bei den Polizeibehörden des Bundes und der Länder,
  • eine Ausweitung der Entschädigungsleistungen für Betroffene von rassistisch, antisemitisch und rechtsextrem motivierten schweren Sachbeschädigungen und Brandanschlägen durch das Bundesamt für Justiz,
  • eine grundlegende Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ebenso wie Landesantidiskriminierungsgesetze (LADG).

Auch der Antidiskriminierungsverband Deutschlands (advd) plädiert im Rahmen des Konsultationsverfahrens für einen verbesserten Diskriminierungsschutz und den Aus- und Aufbau nachhaltiger Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für Betroffene von rassistischer Diskriminierung. Zudem verweist er auf zentrale Forderungen von Migrantenverbänden.

„Kabinettsausschuss muss liefern“

Die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BKMO) hat einen Begleitausschuss von Expertinnen und Experten eingesetzt, um den Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus kritisch zu begleiten. In seiner Pressemitteilung mit dem Titel „Kabinettausschuss muss liefern“ kündigt er einen eigenen Maßnahmenplan an und hebt drei Punkte als wesentlich für die Arbeit des Kabinettsausschusses hervor. Neben der Erarbeitung einer gemeinsamen Rassismus-Definition und konkreter Schritte, um eine „dauerhafte und nachhaltige Auseinandersetzung mit den Themenfeldern Rassismus und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft“ zu gewährleisten, fordert er „Rechtsextremismus einerseits sowie Rassismus und die Gleichstellung von Menschen mit Migrationshintergrund in der Einwanderungsgesellschaft anderseits […] als eigenständige Arbeitsbereiche“ zu behandeln.
Für diese beiden Bereiche seien „unterschiedliche Handlungskonzepte nötig. Auch wenn beide Themenbereiche Schnittmengen aufweisen, unterscheiden sie sich in Bezug auf ihre gesellschaftlichen Ursachen und Wirkungen erheblich voneinander.