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Quoten sind nicht das beste Mittel

Die Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Birgitta Wolff, sieht gesetzliche Frauenquoten skeptisch. „Ich finde, es ist in Ordnung, auf Selbstverpflichtungen zu setzen und Druck zu machen, dass diese eingehalten werden.“

  • E&W: Frau Wolff, Sie haben mit 35 Jahren ihren ersten Lehrstuhl geleitet, waren danach Dekanin, später Wissenschaftsministerin in Sachsen-Anhalt und sind nun seit drei Jahren Präsidentin der Goethe-Universität. An die berühmte gläserne Decke sind Sie offenbar nie gestoßen?

Birgitta Wolff: Doch, auch ich kenne das. Und ich empfinde meinen beruflichen Weg rückblickend nicht als Durchstart. Ich hatte nie so eine zielorientierte Karriereplanung, sondern habe immer das gemacht, was mich interessiert hat, war mit Spaß bei der Sache und habe dann, wenn sich neue Sachen ergaben, den nächsten Schritt getan.

  • E&W: Das klingt so, als hätten Sie Glück gehabt?

Wolff: Dass ausgerechnet Sie mich das fragen! Bei Frauen in Führungspositionen heißt es immer gleich, sie hätten Glück gehabt, während Männer sagen würden: Ich bin einfach klasse. Hätten Sie diese Frage auch einem Mann gestellt?

  • E&W: Nein. Weil drei Viertel der Professuren von Männern besetzt sind, nur ein Viertel von Frauen. Ähnlich bei den Hochschulpräsidentinnen und -präsidenten. Woran liegt es, dass es Frauen in der Wissenschaft so schwer fällt, in Führungspositionen aufzusteigen?

Wolff: Da könnte ich lange erzählen. Zum einen spielt die Selbstselektion eine Rolle. Frauen kommen nicht in Führungspositionen, weil sie sich schon vor der Postdoc-Phase für andere Möglichkeiten entscheiden. Dann hängt es natürlich mit den Gepflogenheiten an den Hochschulen zusammen. Das klassische Beispiel ist der Mediziner, der sagt, in meinem Team kann ich keine Leute gebrauchen, die nicht auch nachts mal im Labor vorbeischauen können. Aber sorry, bei einem großen Team muss ja nicht ausgerechnet die Alleinerziehende nachts das Labor betreuen, das kann auch der kinderlose Mann machen. Da muss eben arbeitsorganisatorisch umgesteuert werden. Ein weiterer Grund, den ich auch bei mir festgestellt habe: Frauen entziehen sich der Ruppigkeit, die zunimmt, je höher man aufsteigt. Sie tendieren eher zu einem harmonieorientierteren und diskursiveren Umfeld.

  • E&W: Sie haben auch an Universitäten im Ausland geforscht und gelehrt, in den USA, China, Brasilien und der Ukraine. Haben es Frauen überall gleich schwer in der Wissenschaft?

Wolff: In den osteuropäischen Ländern gibt es viel mehr Frauen, die ein naturwissenschaftlich-technisches Studium absolvieren, es gab also auch mehr Professorinnen in diesem Bereich. Und gesellschaftlich war es in den osteuropäischen Ländern und der DDR generell verbreitet und akzeptiert, dass Frauen Kinder hatten und gleichzeitig beruflich eingespannt waren. Im Vergleich dazu kamen mir die Verhältnisse im Westen Deutschlands, wo die gesellschaftliche Erwartung herrschte, dass Frauen lange zu Hause bleiben, wenn sie Kinder bekamen, relativ rückständig vor.

  • E&W: Sie waren von 2000 bis 2014 Professorin für Betriebswirtschaftslehre und internationales Management an der Universität Magdeburg. Haben Sie die beschriebenen Unterschiede dort auch wahrgenommen?

Wolff: In Magdeburg kam mir das Klima schon deutlich entspannter vor. Ich erinnere mich an ein Erlebnis an der Universität München. Als ich dort als neue Frauenbeauftragte zum ersten Mal in einer Berufungskommission saß, die ansonsten nur von Männern besetzt war, fragte der ältere Professor die Bewerberin doch tatsächlich, ob ihr Mann wisse, dass sie sich bewerbe, denn das werde ja wohl Folgen für die Familie haben. Meine Hand glitt schon an die rote Karte, aber ich habe mich zurückgehalten, da die Bewerberin die Frage ganz ernsthaft und souverän beantwortete. Dem nächsten Bewerber, einem Mann, habe ich dann die gleiche Frage gestellt, ob seine Ehefrau denn wisse und so weiter. Die Herren in der Berufungskommission haben sich entsetzt angeguckt – und der Bewerber hat eine kurze, rotzige Antwort gegeben.

„Bis zur Parität werden wir also noch lange brauchen.“

  • E&W: Inzwischen sind Sie wieder im Westen, als gewählte Präsidentin der Goethe-Universität. Gibt es solche Muster noch, besteht die Kluft zwischen Ost und West weiterhin?

Wolff: Nein, ich nehme keine Unterschiede in der Frauenförderung mehr wahr. In Frankfurt achten wir extrem auf Gendergerechtigkeit, aber es ist ein großer gesellschaftlicher Lernprozess. Wir geben den Fachbereichen starke Anreize, proaktiv zu rekrutieren.

  • E&W: Welche Anreize sind das?

Wolff: Zum einen die Anreize, die das Professorinnenprogramm von Bund und Ländern bietet, das etwa eine Anschubfinanzierung für die Berufung von Professorinnen gewährt. Zum anderen gewähren wir als Universität selbst finanzielle Prämien für Fachbereiche, die proaktiv rekrutieren und gezielt auf Frauen zugehen. Es ist ja immer noch so, dass Männer sich alles zutrauen, während man Frauen eher auffordern muss, sich zu bewerben. Auch dafür wollen wir sensibilisieren.

  • E&W: Wie hoch ist der Frauenanteil in der Professorenschaft in Frankfurt?

Wolff: Knapp 40 Prozent der Neuberufungen sind Frauen. Insgesamt beträgt der Frauenanteil bei den Professuren 25 Prozent. Bis zur Parität werden wir also noch lange brauchen.

  • E&W: Braucht man eine gesetzliche Quote an Hochschulen?

Wolff: Ich finde, es ist in Ordnung, auf Selbstverpflichtungen zu setzen und Druck zu machen, dass diese eingehalten werden. Ich weiß nicht, ob man dann überhaupt noch eine gesetzliche Quote braucht und wie diese sich durchsetzen ließe, ohne dass man sich anhören muss: „Ihr beruft Frauen auf Kosten der Wissenschaft.“

  • E&W: Jetzt argumentieren Sie genauso wie die Unternehmen, die sich weigern, Quoten einzuführen.

Wolff: Ich glaube nicht, dass Quoten das beste Mittel sind, um Frauen zu fördern. Ich denke, es ist besser, auf Transparenz zu setzen und die Verhältnisse an den Hochschulen öffentlich zu machen, wie wir es in Frankfurt mit dem Gleichstellungsmonitor tun. Aber Quoten, insbesondere selbst aufgelegte, schaden zumindest nicht.