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Tarifrunde 2020

Protest mit Playmobil

„Warnstreik@Corona“: In Zeiten der Pandemie setzen Erzieherinnen und Erzieher auf kreative Aktionen und schicken stellvertretend Spielfiguren zur Kundgebung nach Mainz.

In Zeiten der Pandemie setzen Erzieherinnen und Erzieher auf kre
In Zeiten der Pandemie setzen Erzieherinnen und Erzieher auf kreative Aktionen und schicken stellvertretend Spielfiguren zur Kundgebung nach Mainz (Foto: Christoph Boeckheler, 20.10.2020).

Dicht an dicht drängen sich die Playmobilfiguren nebeneinander, recken ihre Arme mit selbstgemalten Schildern in die Luft: „Wir sind es wert“, steht darauf in winziger Schrift. Oder: „Klatschen ist gut – angemessene Bezahlung ist besser.“ Erzieherinnen und Erzieher aus ganz Rheinland-Pfalz haben mit Strohhalmen und Zahnstochern klitzekleine Transparente gebastelt, den Spielfiguren in die Plastikhände geklemmt – und sie stellvertretend zur GEW-Kundgebung am Dienstag auf dem Schillerplatz in der Mainzer Innenstadt geschickt.

„Aber bei Corona ist alles anders.“ (Erni Schaaf-Peitz)

„Normalerweise ist unsere Kita bei jedem Streik dabei“, berichtet Kitaleiterin Erni Schaaf-Peitz aus Wittlich in der Eifel. „Aber bei Corona ist alles anders.“ In ihrer Teamsitzung hätten die Kolleginnen und Kollegen aus Papier für die Playmobilfiguren rote Westen und Fähnchen ausgeschnitten und dabei diskutiert: „Worum geht es in der Tarifrunde? Und was sind wir in der Gesellschaft wert?“ In Zeiten steigender Infektionszahlen sollen die Figuren symbolisch ihre Forderung nach mehr Lohn kundtun, kurz vor Beginn der dritten Runde der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen.

„Sie nennen uns unverzichtbar und systemrelevant.“ (Björn Köhler)

Die Gewerkschaften fordern 4,8 Prozent mehr Geld, mindestens jedoch 150 Euro. In seiner Rede würdigt Björn Köhler, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit den Einsatz der Beschäftigten des öffentlichen Diensts für die Gesellschaft. Sie nähmen täglich Infektionsrisiken in Kauf – und sorgten dafür, dass dieses Land funktioniere. Das Verhalten der Arbeitgeber sei ein Schlag ins Gesicht. „Sie nennen uns unverzichtbar und systemrelevant“, sagt Köhler, weigerten sich jedoch, ein ordentliches Angebot vorzulegen. „Wären wir eine Airline und hätten mit Jobverlust gedroht“, meint der Gewerkschafter, hätte die Politik ihnen längst Milliarden hinterhergeworfen.

Die Aktion in Mainz zeige, dass Protest trotz Corona möglich sei, so Köhler. Damit machten die Erzieherinnen und Erzieher deutlich, dass ihnen die Eltern und Kinder am Herzen lägen, die während der Pandemie sehr gelitten hätten. Gleichzeitig sei es ein wichtiges Zeichen: „Da ist Luft nach oben.“ Auch der Landesvorsitzende der GEW in Rheinland-Pfalz, Klaus-Peter Hammer, betont, dass die Aktion keine Spielerei sei. Vielmehr mache sie deutlich, dass sich sehr viele Kolleginnen und Kollegen für ein gutes Tarifergebnis stark machten. Es gelte, einen Abschluss zu erzielen, der ihnen Respekt zolle und ihre Arbeit würdige.

Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes fordern 4,8 Prozent, mindestens jedoch 150 Euro mehr Gehalt. Zudem erwarten sie, dass die wöchentliche Arbeitszeit für die Angestellten in den östlichen Bundesländern auf 39 Stunden gesenkt und damit an das Westniveau angeglichen wird.

Die dritte Verhandlungsrunde ist für den 22./23. Oktober in Potsdam geplant.

In der Tarifrunde 2020 für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen geht es um Gehaltserhöhungen für rund 2,3 Millionen Beschäftigte. Ver.di hat gegenüber den Arbeitgebern von Bund und Kommunen die Verhandlungsführerschaft für die DGB-Gewerkschaften GEW, GdP und IG BAU.

Rund 500 bunte Spielfiguren tummeln sich auf zwei Tapeziertischen. „Irre“, sagt Gewerkschaftssekretär Ingo Klein, bei der GEW Rheinland-Pfalz zuständig für Kitas. „Wenn man sich vorstellt, dass sie sonst alle persönlich gekommen wären.“ Die Resonanz war viel größer als erwartet. „Das zeigt, dass die Erzieherinnen und Erzieher sehr aktiv für ihre Rechte eintreten“, sagt Klein.

Die Erzieherin Monica Aguirre aus der Kita Spatzennest in Saulheim findet auf den Tischen gar keinen Platz mehr und stellt deshalb ihre Figuren behutsam daneben auf eine Plastikkiste. Ein Männchen hält ein Miniplakat mit der Aufschrift „Warnstreik@Corona“ hoch. Auch Eltern hätten Playmobil beigesteuert, berichtet Aguirre. Normalerweise sei sie immer bei den Streiks dabei. Doch diesmal finde sie die kreative Aktion sehr gut. Ihr Ziel: „Wir wollen gehört werden.“ Dass die Arbeitgeber kein anständiges Angebot vorlegten, wundere sie nicht. „Das kennen wir schon.“ Die Aktion sei ein guter Anfang. Ob es reicht, werde sich zeigen.

„Das geht überhaupt nicht.“ (Steffen Kessler)

Auch Erzieher Steffen Kessler aus einer Kita in Nieder-Olm kritisiert, dass es nur bei schönen Worten bleibe. Das Angebot der Arbeitgeber – jeweils 1 Prozent mehr Lohn für 2021 und 2022 sowie 1,5 Prozent für 2023 – bezeichnet er als Lachnummer. „Das geht überhaupt nicht.“ Die Aktion mit den Playmobilfiguren sei eine tolle Botschaft, findet der Erzieher, „gerade in solchen Zeiten“. Er mache viele Fotos für seine Kolleginnen und Kollegen in der Kita. Die Accessoires für ihre Figuren hätten sie im Kreativzimmer gemeinsam mit den Kindern gebastelt und ihnen erklärt, worum es geht.

Das trifft genau die Idee der Aktion: Die Erzieherinnen und Erzieher einbinden, auch wenn sie nicht persönlich kommen können, erklärt GEWler Klein. Die Auflagen zum Infektionsschutz sehen vor, dass maximal 50 Personen an der Kundgebung teilnehmen dürfen. Trotzdem spielt eine Band im Nieselregen, laute Rockmusik schallt aus den Lautsprechern. Zwei Kollegen mit grüner Fahne der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind mit von der Partie. Auch einige Playmobilfiguren sitzen im Polizeiwagen, tragen blaue Uniform, andere Ritterhelm, Elfenkleid oder Nikolausmantel.