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Nicht mal auf Mindestlohnniveau

Die geringe Bezahlung im Referendariat ist das Ergebnis einer Sparentscheidung der 1980er-Jahre – als es noch viele arbeitslose Lehrkräfte gab. Vor dem Hintergrund des Lehrkräftemangels sei es nun Zeit, die Anwärterbezüge zu erhöhen, fordert die GEW.

„Die GEW fordert alle Bundestagsabgeordneten auf, der Forderung nach Kürzung der Anwärterbezüge eine klare Absage zu erteilen. Die GEW betrachtet den Vorstoß des Bundesrates als einen unerhörten Angriff auf die materielle Existenz von Berufsanfängern.“ So schrieb es die GEW in einem Beschluss eines außerordentlichen Gewerkschaftstages im Oktober 1981. Kurz zuvor hatte die Bundesregierung für 1982 einen Haushaltsentwurf mit weitreichenden Einsparungen vorgelegt, den der Bundesrat mit Alternativvorschlägen konterte, von denen die Länderhaushalte stärker profitieren sollten. Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen war die Kürzung der Anwärterbezüge für den Lehrkräftenachwuchs um bis zu 15,3 Prozent; bei einer A12-Anwärterin bzw. einem Anwärter würde das etwa 220 D-Mark im Monat ausmachen. Obwohl – nicht nur – die GEW protestierte, fand die Kürzung im Vermittlungsverfahren Eingang in das bundeseinheitliche Besoldungsrecht. Zu dieser Zeit war die (westdeutsche) Bundesrepublik von hoher Lehrkräftearbeitslosigkeit geprägt: Allein zu Schuljahresbeginn 1981/82 wurden rund 20.000 fertig ausgebildete Lehrkräfte von den Einstellungsbehörden abgewiesen, 30.000 hatten befristete (Teilzeit-)Verträge.

Die Bezahlung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst oder Referendariat richtet sich nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Es handelt sich nicht um einen Lohn für die Arbeit, die diese leisten – etwa im Rahmen des sogenannten bedarfsdeckenden Unterrichts –, sondern um einen Beitrag zum Lebensunterhalt. Die angehenden Lehrkräfte werden für ein Lehr-„Amt“ ausgebildet. Deshalb sind sie als Beamte auf Widerruf beschäftigt und erhalten „Anwärterbezüge“. Alle bekommen den Anwärtergrundbetrag, dessen Höhe sich nach dem angestrebten Eingangsamt richtet. Daneben stehen ihnen gegebenenfalls Zuschläge für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner sowie für Kinder zu.

Beamtenanwärterinnen und -anwärter sind – wie „normale“ Beamte – weder in der Arbeitslosen- noch in der Kranken- und Rentenversicherung pflichtversichert. Nur wer im Studium Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung war, kann dort freiwillig versichert bleiben, muss aber den vollen Beitrag aus den Anwärterbezügen selbst bezahlen (außer in Hamburg), was diese Option meist unattraktiv erscheinen lässt. Deshalb sind Beamtenanwärter vielleicht die von privaten Versicherungskonzernen am intensivsten umworbene Personengruppe. Für die Lehrkräfte in den 1980er-Jahren war die Sozialversicherungsfreiheit ein zweifelhafter Segen, da so auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld entsteht.

Mit den neuen Tabellen sind die Anwärterbezüge im Verhältnis zur niedrigsten Besoldungsstufe weiter abgesenkt worden und liegen nun zwischen 35 und 42 Prozent der Eingangsbesoldung – gegenüber 52 bis 60 Prozent 1980.

Inzwischen hat sich die Besoldungswelt verändert. Mit der Föderalismusreform I 2006 ist die Bundeskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Landes- und Kommunalbeamtinnen und -beamten vom Bund auf die Bundesländer übergegangen. Die Folge waren viele Jahre „Besoldung nach Kassenlage“ – und damit ein spürbares Auseinanderlaufen zwischen den Ländern. So bekommen etwa ledige Anwärter ohne Kinder in A13 in Berlin 1.273,96 Euro – und in Nordrhein-Westfalen 1.433,28 Euro.

Der Vergleich der heutigen Anwärterbezüge mit früher wird erschwert durch die reformierte Besoldungsstruktur. Nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der die Besoldung nach Dienstaltersstufen für altersdiskriminierend erklärt hatte, führten nach und nach alle Bundesländer neue Besoldungstabellen ein. Diese sind nach Erfahrungsstufen gegliedert und beginnen meist mit Stufe 1. Manchmal heißt die unterste Erfahrungsstufe in den höheren Besoldungsgruppen aber auch Stufe 3 oder 4 – dort wurden die Tabellenwerte der Dienstaltersstufen beibehalten, aber es wurde berücksichtigt, dass Beamte mit akademischer Ausbildung nicht schon mit 18 oder 20 Jahren in den Beruf einsteigen. Mit den neuen Tabellen sind die Anwärterbezüge im Verhältnis zur niedrigsten Besoldungsstufe weiter abgesenkt worden und liegen nun zwischen 35 und 42 Prozent der Eingangsbesoldung – gegenüber 52 bis 60 Prozent 1980.

Die GEW kämpft weiter dafür, dass alle Lehrämter überall gleich viel wert sind und gleich bezahlt werden.

Dass die Anwärterbezüge sich nach dem Eingangsamt richten, erschwert die Vergleichbarkeit zusätzlich, denn hier ist derzeit viel in Bewegung: Nach Brandenburg und Berlin hat Sachsen entschieden, Grundschullehrkräfte nach A13 zu besolden. Auch Schleswig-Holstein will dies bis 2025 stufenweise umsetzen. In anderen Ländern wurden zumindest verschiedene Lehrämter der Sekundarstufe I, die jahrelang A12 zugeordnet waren, auf A13 angehoben. Von der Aufwertung profitieren auch die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst. Die GEW kämpft weiter dafür, dass alle Lehrämter überall gleich viel wert sind und gleich bezahlt werden.

Unter den heutigen rechtlichen und politischen Bedingungen kann eine Verbesserung der Anwärterbezüge nur im „Häuserkampf“, also von Land zu Land, erreicht werden. Allerdings stehen die Chancen dafür besser als in den zurückliegenden Jahrzehnten. In Zeiten eines gravierenden Lehrkräftemangels finden auch nicht voll ausgebildete Lehrkräfte mit erstem (Staats-)Examen in vielen Ländern, Schularten und Fächern leicht eine Anstellung. Sie werden fast wie voll ausgebildete angestellte Lehrkräfte bezahlt, lediglich die Stufenaufstiege sind verlangsamt. Die Verlockung des schnellen Geldes wird zwar dadurch gebremst, dass man ohne Vorbereitungsdienst nicht auf Lebenszeit verbeamtet werden kann. Andererseits ist ein Vorbereitungsdienst mit einem Einkommen unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns nicht gerade attraktiv. Die GEW mahnt seit Jahren, dass nicht genug Lehrkräfte ausgebildet werden. Jetzt ist es endlich an der Zeit, eine Erhöhung der Anwärterbezüge durchzusetzen!