Zum Inhalt springen

fair childhood - Bildung statt Kinderarbeit

Nicht im Stich gelassen

Im September findet in vielen Schulen die Faire Woche statt. Sie zeigt: Gerechtere Erntepreise, keine Kinderarbeit und enge Partnerschaften – das sind wichtige Kriterien des Fairen Handels. Sie bewähren sich auch in der Corona-Krise.

Héctor Arévalo Valladares (re.) ist auf Bananen-Anbau umgestiegen. Das Familieneinkommen hat sich von umgerechnet 150 Euro pro Monat auf circa 400 erhöht. (Foto: Nina Mair/Brot für die Welt)

Kilometerweit ziehen sich die Bananenplantagen durch das Chira-Tal im Norden Perus. Ein paar Hektar davon gehören Héctor Arévalo Valladares. Seit einigen Jahren beliefert der Kleinbauer über eine Kooperative auch den Discounter Lidl mit Bananen, die sowohl das Bio- als auch das Fairtrade-Siegel tragen. Valladares bekommt für die Kiste Bananen – rund 19 Kilo – umgerechnet 4,50 Euro statt der 2,40 Euro wie seine Nachbarn, die den konventionellen Markt beliefern. Zum ersten Mal hat er genügend Geld, seine Kinder zur Schule zu schicken.

Doch die Schulen sind Anfang August noch geschlossen. Auch in Peru grassiert das Sars-CoV-2-Virus und bringt die Wirtschaft nahezu zum Erliegen. Ein paar Wochen blieb Valladares auf seiner Ernte sitzen – wegen der Ausgangssperre kamen Pflücker und Verpacker nicht mehr zur Arbeit und die Früchte nicht mehr zum Hafen. Doch jetzt zeigt sich: Als Erzeuger für den Fairen Handel kommt Valladares besser über die Runden. Er rechnet zwar mit Einbußen, „aber dank des Fairen Handels werden die Kooperative und wir Kleinbauern nicht untergehen“.

„Weltweit haben Kleinproduzenten, die Kaffee, Tee, Reis und andere Produkte unseres täglichen Bedarfs herstellen, mit dramatischen Umsatzeinbußen wegen der Corona-Krise zu kämpfen.“ (Christoph Albuschkat)

Das kann nicht jeder Kleinbauer im Globalen Süden sagen. Im Gegenteil: Viele Erzeuger trifft die Corona-Krise hart. „Weltweit haben Kleinproduzenten, die Kaffee, Tee, Reis und andere Produkte unseres täglichen Bedarfs herstellen, mit dramatischen Umsatzeinbußen wegen der Corona-Krise zu kämpfen“, sagt Christoph Albuschkat vom Weltladen-Dachverband. Textilien, Kerzen, Holzfiguren – etliche Werkstätten von Handelspartnern mussten ihren Betrieb schließen. Andere bleiben auf Ernten sitzen, „weil die Grenzen zu sind oder die Speditionen nicht arbeiten“, so Albuschkat. Wer durch den Lockdown Arbeit und damit Einkommen verliert, hat jetzt noch weniger Geld für Essen – oft in Regionen, in denen es weder -Ärzte noch Pfleger, geschweige denn Intensivbetten gibt.

Dennoch sind Erzeuger für den Fairen Handel wirtschaftlich häufig „deutlich besser dran als die Produzenten, die für den konventionellen Handel produzieren“, ist Albuschkat überzeugt. Diese wurden von Auftraggebern teilweise im Stich gelassen. Modeunternehmen hätten milliardenschwere Aufträge in Asien storniert, kritisiert die Initiative Lieferkettengesetz. Auch Fair-Handel-Importeure wie GEPA, El Puente oder WeltPartner haben durch die Pandemie mitunter Schwierigkeiten, die Ware in Deutschland abzusetzen, sagt Albuschkat. „Dennoch stornieren sie ihre Bestellungen nicht einfach; im Fairen Handel überlegen alle gemeinsam, wie sie miteinander am besten durch diese Krise kommen.“ GEPA-Sprecherin Brigitte Frommeyer etwa betont, „dass wir alle Bestellungen entgegennehmen“.

„Weil alle weltweit von der Pandemie betroffen sind, ist partnerschaftliches Handeln besonders wichtig.“ (Peter Schaumberger)

Dass Fair-Trade-Erzeuger in der Krise besser gewappnet sind als solche, die für den konventionellen Markt produzieren, liegt an den Besonderheiten des Fairen Handels. Er sieht für die meisten Produkte einen Mindestpreis vor. Durch die Corona-Krise ist der Preis für Kaffee an den Börsen zwar Anfang August auf 1,16 US-Dollar pro amerikanischem Pfund (0,45 Kilo) gefallen. Dennoch bekommen die Genossenschaften, deren Kaffee etwa mit dem Fairtrade-Siegel verkauft wird, für ihre Bohnen den Mindestpreis von 1,40 US-Dollar, für bio-fairen Kaffee sogar 1,90 US-Dollar.

Auch die faire Prämie, die sie neben dem Mindestpreis erhalten – im Fall von Kaffee 0,20 US-Dollar –, hilft den Erzeugern. Allein in Deutschland kamen 2019 über Verkäufe von Produkten mit dem Fairtrade-Siegel rund 38 Millionen Euro an Prämie zusammen. „Diese Prämien sind gerade in Corona-Zeiten extrem wichtig“, sagt Dieter Overath, Chef von Fairtrade Deutschland. „Die Kooperativen kompensieren damit derzeit Verdienstausfälle, finanzieren Hygiene- und Sanitärprojekte oder Nähkurse für Masken.“ Und die im Fairen Handel gezahlten Vorschüsse „sichern den Erzeugern zumindest ihre Grundversorgung“, sagt Anna-Maria Ritgen vom Importeur El Puente.

Auch die dritte Säule des Fairen Handels hilft den Produzenten in der Krise: „Weil alle weltweit von der Pandemie betroffen sind, ist partnerschaftliches Handeln besonders wichtig“, sagt GEPA-Chef Peter Schaumberger. In den meisten Ländern des Südens „sind Kleinbauern komplett auf sich selbst angewiesen“, betont Andrea Fütterer vom Forum Fairer Handel. „Sie benötigen die Stabilität des Fairen Handels jetzt mehr denn je.“

  • Aktion #fairwertsteuer: Die eingesparte Mehrwert-steuer wird über einen Fonds an Handelspartner weitergegeben. Infos unter www.weltladen.de
  • #StayHomeLiveFair: Solidaritätsaktion der World Fair Trade Organization. Infos unter www.wfto.com
  • Alle fair erzeugten Produkte und Fair-Anbieter finden sich im Ratgeber „Fair einkaufen – aber wie?“, Verlag Brandes & Apsel, 6. aktualisierte Auflage 2019.
  • Faire Woche: www.faire-woche.de. Infos unter www.strassenkind.de

Auslaufmodell Ausbeutung

Doch die Corona-Krise trifft auch die Handelspartner in Deutschland hart. „Alle an der Lieferkette beteiligten Akteure verzeichnen wirtschaftliche Einbußen“, sagt Albuschkat. „Einige Weltläden sind wieder bei den Vorjahresumsätzen, einzelnen droht aber die Schließung.“ Die GEPA rechnet für 2020 mit Umsatzeinbußen, Anfang August arbeitete fast jede und jeder Zweite kurz. Im April hat der Importeur wegen geschlossener Cafés oder Kantinen bis zu 70 Prozent weniger eingenommen und erst im Sommer manches durch die Supermärkte und den Onlineshop kompensieren können. Keine Absatzeinbußen meldet nur Fairtrade-Chef Overath: Die Produkte mit dem grün-blauen Siegel werden überwiegend im Supermarkt verkauft – „und die Läden blieben ja offen“.

Ob der Faire Handel 2020 wieder zu seinen alten Umsätzen zurückfindet, ist offen. Überall ist der Ruf nach weniger Globalisierung und mehr regionalen Produkten zu hören. Allerdings: „Kaffee kann man nun mal nicht in Europa anbauen“, so Albuschkat. „Mittelfristig wird der Faire Handel gestärkt aus der Krise hervorgehen“, ist er überzeugt. Oder wie es Fairtrade-Chef Overath ausdrückt: „Wenn Ausbeutung schon vor Corona ein Auslaufmodell war, dann gilt das erst recht nach Corona.“