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Menschenrecht auf Bildung beim Weltsozialforum

Am ersten Veranstaltungstag des Weltsozialforums hat die GEW auf dem Campus der Al Manar Universität in Tunis gemeinsam mit anderen Bildungsgewerkschaften aus Europa und Afrika zwei Veranstaltungen zu den Themen Kinderarbeit und Recht auf Bildung für Flüchtlingskinder durchgeführt.

Fotos: Manfred Brinkmann

Das Weltsozialforum (WSF) in Tunis hat begonnen. Tausende Menschen werden in den kommenden Tagen an den über 1.000 Veranstaltungen an der Al Manar Universität teilnehmen. Die erste Veranstaltung der GEW war heute früh am Morgen im ersten Zeitfenster um 8:30 Uhr. Es zeigte sich schnell: Dieses WSF ist besser organisiert als das letzte vor zwei Jahren in Tunis. Da das Programm samt Raumzuweisung schon seit ein Tagen bereit lag, war das gewohnte Chaos bei der Suche nach den Veranstaltungen diesmal nicht so groß.

Kinderarbeit und Armut

So fing die gemeinsame Veranstaltung von GEW und Friedrich-Ebert-Stiftung zu Kinderarbeit zwar etwas verspätet an, aber dies im akzeptablen Rahmen. Als erster Redner stellte Noël Rouamba von unserer befreundeten Lehrergewerkschaft F-SYNTER aus Burkina Faso die Situation in seinem Land dar. Offiziell, so stellte er heraus, gäbe es gar keine Kinderarbeit in dem westafrikanischen Staat. Praktisch sähe die Situation allerdings ganz anders aus.

Obwohl in Burkina Faso seit 2007 Schulpflicht für Kinder besteht, gibt es eine hohe Zahl arbeitender Kinder, die nicht zur Schule gehen. Probleme wie Armut und ungleiche Verteilung von Reichtum führen indirekt zu Kinderarbeit, da die Kinder auch für den Unterhalt der Familien sorgen müssen. Viele Kinder würden in den Goldminen des Landes arbeiten. Mädchen seien bei dieser gesundheitsschädlichen Arbeit zusätzlich noch sexuellen Übergriffen, Vergewaltigungen und Erniedrigung ausgesetzt. In manchen Regionen würde die Hälfte der schulpflichtigen Kinder in Goldminen arbeiten. Die Gewerkschaft unterstützt im Moment drei Projekte in der Hauptstadt des Landes, um arbeitenden Kindern die Möglichkeit auf Bildung zu geben.

Multinationale Konzerne verdienen an Kinderarbeit

In der Türkei gibt es nach offiziellen Zahlen der Regierung mehr als 800.000 arbeitende Kinder. Die Sprecherin Elif Çuhadar von Egitim Sen (unser Partnergewerkschaft in der Türkei) beschrieb das Problem der Kinderarbeit in der türkischen Landwirtschaft und insbesondere in der Haselnussproduktion. Siebzig Prozent der auf dem Weltmarkt gehandelten Haselnüsse stammen aus der Türkei und von diesen würde ein großer Teil von Kindern geerntet.

Schokoprodukte aus Kakao und Haselnüssen stehen zunehmend in der Kritik. Multinationale Schokoladenhersteller wie Ferrero würden mittlerweile immer häufiger auf Kinderarbeit angesprochen. Ausführlich wurde über mögliche Auswege und die Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure und staatlicher Institutionen im Kampf gegen Kinderarbeit diskutiert. Elif Çuhadar betonte, dass Kinderarbeit nicht nur als Problem des jeweiligen Landes betrachtet werden könne, sondern international bekämpft werden müsse.

Im nächsten Zeitfenster besuchten wir eine Veranstaltung, die die Beteiligung junger Menschen an den Rebellionen im arabischen Raum der letzten Jahren thematisierte. Die Redner aus Ägypten, Marokko und Palästina stellten die Wichtigkeit der Sozialen Medien für die Mobilisierung heraus. Deutlich wurde, dass die Proteste gerade von jungen Menschen getragen wurden und nicht von einer wie auch immer definierten Arbeiterbewegung. Diese gesellte sich erst später zu den Protesten. Für Ägypten war noch interessant zu erfahren, dass die Proteste im Land schon ein paar Jahre vor 2011 begannen. Nur wurden diese in der europäisch/westlichen Welt damals nicht wahrgenommen.

Türkische Bildungsgewerkschaft Egitim Sen unterrichtet Flüchtlingskinder

Am Nachmittag fand eine weitere GEW-Veranstaltung zum Thema “Recht auf Bildung für Flüchtlingskinder" statt. Ausführlich wurde von Ebru Yiğit von der türkischen Gewerkschaft Egitim Sen die Situation im Osten der Türkei dargestellt. Weit mehr als eine Million Menschen sind vor der Gewalt im syrischen Bürgerkrieg in die Türkei geflüchtet, wovon die Hälfte Kinder sind. Nur eine Minderheit von 220.000 Flüchtlingen ist in Lagern der Regierung untergekommen.

Als Problem stellt sich die sprachliche Barriere heraus. Egitim Sen unterstützt insbesondere kurdische Flüchtlinge, die keinen Zugang zu staatlichen Lagern haben und hat damit begonnen, selbst Zeltlager einzurichten und Flüchtlingskinder durch ehrenamtlichen Einsatz ihrer Mitglieder zu unterrichten. Die Bildungsgewerkschaft geht davon aus, dass auch in Zukunft weiterhin mit kriegerischen Auseinandersetzungen in der Region zu rechnen ist. Dies bedeutet, dass viele der Flüchtlinge wohl über Jahre nicht in ihre früheren Wohngebiete zurückkehren können. Aus diesem Grund plant sie in ihren Projekten langfristig.

Griechische Nazis machen Stimmung gegen Flüchtlinge

Giorgos Alevizakis von der Sekundarschullehrergewerkschaft OLME berichtete von der schwierigen Situation der Flüchtlinge in Griechenland, das selber unter Verarmung und einer Arbeitslosigkeit von 26 Prozent leidet. Dazu komme das Problem der extremen Rechten, die Stimmung gegen Flüchtlinge im Land macht.

Für OLME macht prinzipiell keinen Unterschied zwischen Flüchtlingen und Armutsmigranten. Griechenland mit seiner EU-Außengrenze komme eine besondere Rolle zu, da viele Flüchtlinge und Migranten über die türkisch-griechische Grenze versuchen in die Europäische Union zu gelangen. Immerhin gibt es in Griechenland ein Recht auf Schulbildung für minderjährige Flüchtlinge.
Ähnliche Probleme stellte der italienische Kollege Pino Patronchini von der Bildungsgewerkschaft FLC CGIL dar. Italien ist bekanntermaßen eines der Länder, in denen viele Flüchtlinge über das Mittelmeer in der EU ankommen. Gesetzlich würde es aber auch hier ein Recht von minderjährigen Flüchtlingen auf Schulbildung geben.