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Sozialpsychologie

Mächtige Feindbilder

Vorurteile und Feindbilder gehören zusammen. Rassistische Vorurteile sollen dazu führen, in Menschen mit anderer Herkunft oder Hautfarbe eine Bedrohung zu sehen: einen „Feind“ – gehasst und ausgegrenzt.

Foto: Pixabay / CC0

Wer Hass schüren möchte, braucht Feindbilder. Die wirksamsten Feindbilder fordern zur Handlung auf. Ein von Wut, Ekel und Verachtung geprägtes Bild eines Feindes, der „UNS unterwandert, unterdrückt oder vernichtet, wenn WIR IHN nicht abwehren oder vernichten“, drängt eher dazu, zu handeln, als ein weniger emotionales. Viele aktuelle Feindbilder haben tiefe historische Wurzeln. Soziologisch lassen sich Feindbilder auf gesellschaftliche Krisen und Konflikte zurückführen. Kulturwissenschaftlich prägen kulturelle Referenzrahmen und Mythen die Feindbilder.

Die Sozialpsychologie hat Studien vorgelegt, die zeigen, dass Feindbilder dann von Gesellschaftsmitgliedern adaptiert werden, wenn diese sich mit Gruppen identifizieren und die Übernahme von Feindbildern zur Selbstdefinition beiträgt. Reale wie imaginierte Gruppen stellen Feindbilder bereit, vermitteln sie an ihre Mitglieder und erzwingen Gehorsam gegenüber der Gruppe. Wer die Feinde nicht teilt, gehört nicht dazu. Es ist ein stabiler Befund, dass Nationalstolz und Ideologien, die auf Dominanz und Vorrechten der Bezugsgruppe beruhen, mit menschenfeindlichen Vorurteilen einhergehen.

Vorurteile im Sinne von generalisierten negativen Urteilen über andere sind Ausdrucksformen von Feindbildern. Wir untersuchen sie in der Bevölkerung als Elemente eines Syndroms der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“. Demnach sind Vorurteile wie rassistische Ideologien und Praktiken Ausdrucksformen einer Ungleichwertigkeitsideologie.

Feindbilder sind mehr als Vorurteile, aber das Vorurteil ist wichtig, um Feindbilder zu schaffen, die sich gegen eine Realitätsprüfung verschließen. Feindbilder werden von Gruppen konstruiert und variabel eingesetzt. Sie schaffen Unterwerfung und Zusammenhalt nach innen – und nach außen Abgrenzung sowie Hass gegen die anderen. Feindbilder können politisch oder populär sein, sie unterstellen den Anderen Immoralität; schreiben ihnen Bedrohungen wie „Überfremdung“ oder Kriminalität zu. Die Feinde werden als rechtlos markiert und von der imaginierten moralischen Gemeinschaft ausgeschlossen.

Sind Feindbilder in der Welt, dann prägen sie die Realitätswahrnehmung und verschaffen Macht, weil sie Hierarchien behaupten.

Die Facetten lassen erkennen, warum vorurteilsvolle Bilder vom Anderen für Gruppen nützlich sind: Sie befriedigen soziale Motive, die Menschen nur zusammen mit anderen erfüllen können. Sie stellen Zugehörigkeit her, erklären Zusammenhänge. Das Feindbild übt Einfluss auf andere aus – also Macht. Sind Feindbilder in der Welt, dann prägen sie die Realitätswahrnehmung und verschaffen Macht, weil sie Hierarchien behaupten. Sie schaffen Selbstwert. Durch die Abwertung erfahren Gruppen Aufwertung, und Gruppen stellen über Feindbilder Vertrauen her, indem sie Misstrauen markieren.

Wir untersuchen seit vielen Jahren zeitgenössische Menschenfeindlichkeiten. Je nach soziodemografischer Gruppe, Milieu und sozialer Lage sind die Facetten, Verbreitungen und Ursachen verschieden. Vorurteile unterliegen keinem einfachen Sündenbock-Abwertungsmechanismus, keinem einfachen Deprivationseffekt, nach dem ausgegrenzte und individualisierte Menschen andere abwerten, um selbst Anschluss zu finden. Auch eine einfache Anomie-These (Anomie: Desorientierung, weil bestehende Normen und Werte an Verbindlichkeit verlieren, Anm. d. Red.), der zufolge Orientierungslosigkeit anfällig macht, bildet sich in den Daten nicht ab.

Wir finden dagegen einen klassischen Mechanismus: Das Gefühl von Bedrohungen durch Außengruppen, die vermeintlich Identitäten und Ressourcen beanspruchen, sowie das Leitbild einer national homogenen Gesellschaft, die Gehorsam verlangt, machen alle Gruppen und Individuen anfällig für die Übernahme feindseliger Bilder. Feindbilder werden dann mächtig und bedeutsam, wenn Gruppen und Gesellschaften darauf Identitäten begründen und zur Durchsetzung ihrer Interessen jene Normen verschieben, die Feindbilder bremsen.

IKG-Direktor Andreas Zick. Foto: Universität Bielefeld