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Lehrerstreik in Portugal

Fast drei Wochen haben die Lehrerinnen und Lehrer in Portugal im Juni gegen höhere Arbeitszeiten und geplante Entlassungen gestreikt – mit Erfolg. Manuela Mendonça vom Vorstand der portugiesischen Lehrergewerkschaft FENPROF berichtete darüber beim Kongress der griechischen Lehrergewerkschaft OLME Anfang Juli in Athen.

Fotos: FENPROF

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

danke für die Einladung zu eurem Kongress. Es ist eine Ehre für mich, heute hier in Athen zu sein und die Gelegenheit zu haben, unsere gemeinsamen Erfahrungen und Sorgen mit euch zu teilen.
Unsere Situation in Portugal ist ganz ähnlich wie die in Griechenland. Zwei Jahre nach Beginn der Troika und trotz all der Opfer sinkt das Bruttosozialprodukt Portugals weiter, nach wie vor ist das Defizit viel höher als erwartet, und die Staatsschulden steigen. Gleichzeitig vergrößern die Kürzungen bei Gehältern, Renten und Sozialleistungen die soziale Kluft noch weiter. Die starke Zunahme der Arbeitslosigkeit ist der dramatischste Indikator der wirtschaftlichen Rezession und der wachsenden Unsicherheit und Armut der portugiesischen Gesellschaft.

Die drastischen Haushaltskürzungen verschlechtern die Arbeitsbedingungen von LehrerInnen und die Qualität der öffentlichen Bildung. Deren Auswirkungen sind auf verschiedenen Ebenen spürbar: Kürzung der Budgets von Schulen und Universitäten; Einschränkung von Lehrplänen an Schulen (weniger Stunden für Kunst, Technik, Laborversuche, Sozialkunde etc.); Schließung und Zusammenlegung von Schulen; größere Schulklassen; mehr Unterrichtsstunden; weniger Unterstützung für SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen; steigende Zahl von Abbrecher (besonders an den Hochschulen); eine drastische Reduzierung der Zahl der Lehrer. Offiziell erhöhte sich die Arbeitslosigkeit unter LehrerInnen zwischen 2009 und 2011 um 225 %. In diesem Jahr sind mehr als 30.000 Lehrer arbeitslos.

Trotz alledem werden weitere Sparmaßnahmen angekündigt, die insbesondere Beschäftigte im öffentlichen Dienst betreffen. Letzten Monat kündigte die Regierung eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 35 auf 40 an und eine mögliche Entlassung von Festangestellten. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf LehrerInnen wären dramatisch, sie würden nahezu alle noch verbliebenen Vertretungslehrerkräfte und Tausende von dauerhaft Beschäftigten mit Entlassung bedrohen. Die Regierung wollte LehrerInnen auch zwingen, an andere, Hunderte von Kilometern entfernte Schulen zu gehen.

In Anbetracht dieser Ankündigung haben sich alle Lehrergewerkschaften zusammengefunden und Kampfmaßnahmen vereinbart, zu denen auch ein mehrtägiger Streiks während der Klassenkonferenzen gehörten, bei denen die Beratungen über die Abschlusszeugnisse der Schüler stattfinden. Der Streik begann am 9. Juni 2013 und dauerte fast drei Wochen. Am 15. Juni fand eine Großdemonstration von mehr als 50.000 Lehrern in Lissabon statt, zwei Tage später, dem ersten Tag der landesweiten Prüfungen der Sekundarstufe 2, ein Generalstreik aller Lehrer und Forschungsangestellten.
Der Streik wurde von etwa neunzig Prozent der Lehrkräfte unterstützt und betraf nahezu 20.000 Schüler, die ihre Prüfung am 2. Juli wiederholen werden. Dies waren die härtesten Arbeitskampfmaßnahmen, die jemals von portugiesischen LehrerInnen ergriffen wurden, und sie haben das Thema Bildung ins Zentrum der öffentlichen Debatte gerückt. Vor dem Streik hatte unsere Regierung noch versucht, eine Mobilisierungsverfügung für die Lehrkräfte zu erwirken, um die Prüfungen zu gewährleisten, doch eine Schiedsstelle wies dieses Ansinnen zurück, da keine „dringende soziale Notwendigkeit“ gegeben sei.
Wie in Griechenland hat das portugiesische Bildungsministerium versucht, die öffentliche Meinung gegen LehrerInnen aufzubringen und sie beschuldigt, Schüler als „Geiseln“ zu nehmen. Doch es gab auch viele Menschen (darunter zahlreiche Eltern und Schüler), die den Kampf der Lehrerinnen und Lehrer zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze und für das öffentliche Bildungswesen unterstützten.
Nach 19 Tagen Streik war der Bildungsminister gezwungen, die Verhandlungen aufs Neue zu eröffnen und letzte Woche erhielten wir schließlich eine schriftliche Verpflichtungserklärung, die viele der Forderungen der Lehrkräfte positiv beantwortet.

Der Kampf der Lehrer wird nun von vielen in Portugal als Beispiel gesehen, dem andere Bereiche folgen sollen. Aber wir wissen auch, dass wir nur eine Schlacht gewonnen haben, nicht den Krieg. Unsere Regierung und die Troika sind jetzt dabei, eine sogenannte „Staatsreform“ vorzubereiten, die ernsthafte Folgen für die demokratische Organisation der Gesellschaft und für das Leben der Menschen haben werden. Am 27. Juni gab es einen Generalstreik, mit dem die Entlassung der Regierung und die Rücknahme der regressiven und rezessiven Politik gefordert wurden.

In Portugal, Griechenland, Spanien und vielen anderen Ländern wird jetzt zunehmend klarer, dass die Regierungen unter dem Druck der Finanzwelt und des Kapitals die Krise nutzen, um neoliberale Reformen durchzusetzen. Als Gewerkschafter können wir die Zwangsläufigkeit dieser Reformen nicht akzeptieren. Wir werden die Verschlechterung unserer sozialen Rechte nicht akzeptieren, für die hart gekämpft wurde und die wir von Generationen gewerkschaftlich und sozial engagierter Kolleginnen und Kollegen geerbt haben.

Die portugiesische Regierung besteht darauf, dass Portugal nicht Griechenland ist. Doch im Unterschied zu unserer Regierung wissen wir, dass wir diese Schlacht nicht allein gewinnen werden, sondern dass wir einem globalen Angriff auch global begegnen müssen. Die portugiesische Lehrergewerkschaft FENPROF hat sich stets für starke und sichtbare Aktionen auf europäischer Ebene gegen die Austeritätspolitik eingesetzt. Wir müssen effektiver werden wenn es darum geht, Druck auf unsere Regierungen und die europäischen Institutionen auszuüben, mit gemeinsamen Vorschlägen und Forderungen.

Unsere Regierungen beschneiden unsere Rechte, unsere Völker verarmen. Im Angesicht ihrer neoliberalen, unsozialen und bildungsfeindlichen Politik müssen wir uns zusammenschließen und Allianzen bilden mit anderen Akteuren und sozialen Bewegungen. Wir müssen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene als starke und koordinierte Gewerkschaften aktiv sein. Wir zählen auf euch, ihr könnt auf uns zählen. Nicht nur aus Solidarität, sondern weil euer Kampf unser Kampf ist.

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