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Coronapandemie

Kuscheln ohne Schutzanzug

Die Kita-Schließungen verändern das Verhältnis zwischen Trägern und Beschäftigten. Diese stecken im Zwiespalt zwischen größtmöglichen Öffnungen für die Kinder und deren Familien – und dem Gesundheitsschutz der Erzieherinnen und Erzieher.

Die Corona-Krise ist eine Belastung für Kinder, die auf die Veränderung ihrer Lebensumstände irritiert oder verunsichert reagieren. (Foto: Kay Herschelmann)

Mitten in der Corona-Krise hat Kita-Träger FRÖBEL Mut bewiesen und die Erzieherinnen und Erzieher nach ihrer Meinung gefragt. Als überregionaler Anbieter mit fast 4.000 Beschäftigten bekam die Führung bei diesem Stimmungstest deutlich Ängste gespiegelt. „40 Prozent der Beschäftigten plädierten dafür, die Notbetreuung so lange aufrecht zu erhalten, bis ein Impfstoff gefunden wird“, erzählt FRÖBEL-Geschäftsführer Stefan Spieker. Ein Ergebnis mit Konsequenzen. „Wir wollen natürlich Eltern in ihrer Not entgegenkommen und unseren Beitrag beim Hochfahren der Kitas leisten“, sagt Spieker. „Aber Politik, Verwaltung und Eltern müssen sich bewusst sein, dass die Fachkräfte in den Einrichtungen große Sorgen vor einer möglichen Ansteckung haben.“

Während in allen anderen Lebensbereichen mit 1,50-Meter-Abständen, Mundschutz und Desinfektion für Schutz gesorgt werde, könnten sich Erzieherinnen und Erzieher im Umgang mit jungen Kindern kaum abschirmen und schützen. Besonders kleine Kinder brauchten Nähe, keinen Abstand. „Kuscheln verträgt keinen Schutzanzug“, betont Spieker. „Mit dieser Situation müssen wir alle verantwortungsvoll umgehen und größtmögliche Vorsicht und Sicherheit beim Hochfahren walten lassen.“ Wichtig sei auch eine strikte Trennung der Gruppen. „Wenn Gruppen nicht eindeutig zueinander abgeschlossen sind, muss bei einem einzigen Infektionsfall eine ganze Einrichtung vorübergehend schließen“, warnt Spieker.

Gemessen an diesen Wünschen haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten bei ihren Corona-Lockerungen am 6. Mai einigermaßen Sorgfalt walten lassen. Lediglich die Notbetreuung solle durch flexible, stufenweise Erweiterungen ausgeweitet werden, lautete der Beschluss der Telefonkonferenz. Kinder wollten zwar wieder in ihr normales Leben zurück, aber: „Das dauert“, betonte Merkel vor der Presse. Bis zu den Sommerferien solle wenigstens jedes Kind am Übergang zur Schule noch einmal die Kita besuchen können. Einzelheiten regeln seither die Länder und preschen mitunter mit eingeschränktem Regelbetrieb vor.

Notbetreuung stößt an Grenzen

Maria Loheide, Vorständin für Sozialpolitik bei der Diakonie Deutschland, warnt daher vor einem bundesweiten Flickenteppich: „Für Familien muss transparent und nachvollziehbar sein, wie die nächsten Schritte aussehen.“ Die Öffnung der Kitas könne nur schrittweise erfolgen. „Die Frage ist, wann wir an Grenzen stoßen.“ Kolleginnen und Kollegen, die durch die Krise emotional und psychisch stark belastet sind, seien derzeit nur schwer einsetzbar. „Wir können nicht von heute auf morgen den Schalter umlegen“, sagt Loheide. Welche und wie viele Kinder eine Kita aufnehme und wie hoch man zugleich den Infektionsschutz bewerte, sei auch eine zentrale ethische Frage, die intensiv in der Diakonie mit Experten diskutiert werde.

Tatsächlich sind die Lockerungen in der Corona-Krise besonders für Kitas eine Wanderung auf einem schmalen Grat: Während viele Erzieherinnen und Erzieher eine Covid-19-Erkrankung fürchten, wollen andere Kolleginnen und Kollegen, dass ihre Einrichtungen allmählich wieder öffnen. Bei 36 Prozent der Fachkräfte in der FRÖBEL-Umfrage überwog nämlich die Angst vor Kurzarbeit. Zugleich aber hat FRÖBEL in einem Simulationsmodell gezeigt, dass man bei Kleingruppen mit bis zu zehn Kindern nur etwa die Hälfte der Kapazitäten anbieten könne.

„Bevor wir jemanden in Kurzarbeit schicken, lassen wir lieber fachfremde Aufgaben übernehmen.“ (Frank Jansen)

Drastische Maßnahmen wie Kurzarbeit, Zwangsurlaub und Veränderung des Arbeitsumfangs kamen für die Beschäftigten laut den Vorständen der freien Träger bisher aber höchstens in Ausnahmefällen vor. „Bevor wir jemanden in Kurzarbeit schicken, lassen wir lieber fachfremde Aufgaben übernehmen“, betont zum Beispiel Frank Jansen, Geschäftsführer des Verbandes Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK), der 8.000 katholische Kitas mit mehr als 100.000 Fachkräften vereint.

Tatsächlich können nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz „SodEG“, das wegen der Krise eilig verabschiedet wurde, Erzieherinnen und Erzieher auch für andere Aufgaben eingesetzt werden, die für die Bewältigung der Krise nötig sind. In der Praxis sei dies aber nicht der Fall, berichten die Verantwortlichen bei freien Trägern unisono. Denn unter Einnahmeausfällen leiden die freien Kita-Träger kaum, seit Länder und Kommunen in der Regel beschlossen haben, ausfallende Elternbeiträge zu übernehmen. Überstunden und Resturlaub aus dem Vorjahr mussten allerdings allerorten genommen werden.

Nach und nach kehren die Kinder in die Kitas zurück. Dort hat sich vieles verändert. Erzieherin Kathrin Gröning aus Mainz berichtet, wie gut Kinder mit der neuen Situation klarkommen, was ihnen schwerfällt und was sie genießen. //

  • E&W: Brauchen die Kinder nach so einer langen Pause wieder eine Eingewöhnung?

Kathrin Gröning: Nein, das nicht. Aber wir nehmen die Kinder am Anfang schon an die Hand, zeigen ihnen, was sich im Haus verändert hat, geben ihnen viel Nähe. Das Ende der Kita-Zeit kam für alle sehr plötzlich. Wir konnten die Kinder nicht darauf vorbereiten, uns nicht verabschieden. Das war ein Schlag. Die Mädchen und Jungen wurden lange zu Hause betreut, waren ihren Eltern ganz nah. Schrittweise kommen sie in die Kita zurück. Wie sie damit zurechtkommen, ist ganz unterschiedlich. Älteren Kindern fällt es leichter. Sie waren vorher schon lange im Kindergarten. Aber viel hängt auch davon ab, ob Bezugspersonen da sind. Wenn der beste Freund oder die beste Freundin freudestrahlend im Flur wartet, fällt der Start leichter.

  • E&W: Wie gut kommen die Kinder mit der neuen Situation klar?

Gröning: In den ersten Tagen finden sie alles noch spannend. Sie freuen sich, aus der häuslichen Enge rauszukommen – und sind froh, endlich wieder mit Kindern spielen zu können. Nach einiger Zeit merken sie, dass sich viel auch komisch anfühlt. Wie sie damit umgehen, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Einigen macht zu schaffen, dass sie sich im Haus nicht frei bewegen können. Andere vermissen Freunde oder vertraute Erwachsene, die nicht in der Notbetreuung sind. Aber generell gilt, dass Kinder unheimlich anpassungsfähig sind. Sie kommen recht schnell sehr gut mit den neuen Gegebenheiten zurecht.

  • E&W: Gibt es auch Vorteile?

Gröning: Klar, die Kinder haben viel mehr Platz und Ruhe. Wir beobachten, dass sie sich sehr konzentriert mit Dingen beschäftigen und lange basteln. Außerdem kommt auf die wenigen Kinder im Moment viel Personal. Pro Gruppe sind mindestens zwei Erwachsene im Einsatz. Dadurch gibt es viel mehr ungestörte Interaktionsmöglichkeiten. Die Mädchen und Jungen führen viele Gespräche in ruhiger Atmosphäre. Das ist sonst so oft gar nicht möglich.

  • E&W: Wie kommen die Kinder damit klar, Abstand halten zu müssen? Das fällt ja schon Erwachsenen schwer. Und was heißt das für die Erzieherinnen und Erzieher?

Gröning: Wir haben uns vorher Gedanken gemacht, wo es Sinn macht, die Abstandsregeln einzuhalten. Und wo es nicht geht. Beim Mittagessen achten wir zum Beispiel darauf, dass alle viel Platz haben. Bei Brettspielen besprechen wir gemeinsam, wie der Abstand eingehalten werden kann. Es gibt aber viele Situationen, in denen enger Kontakt nicht zu verhindern ist, etwa beim Wickeln oder Umziehen. Wir trösten die Kinder auch, klarer Fall. Alles andere wäre für eine gesunde Entwicklung nicht förderlich. Die Abstandsregeln lassen sich nur punktuell einhalten. Da sind wir realistisch. Deshalb ist wichtig, wer in der Notbetreuung arbeitet – und wie sich die Kolleginnen und Kollegen dabei fühlen.

  • E&W: Was nehmen die Kinder aus der Krise mit?

Gröning: Wir merken, dass sich die Entschleunigung positiv auf die Kinder auswirkt. Das Miteinander wird gestärkt. In den Notbetreuungsgruppen gibt es einen sehr guten Zusammenhalt. Auch wie die Mädchen und Jungen von der Zeit zu Hause erzählen, macht deutlich, dass sie diese Wochen als etwas Besonderes erlebt haben. Klar saßen Mama und Papa oft am Computer, aber sie waren immer da. Für die Kinder war diese Zeit auch eine wertvolle Erfahrung.

Interview: Kathrin Hedtke, freie Journalistin

In den Kitas der Kommunen war die Lage mitunter anders: „Einige Beschäftigte, die sonst in der Kinderbetreuung in kommunaler Trägerschaft arbeiten, haben zum Beispiel andere Aufgaben in der Jugendhilfe übernommen“, berichtet Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages auf Anfrage. Sie wurden etwa als Unterstützung für die Telefonhotlines der allgemeinen sozialen Dienste eingesetzt, die Familien Hilfen zur Erziehung anbieten. „Hier gab es während der Kontakteinschränkungen durch Corona erhöhten Bedarf“, so Dedy.

Bei den schrittweisen Lockerungen werde es nun eine besondere Herausforderung für das Personal, neue Betreuungssettings zu organisieren – zum Beispiel, dass Kinder tageweise abwechselnd die Kitas besuchen. Wegen der Abstandsregeln müssten nicht nur Gruppen neu aufgeteilt, sondern auch Essens- und Spielzeiten abgestimmt und Betreuungszeiten angepasst werden. „Das erfordert von den Erzieherinnen und Erziehern viel Flexibilität und Einsatzkraft“, sagt Dedy.

„Auch wenn eine schrittweise Öffnung der Kitas aus pädagogischen Gründen sinnvoll und notwendig ist, brauchen die Träger Zeit, sich auf den Infektionsschutz und veränderte pädagogische Konzepte vorzubereiten.“ (Björn Köhler)

Tatsächlich stößt die Notbetreuung in Kleingruppen von fünf bis zehn Kindern personell an ihre Grenzen. „Ein erheblicher Teil des Personals zählt zu den Risikogruppen“, betont Björn Köhler, GEW-Vorstand für Jugendhilfe und Sozialarbeit. „Fast 30 Prozent der Fachkräfte sind aktuell über 50 Jahre alt.“ Hinzu kämen Kolleginnen und Kollegen mit Vorerkrankungen oder mit Risikopersonen in der Familie. „Diese Menschen können nicht für eine Betreuung herangezogen werden“, sagt Köhler. In 22 Prozent der Teams sei sogar mindestens die Hälfte des Personals über 50 Jahre alt. „Dort dürfte selbst ein reduzierter Betrieb schwierig werden.“

Köhler legt zudem Wert auf ein paar Feststellungen zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Gefährdungsbeurteilungen des Arbeitsplatzes müssten an die Pandemie angepasst werden und die verstärkten Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten sichergestellt sein, ohne sie den Fachkräften zusätzlich aufzubürden. Betriebsschließungen und Kurzarbeit oder andere arbeitsrechtliche Schritte bedürften der Zustimmung des Betriebsrats. „Auch wenn eine schrittweise Öffnung der Kitas aus pädagogischen Gründen sinnvoll und notwendig ist, brauchen die Träger Zeit, sich auf den Infektionsschutz und veränderte pädagogische Konzepte vorzubereiten“, sagt Köhler. „Diese Zeit müssen Politik, Wirtschaft und Familien ihnen lassen.“ Dabei könne es keine bundesweit einheitlichen Antworten geben, sondern nur lokale Lösungen zusammen mit den Gesundheitsbehörden.

Nach und nach werden die Kitas wieder geöffnet. Von einem Normalbetrieb wie vor der Corona-Pandemie kann allerdings nicht die Rede sein. (Foto: Christoph Boeckheler)

Zu wenig Platz

Neben den Personal-Engpässen reichen irgendwann auch die Räume nicht mehr aus. „In vielen unserer Mitgliedseinrichtungen werden bereits zusätzliche Kapazitäten organisiert, etwa in Pfarrhäusern und auf umliegenden Spiel- und Sportplätzen“, erzählt Jansen. Zudem empfiehlt der KTK-Bundesverband, Mitarbeitende in Teilzeit, Elternzeit oder im Ruhestand für eine Unterstützung zu gewinnen – ebenso wie zusätzliche Kräfte wie Tagespflegepersonen, Studierende pädagogischer Studiengänge, Babysitter, FSJler und BuFDis*.

Bei der Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und Bedürfnissen der Gesellschaft habe für den katholischen Verband zunehmend die Solidarität mit den Familien Priorität – besonders bei Kindern, die aus prekären Lebenssituationen kommen oder erhöhten Förderbedarf haben. „Neben dem Infektionsgeschehen müssen wir zwingend wieder die Belastungen der Familien und die Entwicklungsbedarfe der Kinder in den Blick nehmen“, sagt Jansen.

Viele Kinder sitzen seit Wochen zu Hause, dürfen nicht mit Freunden spielen, keine Großeltern treffen. Die Bochumer Professorin für Kinder- und Jugendpsychologie, Silvia Schneider, erklärt, was Kindern besonders zu schaffen macht – und warum die Krise sie stärken kann.

  • E&W: Das Corona-Virus verändert den Alltag enorm. Wie sehr setzt Kindern die Situation zu?

Silvia Schneider: Kinder erleben eine deutliche Veränderung ihrer Lebensumstände, auch merken sie, dass ihre Eltern vielleicht angespannt sind. Das irritiert sie erst einmal. Das geht uns Erwachsenen auch so, wenn sich Dinge verändern – insbesondere, wenn Sorge oder Stress damit verbunden ist. Wenn Kinder also mit Verunsicherung reagieren, ist das völlig normal. Es wäre sogar eher komisch, wenn sie das nicht tun würden. Das würde bedeuten, dass sie keine Antennen dafür haben, was um sie herum passiert.

  • E&W: Einige Kinder sind todunglücklich, andere genießen die Zeit zu Hause. Wovon hängt es ab, wie gut sie mit den Einschränkungen klarkommen?

Schneider: Das ist sehr unterschiedlich und hängt stark von der Familie ab – zum Beispiel, ob Kinder alleine sind oder Geschwister haben. Gibt es zu Hause einen Spielpartner, können sie die Situation leichter bewältigen. Hinzu kommt: Was bringt das Kind von seiner kleinen Persönlichkeit her mit? So hat es ein Kind schwerer, das viel Bewegung und Abwechslung braucht, aber mit seinen Eltern in einer kleinen Wohnung lebt. Generell gilt: Die meisten Mädchen und Jungen können erstaunlich gut damit umgehen. Vorausgesetzt, dass Eltern sie auffangen, mit ihnen reden und die Situation altersgerecht erklären.

  • E&W: Auch in der Kita ist vieles anders als sonst: Die Kinder sind in kleine Gruppen eingeteilt, können sich nicht frei im Haus bewegen. Was macht das mit ihnen?

Schneider: Auch hier gilt, dass Kinder erst einmal irritiert sind. Erzieherinnen können helfen, indem sie die Situation nachvollziehbar machen. Oft wird unterschätzt, was Kinder schon verstehen können. Und gerade beim Corona-Virus ist ihnen das Thema nicht völlig neu: Sie wissen aus der Kita, dass es ansteckende Krankheiten gibt und Kinder deswegen zu Hause bleiben müssen.

  • E&W: Wie schwer fällt es Mädchen und Jungen, auf Abstand zu bleiben?

Schneider: Schulkinder können es versuchen, aber im Kindergartenalter ist das schwierig. Kitas werden sich darauf einlassen müssen, dass die Abstandswahrung nicht immer konsequent eingehalten werden kann. Je jünger die Kinder, desto mehr brauchen sie körperliche Nähe. Allerdings ist es auch nicht so wild, wenn die Erzieherinnen ihnen jetzt eine Weile nicht ständig so nah sind, sondern der Körperkontakt den Eltern vorbehalten bleibt. Wichtig ist, die Gründe dafür gut zu erklären – und eine Perspektive zu vermitteln, klar zu machen: So wird es nicht auf Dauer bleiben. 

  • E&W: Was gibt Kindern jetzt Sicherheit?

Schneider: Viele Eltern denken, dass sie über schwierige Themen besser nicht mit ihrem Kind reden. Sie fürchten, das könnte zu traumatisch sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Kinder können weniger gut damit leben, wenn sie merken, irgendetwas ist los, aber niemand traut sich, mit ihnen darüber zu sprechen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Mädchen und Jungen zum Teil zu sehr in Watte gepackt werden. Aber wir können unseren Kindern etwas zumuten. Und das müssen wir auch. Wichtig ist, sie aktiv einzubeziehen. Dadurch können Kinder gestärkt werden.

  • E&W: Inwiefern?

Schneider: Meine Botschaft lautet: Kinder müssen Krisen erleben, um Selbstwirksamkeitserfahrungen zu machen. Kinder merken: „Hey, das war schwierig, aber ich habe nicht aufgegeben – und es geschafft!“ Eine Krise gemeistert
zu haben, ist ein Wahnsinnserlebnis. Auch für uns Erwachsene. Das sollten wir unseren Kindern auch ermöglichen. Zumal sie im Normalfall eine Familie haben und meistens auch Erzieherinnen, die diese Situation gemeinsam mit ihnen tragen.

  • E&W: Doch was tun, wenn die sozialen Kontakte gerade jetzt so fehlen?

Schneider: Manche Mädchen und Jungen können sich auf Videochats einlassen und skypen mal mit Oma. Wer so etwas nicht mag, kann ein Bild malen und der Freundin schicken. Oder zusammen einen Brief schreiben. Das ist ja auch etwas Schönes: gemeinsam in diesen Zeiten neue Wege des Miteinander auszuprobieren.

Interview: Kathrin Hedtke, freie Journalistin

 

Digitalpakt Kita

In den ersten Wochen offenbarte das Herunterfahren der Kitas auch Vorteile für die inhaltliche Arbeit: Die Beschäftigten, die nicht in der Notbetreuung eingesetzt waren, hätten viel Zeit in die Fortentwicklung der Konzepte und des Qualitätsmanagements investiert, erzählt Jansen. „Wir frischen Dokumentationen auf und überarbeiten Prozesse. Viele Erzieherinnen haben auch Familien besucht oder Kontakte zu Kindern über den Kita-Zaun gehalten.“ Eine der Lehren aus der Corona-Zeit sei indes ein dringend nötiger Ausbau der digitalen Kita-Ausstattung. „Wir brauchen neben dem Digitalpakt Schule dringend einen Digitalpakt Kita.“

FRÖBEL hat bereits Fakten geschaffen und für seine knapp 200 Kitas 600 zusätzliche Tablets vor allem zum Verleih an Familien angeschafft, erzählt Geschäftsführer Spieker. Und nicht nur das: Wo Räume renoviert wurden, haben Erzieherinnen für die Kinder virtuelle Führungen durch die neu gestalteten Zimmer veranstaltet, sie haben auf dem hauseigenen YouTube-Kanal Kochstunden mit dem Kita-Koch hochgeladen und Online-Sprachförderung für Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache angeboten. Zudem haben die Erzieherinnen und Erzieher zunehmend neue Onlineseminare mit Partnern wie dem „Haus der kleinen Forscher“ genutzt.

Die Diakonie hat fast alle ihrer mehr als 9.000 Kitas offengehalten und Notbetreuung organisiert, erzählt Vorständin Loheide. Viele Kinder hätten die intensive Betreuung in kleinen Gruppen sehr genossen. Die Hygieneregeln könne man mit ihnen auch spielerisch lernen. Kolleginnen und Kollegen, die nicht in der Notbetreuung sind, halten derweil über Anrufe und Mails Kontakt zu Familien und nutzen Zeit für konzeptionelle Arbeit: „Wir bemängeln oft, dass nicht genügend Zeit für inhaltliche Arbeit ohne Kinder ist – das ist nun möglich.“

* FSJ: Freiwilliges Soziales Jahr, BuFD: Bundesfreiwilligendienst

Kathrin Gröning (Foto: Rainald König)
Prof. Dr. Silvia Schneider (Foto: privat)