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Zukunft Europas gestalten

Kongress der europäischen Bildungsgewerkschaften in Athen

Delegierte von über 130 Bildungsgewerkschaften waren Ende November 2018 nach Griechenland gereist, um über die Zukunft Europas und die Rolle von Gewerkschaften im Bildungswesen zu beraten.

Gewerkschaften im Bildungswesen
Mehr als 300 Delegierte und Gäste aus 51 Ländern Europas und Zentralasiens waren vom 26. – 28. November 2018 in der griechischen Hauptstadt zusammengekommen, um unter dem Titel "Die Zukunft Europas gestalten: Die Rolle der Gewerkschaften im Bildungswesen" zu diskutieren und Beschlüsse zu fassen. Dicht zusammengedrängt an runden Tischen saßen die Delegierten im  Konferenzraum des Wyndham Hotels in Athen bei der alle zwei Jahre stattfindenden EGBW-Konferenz europäischer Bildungsgewerkschaften. Das Europäische Gewerkschaftskomitee für Bildung und Wissenschaft, (EGBW, engl. ‚European Trade Union Committee for Education‘, ETUCE) ist eine Regionalorganisation der Bildungsinternationale, dem Dachverband von rund 400 Bildungsgewerkschaften weltweit.  Die GEW war durch Marlis Tepe, Andreas Keller, Frauke Gützkow, Gesa-Bruno Latocha und Manfred Brinkmann in Athen vertreten.

Sparpolitik auf dem Rücken griechischer Lehrkräfte
Nikiforos Konstantinou, Vorsitzender der griechischen LehrerInnengewerkschaft OLME, sieht in der Entscheidung für den Veranstaltungsort Athen ein Zeichen der Solidarität mit den krisengeplagten griechischen Lehrkräften. Eindringlich beschrieb er in seiner Begrüßungsrede die Auswirkungen der Austeritätspolitik für die Beschäftigten im griechischen Bildungswesen: „Die Zahl der Lehrkräfte ist seit Beginn der Krise um 30 Prozent gesunken, die Gehälter wurden um ein Drittel gekürzt. Viele Lehrerinnen und Lehrer erhalten nur noch befristete Arbeitsverträge. Rund 40 Prozent müssen in bis zu fünf verschiedenen Schulen unterrichten.“  Dies, so Konstantinou, sei das Gegenteil von guter Bildung. Die Sparpolitik gehe auf Kosten der Kinder und müsse beendet werden.

„Die Zukunft der Demokratie ist Europa“
David Edwards, Generalsekretär der Bildungsinternationale, hob angesichts des weltweiten Vormarsches rechtspopulistischer Parteien und Regierungen die Bedeutung eines starken, demokratischen Europas hervor. „Die Vereinigten Staaten von Amerika sind in einer Identitätskrise und flirten mit rücksichtslosen, autoritären Populisten“, so der US-Amerikaner Edwards. Und Brasilien habe mit Bolsonaro einen Präsidenten gewählt, der dem philippinischen Autokraten Duterte nacheifern will. „Die Zukunft der Demokratie, die Zukunft der Solidarität ist Europa“, gab sich Edwards überzeugt.

Demokratie braucht gute Bildung
Für die EGBW-Präsidentin Christine Blower aus dem Brexit-Land Großbritannien ist es ein Widerspruch, wenn allgemein zwar anerkannt wird, dass Bildung für die Entwicklung gerechter und demokratischer Gesellschaften von zentraler Bedeutung sei, während gleichzeitig in vielen europäischen Ländern Pädagoginnen und Pädagogen schlecht bezahlt werden und die Ungleichheiten beim Zugang zu Bildung immer größer werden.  Blower unterstrich die Bedeutung ausgebildeter Fachkräfte für eine gute Bildung. "Die Achtung des Status von Lehrern und Erziehern und die Anerkennung von Gewerkschaften im Bildungsbereich sind wesentliche Elemente einer qualitativ hochwertigen Bildung und der Demokratie selbst“, so die EGBW-Präsidentin.

Sozialer Dialog muss wirksam sein
In sieben Entschließungen und zahlreichen Diskussionsbeiträgen forderten die Delegierten mehr öffentliche Investitionen in Bildung, einen wirksamen sozialen Dialog von Arbeitgebern und Gewerkschaften, gute Arbeitsbedingungen für ErzieherInnen, Lehrkräfte und WissenschafterInnen sowie Gleichstellung und Chancengerechtigkeit im Bildungswesen. Breite Unterstützung fand eine von der russischen Bildungsgewerkschaft EDUPROF eingebrachte Entschließung, die sich mit der Situation von Studierenden und jungen Lehrkräften beschäftigt. Viel solidarischen Applaus erhielt Özgür Bozgadan, Generalsekretär der türkischen Bildungsgewerkschaft Egitim Sen, für seinen Redebeitrag zu einer Entschließung über akademische Freiheit.

Freiheit von Forschung und Lehre bedroht
Özgür kritisierte die fortgesetzten Entlassungen und Kriminalisierungen von kritischen WissenschaftlerInnen in der Türkei und eine zunehmende Einschränkung der akademischen Freiheit, obwohl der Ausnahmezustand inzwischen aufgehoben sei.  Andreas Keller, stellvertretender GEW-Vorsitzender und gleichzeitig EGBW-Vizepräsident, sieht die akademische Freiheit in Hochschule und Forschung auch durch prekäre Arbeitsverhältnisse bedroht: „An deutschen Hochschulen sind neun von zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ohne Professur nur befristet beschäftigt. Das bleibt nicht ohne Folgen. Die ständige Angst um den Arbeitsplatz ist eine Gefahr für freie Forschung und Lehre.“ Keller forderte die Lehrkräfte an Schulen zur Solidarität mit den wissenschaftlich Beschäftigten an Hochschulen auf, von denen sie zu Recht eine gute Ausbildung erwarten könnten.