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Tarif- und Beamtenpolitik in der Coronakrise

Klatschen reicht nicht

In diesen schwierigen Corona-Zeiten sind die Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu einem zentralen Thema in der Gesellschaft und in den Bildungseinrichtungen geworden. Und was macht das Tarifgeschäft im öffentlichen Dienst?

Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie unverzichtbar die Tätigkeit der Beschäftigten in Kitas und Schulen ist. Die Gehälter müssen steigen und zwar dauerhaft. (Foto. Karin Just)

Ohne Corona wären wir jetzt in der entscheidenden Phase der Tarifverhandlungen im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst (SuE), wir wären schon mitten in der Diskussion um die richtigen Forderungen für die allgemeine Einkommensrunde für den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Bund/Kommunen und unmittelbar in der Vorbereitung der Mobilisierung für etwaige Streiks nach der Sommerpause. Doch das -Virus hat uns ausgebremst. Andere elementare Dinge stehen im Vordergrund. Mit Solidarität sind wir durch die „heiße Phase“ der Corona-Zeit gekommen. Mit Solidarität müssen wir auch die Nach-Corona-Zeit bewältigen. Dies wird aber nicht einfach, denn die Verteilungskämpfe werden eine neue Dimension annehmen. Es weht uns schon jetzt ein scharfer Wind entgegen rund um die Frage, wer die Krise und deren Folgen bezahlt.

Gleichzeitig gibt es eine große Erwartungshaltung. Gerade jetzt braucht es ein deutliches Signal der Anerkennung für die Leistungen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie unverzichtbar dieser ist. Die Gehälter müssen steigen – und zwar dauerhaft.

Kommunale Arbeitgeber mauern

Am 16. Juni sind die Sondierungsgespräche über den zeitlichen Ablauf der Tarifrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen ohne Ergebnis beendet worden. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) machte den Verzicht der Beschäftigten auf Lohn zur Vorbedingung, die Tarifrunde zeitlich nach hinten zu verschieben. Die Arbeitgeber wittern die Chance, den Arbeitnehmern die Kosten der Krise aufzubürden. Dagegen müssen sich Beschäftigte und Gewerkschaften wehren. Daher haben die Gewerkschaften beschlossen, die TVöD-Entgelttabellen zum 31. August 2020 zu kündigen.

Streiks und politischer Druck nötig

Die Bildungsgewerkschaft steigt jetzt in die Forderungsdiskussion und Mobilisierung der Mitglieder ein. Schon am 1. September startet die erste Verhandlungsrunde zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Die Vorbereitung der Tarifrunden im öffentlichen Dienst ist nicht trivial. Die Herausforderung: die Balance zwischen Übervorsicht und Übermut zu finden. Doch haben die Gewerkschaften Erfahrung damit, in ökonomisch schwierigen Situationen Tarifrunden zu führen. Ich erinnere – als jemand, der aus den östlichen Bundesländern stammt – daran, dass sie wissen, wie man auch in Zeiten eines allumgreifenden Transformationsprozesses Tarifpolitik betreiben kann und muss: In Zeiten von Massenarbeitslosigkeit und den Brüchen in den Biografien vieler Menschen, knapper Kassen und dem Nachholbedürfnis gegenüber dem Westen wurde trotzdem versucht, die Angleichung Ost und West und die allgemeinen Tariferhöhungen umzusetzen.

Ohne Streiks ging das nicht. Ohne politischen Druck ebenso wenig. Ginge es nach den Arbeitgebern, wäre nie der richtige Zeitpunkt für eine Tariferhöhung: In guten Zeiten soll für schlechte gespart werden, Schuldenabbau, Schuldenbremse, Schuldentotschlagsargumente – in schlechten Zeiten sei ohnehin nichts zu verteilen, kein Schluck aus der Pulle drin. Doch dem werden Gewerkschaften und Beschäftigte ihre Stärke entgegensetzen – und dies mit einer klaren Botschaft: Wir sind bereit, wir sind handlungsfähig, wir ducken uns auch in schwierigen Zeiten nicht weg.

Fazit: Klatschen allein reicht nicht. Doch auch die Frage der Durchsetzungsfähigkeit muss ehrlicherweise in den Blick genommen werden. Und da gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Organisationsgrad einer Gewerkschaft in Betrieben, der Streikfähigkeit und dem Tarifergebnis. Zum Mut gehört daher auch: die Kolleginnen und Kollegen direkt am Arbeitsplatz, in der Einrichtung, auf dem Nachhauseweg persönlich anzusprechen: „He, jetzt ist es höchste Zeit, Gewerkschaftsmitglied zu werden. Solidarität ist das Gebot der Stunde!“