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Klares Nein zu "Schultrojanern"

Die GEW lehnt Entwicklung und Einsatz von Spionagesoftware zum Aufspüren von digitalisierten Printmedien auf Schulcomputern entschieden ab. Stattdessen fordert sie einen Rechtsrahmen, der die Verwendung von Materialien für den Unterricht auch in digitalisierter Form sicher und nutzerfreundlich regelt.

Im Dezember 2010 haben sich Verwertungsgesellschaften, Schulbuchverlage und Länder vertraglich darauf verständigt, in welchem Umfang und in welcher Weise herkömmliche Kopien von Werken für den Unterrichtsgebrauch an Schulen erstellt und genutzt werden können. Um etwaige Urheberechtsverletzungen feststellen und ahnden zu können, enthält der Vertrag auch die Verpflichtung, eine Software – den sogenannten "Schultrojaner“ – einzusetzen, die Speichermedien an Schulen auf unerlaubt digitalisierte Text-, Bild- und Tondokumente hin untersucht.

In einem Beschluss vom März 2012 lehnt der Koordinierungsvorstand der GEW Entwicklung und Einsatz einer solchen Software ab: Sie dient falschen Zielen und kann nicht ohne die Verletzung von Rechten insbesondere der Beschäftigten an den Schulen realisiert werden.

Die GEW bezweifelt, dass es möglich ist, eine praxistaugliche Software zu entwickeln, die ausschließlich die Funktion erfüllt, ohne Zustimmung der Rechteinhaber gescannte Dokumente auf Speichersystemen an Schulen aufzuspüren, ohne dabei gegen datenschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen oder Maßnahmen der Schulen gegenüber ihren Beschäftigten einzuleiten, die diese zu Unrecht dem Vorwurf aussetzen, gegen urheberrechtliche Bestimmungen verstoßen zu haben.

Lehrkräfte nicht unter Generalverdacht stellen

Statt die Beschäftigten an den Schulen auszuforschen und sie unter Generalverdacht zu stellen, sollte ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der es den Lehrkräften erlaubt, ihrer Tätigkeit ohne rechtliche Risiken nachzukommen und dabei alle relevanten Unterrichtsmaterialien, Schulbücher, andere Printmedien, Bild- und Tonmaterial, elektronische Unterrichtsmittel sowie digitalisiertes Print-, Ton- oder Bildmaterial nutzen und im Unterricht einsetzen zu können.

Der bereits bestehende Vertrag soll nach dem Willen der Bildungsgewerkschaft entsprechend modifiziert, erweitert oder neu verhandelt werden. Bis zu einer umfassenden rechtlichen Regelung fordert die GEW von den Ländern, auf alle Maßnahmen zu verzichten, die an Schulen pädagogische und rechtliche Unsicherheit oder bürokratischen Aufwand erzeugen. Lehrmitteletats und Mittel für Rechteabgeltungen müssten so aufgestockt werden, dass die Lehrkräfte ihren pädagogischen Aufgaben in einem rechtssicheren Rahmen nachkommen könnten.

Darüber hinaus fordert die GEW Kultusministerkonferenz (KMK) und Kultusministerien auf, beim weiteren Vorgehen einbezogen zu werden und die Mitbestimmungs- und Informationsrechte der Beschäftigten zu gewährleisten.


Info:
Mit dem "Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG“ vom 21. Dezember 2010 (Gesamtvertrag) haben sich die Verwertungsgesellschaften, die Schulbuchverlage und die Länder darauf verständigt, in welchem Umfang und in welcher Weise herkömmliche Kopien von Werken gemäß § 53 UrhG erstellt und genutzt werden können.

Hintergrund dieser Regelung war die zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene Reform des Urheberrechts. Im Zuge der Reform wurde § 53 Abs. 3 Satz 2 UrhG neu eingefügt. Danach ist die "Vervielfältigung eines Werkes, das für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt ist, (…) stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.“

Die Rechte der Schulbuchverlage wurden dadurch enorm gestärkt: Bis zur Neuregelung konnten auch aus Schulbüchern "kleine Teile“ eines Werkes oder "Werke von geringem Umfang“ wie jede andere Publikation für den Unterrichtsgebrauch kopiert werden, nun müssen die Rechteinhaber einwilligen. Diese Einwilligung wurde mit dem Gesamtvertrag geregelt: Die Länder zahlen jährlich eine pauschale Abgeltung (2011: 7,3 Mio. Euro; 2014: 9 Mio. Euro).

Hinzu gekommen ist darüber hinaus eine Regelung, die es an Schulen generell verbietet, Werke ohne Zustimmung im Einzelfall zu digitalisieren. Um die Einhaltung dieser Regelung zu gewährleisten, wurde zugleich die Verpflichtung geschaffen, eine Software, den so genannten "Schultrojaner“, einzusetzen, die Ergebnisse auszuwerten und zur Verfolgung von Urheberrechtsverstößen zu verwenden. Der Gesamtvertrag unterstellt damit, dass an Schulen in größerem Umfang eingescannte Unterrichtsmaterialien in Umlauf sind, die dazu führen, dass beispielsweise ein Schulbuch nur noch einmal angeschafft, eingescannt, mit einem Mausklick bundesweit verbreitet und anschließend massenhaft ausgedruckt wird.

Das eigentliche Problem ist die finanzielle Unterausstattung der Schulen und insbesondere die schlechte Versorgung mit Lehr-/Lernmitteln. Lehrkräfte sind jedoch angehalten, ihren Unterricht anschaulich und zeitgemäß – also auch unter Nutzung digitaler Materialien und Medien wie etwa Beamer und Whiteboards – vorzubereiten und durchzuführen. Durch den Gesamtvertrag und die geplante Scansoftware werden sie nunmehr der Unsicherheit ausgesetzt, sich permanent an rechtlichen Grenzen zu bewegen.