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Kinderarbeit – Was tun?

Trotz gesetzlicher Verbote ist Kinderarbeit in vielen Ländern noch immer weit verbreitet. Zahlreiche Produkte, die wir konsumieren, werden von Kindern hergestellt. „Was tun?“ fragte die GEW bei einer Veranstaltung auf der didacta in Stuttgart.

Fotos: Manfred Brinkmann, Julia Wilsch, Mehmet Ülger

Eher zufällig, so der niederländisch-türkische Filmemacher Mehmet Ülger, sei er bei einem Besuch in der Türkei auf Familien gestoßen, die mit ihren Kindern an der Schwarzmeerküste Haselnüsse pflückten. Aus dieser Begegnung ist ein Dokumentarfilm entstanden, in dessen Mittelpunkt das Mädchen Zara steht. Etwa fünfzig Personen sahen den Film ‚Türkische Kinder pflücken für uns Haselnüsse’ und verfolgten mit Interesse die anschließende Podiumsdiskussion im didacta Forum. Die neunjährige Zara lebt im armen Südosten der Türkei und fährt jedes Jahr mit ihren Eltern und Geschwistern tausend Kilometer nach Norden ans Schwarze Meer, um dort für mehrere Wochen in der Haselnussernte zu helfen und in improvisierten Zeltlagern zu leben. Während ihre Klassenkameraden zu Hause die Schule besuchen, pflückt Zara elf Stunden am Tag Haselnüsse.

„Die Menschen haben keine andere Wahl“, sagt Mehmet Ülger. „Armut und Arbeitslosigkeit zwingen sie, den Erntezyklen zu folgen und sich mit der ganzen Familie als Saisonarbeiter zu verdingen.“ Die Türkei ist weltweit der größte Produzent von Haselnüssen. Etwa zwei Milliarden $US nimmt das Land am Bosporus jährlich durch deren Export nach Europa und Übersee ein. Deutschland ist eines der wichtigsten Abnehmerländer. Der Großteil der Produktion geht in die Süßwarenindustrie und wird dort zu Schokolade und Haselnusscreme weiterverarbeitet. „Obwohl in der Türkei Schulpflicht besteht und Kinderarbeit gesetzlich verboten ist, müssen zehntausende Kinder in der Haselnussernte schuften, ohne dass der türkische Staat eingreift“, so Ülger. „Zara’s Eltern sind beide Analfabeten. Wenn das Mädchen nicht zur Schule gehen kann, ist schon jetzt absehbar, dass sie später das Schicksal ihrer Eltern teilen wird.“

Das ein Verbot von Kinderarbeit allein nicht ausreicht, um Kinder vor Ausbeutung zu schützen, bestätigte auch der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne, der im Februar in Indien war und arbeitende Kinder in Steinbrüchen besucht hat. „Wenn die Erwachsenen anständig bezahlt würden, müssten die Kinder keine Steine klopfen oder Nüsse pflücken“, so Thöne. „Und wo keine Schulen existieren oder Lehrkräfte mehr als hundert Kinder in einer Klasse unterrichten, ist es nicht verwunderlich, wenn Kinder arbeiten gehen.“ Die GEW will gegen Kinderarbeit aktiv werden und hat deshalb eine neue Stiftung ‚Fair Childhood – Bildung statt Kinderarbeit’ gegründet. „Wir wollen Projekte fördern, die arbeitenden Kindern eine Chance geben und ihnen den Schulbesuch ermöglichen“, beschreibt Thöne das Ziel der Stiftung. „Gleichzeitig wollen wir auch aufklären und in Deutschland Bewusstsein schaffen, damit Produkte aus Kinderarbeit geächtet werden.“