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Leistungssportförderung

„Keine Erfolgsmaschinen“

Die Liste erfolgreicher Sportler, die am Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern zur Schule gegangen sind, ist lang. Noch länger ist jedoch die derer, die keine Sportkarriere einschlagen. Für alle Schülerinnen und Schüler ist gute Bildung daher wichtig.

Jan Christmann, Leiter des Sportzweigs des Heinrich-Heine-Gymnasiums in Kaiserslautern / Foto: Tobias Schwerdt

„Wer behauptet, den Werdegang eines Talents bis hin zum Weltmeister voraussagen zu können, der lügt“, sagt Jan Christmann, Leiter des Sportzweigs des Heinrich-Heine-Gymnasiums (HHG). Das Gymnasium ist eine von bundesweit 43 Schulen, die das vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) verliehene Zertifikat „Eliteschule des Sports“ tragen. Von den aktuell 850 Schülerinnen und Schülern trainieren 330 in Sportklassen neben der schulischen Ausbildung für eine Leistungssportkarriere im Fußball, Badminton, Radsport, Tennis oder Judo.

Beispielsweise hat die mehrfache Bahnrad-Weltmeisterin und Olympiasiegerin Miriam Welte am HHG Abitur gemacht. Doch eine Karriere wie ihre ist eher die Ausnahme. „Wir vermitteln in jedem Aufnahmegespräch, dass es keine Garantie gibt für eine Karriere im Sport und es unabdingbar ist, sich eine Alternative durch Bildung zu erarbeiten“, sagt Christmann, der Sport und Mathematik unterrichtet und einst selbst erfolgreicher Basketballer war. 

Das Bewusstsein, große Verantwortung auch für diejenigen zu tragen, deren Traum vom erfolgreichen Sportlerleben in der Zeit zwischen Pubertät und Erwachsenwerden platzt, ist in den vergangenen Jahren in Schulen, Vereinen und Verbänden gewachsen. Doch diese Einsicht kollidiert mit der Entwicklung einer immer früher einsetzenden Talentsichtung und Professionalisierung. Die Ausbildung von Talenten zu Medaillengewinnern ist von Politik und Gesellschaft gewollt. 

Im März 2018 beschlossen die Kultus- und Sportminister der Länder und der DOSB, die „Eliteschulen des Sports“ als „ein zentrales Element der Dualen Karriere im Leistungssport weiter zu stärken“. Finanziert werden die Schulen von den Innen- und Bildungsministerien der Länder, den Landesportbünden, der Deutschen Sporthilfe und den Sparkassen. Das HHG wird zusätzlich vom DOSB und vom Deutschen Fußball Bund (DFB) unterstützt. Das staatliche Gymnasium hat viele Kooperationspartner, etwa Fachverbände auf Landes- und Bundesebene, die Technische Universität Kaiserslautern, den Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz-Saarland oder den 1. FC Kaiserslautern.

„Man muss den Jugendlichen das Gefühl geben, keine Erfolgsmaschinen zu sein. Niemand ist gescheitert, wenn er es im Sport nicht nach oben schafft.“ (Jan Christmann)

Wichtige Ansprechpartner für die Talente – und Bindeglieder zwischen den Trainern in den Vereinen und den Verbänden – sind die sogenannten Lehrertrainer, die je die Hälfte ihres Deputats für ihre Schulfächer und den Sport verwenden, in dem sie ausgebildete Trainer sind. Doping, Wettmafia, falsche Berater, die Verlockung des schnellen Geldes, Druck durch ungeduldige Eltern: Die Gefahren für junge Sportler sind vielfältig, gerade deshalb ist die Erziehung zum mündigen Athleten und kritischen Geist wichtig. 

Aufgrund von Wettkämpfen und Lehrgängen fehlen die Top-Talente bis zu 40 Tage im Jahr in der Schule. Der DFB schickt mittlerweile zu jedem Lehrgang seiner Jugend-Nationalspieler zwei Begleitlehrer, die den verpassten Stoff mit den Jugendlichen durcharbeiten. Darüber hinaus gibt es E-Learning-Programme für eigenständiges Lernen. Je rund 30 Stunden müssten die Talente pro Woche in Sport und Schule investieren, das erfordere große Selbstdisziplin, sagt Christmann. Die Erfahrung zeige, dass die Talente mit der stärksten Eigenmotivation am weitesten kämen.

Wenn absehbar ist, dass Jugendliche ihr Talent nicht weiterentwickeln können oder Verletzungen ihre Sportkarriere verhindern, haben sie am HHG die Möglichkeit, in der Sportklasse zu bleiben – sofern sie das wollen. In diesen Fällen sind Pädagoginnen und Pädagogen gefragt, die den jungen Menschen helfen, die Enttäuschung zu verarbeiten. Christmann sagt: „Man muss den Jugendlichen das Gefühl geben, keine Erfolgsmaschinen zu sein. Niemand ist gescheitert, wenn er es im Sport nicht nach oben schafft.“