„Für junge Aktive in einer alten Organisation ist es wichtig, frische Ideen einzubringen“, betont Sven Lehmann von den GEW-Studis in seinem Abschlussplädoyer. Was aber sind die „frischen Ideen“ der Jungen und – viel wichtiger – wie können sie umgesetzt werden? Bereits vor vier Jahren hatten die beiden Jugendorganisationen Junge GEW und GEW-Studis Mitglieder zwischen 18 und 35 Jahren zum Dialog eingeladen, damit sie in der Organisation Themen besetzen.
Die Integration Geflüchteter wäre beispielsweise so ein Thema. „Ich biete nichts, ich suche nur“, steht auf dem braunen, mit kleinen roten Stecknadeln angehefteten Flipchartpapier eines Workshops zum Thema „Bildung in der Migrationsgesellschaft“. Die jungen Aktiven suchten hier vor allem Tipps und Expertise für die Praxis – von Rechtsberatung über Unterrichtsmaterialien bis hin zu Partnerinnen und -partnern für Sprachtandems. „Es gibt haufenweise Unterrichtsmaterial, das müssten wir mal sichten und bewerten“, findet eine der jungen Lehrerinnen in der Runde. Für viele ist es der erste Kontakt zur Gewerkschaft. Sie wollen herausfinden, wie sie ihre Ideen in die GEW einbringen können. Am Ende steht die Verabredung, in Zukunft Best-Practice-Beispiele ihres Arbeitsbereiches auszutauschen und diese Ideen in die Gewerkschaft einzubringen.
Suche nach Gemeinschaft
Alberto, Erzieher aus Sachsen, sucht in der Gewerkschaft eine Gemeinschaft. Er will sich „regelmäßig mit Erzieherinnen und Erziehern vernetzen“. Bereits während der GEW-Jugendkonferenz vor vier Jahren hatte er probiert, ein Netzwerk zu gründen. Das sei aber nicht so gut gelaufen. „Wir wollten zu viel auf einmal“, erklärt er. Ein Ort, sich fachlich auszutauschen, könne die GEW aber sein, findet Mira, Erzieherin an einer Ganztagsschule.
Wie Mira haben viele junge Kolleginnen und Kollegen im vergangenen Jahr für die Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes (SuE) gekämpft und sind in die GEW eingetreten. Sie wolle aber nicht nur gewerkschaftlich vertreten werden, sondern auch über Inhalte und Rahmenbedingungen ihrer Arbeit reden, z.B. über die Qualität in der Kindertagesbetreuung, fügt Mira hinzu. Die Erzieherin will sich mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern für das Recht des Kindes auf hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung einsetzen. Dazu aber brauche es Raum, um über die Qualität der eigenen Arbeit diskutieren zu können. Einen Raum, den sich Mira von der GEW wünscht.
Anderes Lebensmodell
Natürlich geht es in den Workshops auch um handfeste tarifpolitische Ziele. Lehramtsstudent Marcel kritisiert in dem Zusammenhang die aus seiner Sicht ungenauen Ziele der Gewerkschaften. Er sehe auf Plakaten häufig Forderungen wie „Für bessere Arbeitsbedingungen“. „Aber was heißt das eigentlich?“, fragt er. „Das muss konkreter werden.“ Nur so könne sich die Lebensqualität vieler Beschäftigter in Teilzeit wirklich verbessern. Dabei gehe es gar nicht um die Aufstockung in Vollzeit, sondern mehr darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem neben Beruf und Familie auch Zeit bleibe, politische Ämter zu bekleiden – etwa in der GEW. Spätestens hier prallen unterschiedliche Lebenswirklichkeiten der Generationen aufeinander. Denn die jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter haben andere Vorstellungen von Arbeitswelt und Lebensqualität als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen.
Die Vollzeitstelle, für die viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter so lange gestritten haben, strebt die Mehrheit der Jüngeren in der GEW offensichtlich nicht mehr an. Junge Lehrkräfte kritisieren etwa auch das enge Korsett der Verbeamtung. „Das passt einfach nicht mehr zu unserer Lebenswelt“, stellen sie fest. „Wir brauchen mehr Zeit, uns politisch zu engagieren“, ist auch Wiebke, Lehrerin aus Berlin, überzeugt. Sie alle wünschen sich, dass die GEW ihr Lebensmodell unterstützt: In Teilzeit arbeiten, Zeit für Familie haben und trotzdem die Politik der GEW mitbestimmen. Passt das zu einer Gewerkschaft, die in Gremien ihre Entscheidungen trifft?