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Bundesweiterbildungsgesetz

In sechs Punkten zum Ziel

In kaum einem Politikfeld klafft eine so große Lücke zwischen Sonntagsreden und Wirklichkeit wie in der Weiterbildung. Doch was soll sich ändern? GEW, IG Metall und ver.di gehen mit sechs konkreten Vorschlägen für ein Bundesgesetz in die Offensive.

Studien belegen: Die Weiterbildung in Deutschland hat erhebliche Mängel. Bei internationalen Vergleichen landet sie immer nur im Mittelfeld. Und das ist das Krankheitsbild: hohe soziale Selektivität, Unterversorgung mit Angeboten, gravierende Qualitätsprobleme und Intransparenz.

Nach Ansicht von GEW, IG Metall und ver.di muss sich dies schnell und vor allem grundlegend ändern. Die Gewerkschaften sagen: „Wir brauchen ein Bundesgesetz zur Weiterbildung.“ Unter der Überschrift „Weiterbildung reformieren: Sechs Vorschläge, die wirklich helfen“ erläutern sie ihre Forderungen auf 52 Seiten. Die angesprochenen sechs Punkte sind gleichsam der Markenkern des Gesetzes; sie bilden den Rahmen für eine Weiterbildungspolitik, die diesen Namen dann auch verdient.

  • 1. Vorschlag: Die betriebliche Weiterbildung, Herzstück dieses Bildungsformats, braucht eine neue Finanzierungsgrundlage. Gefordert wird ein zentraler Weiterbildungsfonds, der sich aus einer Umlage von einem Prozent der Lohn- und Gehaltssumme speist, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam aufbringen. Außerdem ist die individuelle Weiterbildung auszubauen, zu harmonisieren und finanziell zu stärken. Die bestehenden staatlichen Regelungen des BAföG und des AFBG (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz) sollen in eine neu zu schaffende Finanzarchitektur integriert werden. Zwei weitere Aspekte sind den Gewerkschaften wichtig: Das Nachholen eines ersten allgemeinbildenden Schulabschlusses muss in jedem Fall kostenfrei sein, die Weiterbildung für Erwerbslose ist auszubauen.
  • 2. Vorschlag: Lernzeitansprüche brauchen klare Regeln. Dazu gehört ein bundeseinheitlicher Anspruch auf Freistellung von der Arbeit für die Bildung. Für nicht erwerbstätige Menschen mit Betreuungspflichten soll es einen analogen Anspruch geben.
  • 3. Vorschlag: Die Gewerkschaften wollen einen wirklichen Schub bei der vernachlässigten Weiterbildungsberatung. Aus Bundesmitteln soll ein flächendeckendes Netz regionaler Beratungsstellen geschaffen werden, flankiert durch eine bundesweite telefon- und internetbasierte Unterstützung. Auf betrieblicher Ebene sollen Beauftragte das Bildungsinteresse von bildungsfernen und -benachteiligten Zielgruppen wecken. Das Angebot ist für alle Nutzerinnen und Nutzer kostenfrei anzubieten.
  • 4. Vorschlag: Bundeseinheitliche Mindeststandards sollen die Qualität der Weiterbildung sichern. Konkret fordern GEW, IG Metall und ver.di, Anforderungen an die Lehrenden zu definieren. Darüber hinaus soll der Teilnehmerschutz durch Weiterbildungstests, Beschwerdestellen und Checklisten verstetigt und verbessert werden.
  • 5. Vorschlag: Das künftig immer wichtiger werdende Thema Zertifizierung von Kompetenzen ist anzupacken. Deshalb fordern die Gewerkschaften einfache Modelle zur Beurteilung und Zertifizierung. Dabei geht es um Inhalte, die jenseits formaler Bildungswege entstanden sind: also um nonformale (private Kurse, im Betrieb erworbene Zeugnisse) und informelle (Berufserfahrung, Familientätigkeit, Ehrenamt) Qualifikationen.
  • 6. Vorschlag: Die Gewerkschaften machen sich für den Dialog der Beteiligten stark. Konkret wollen sie Weiterbildungsbeiräte in den Regionen und auf der Bundesebene einrichten. Diese sollen die vielen Akteure verknüpfen und diese zur Kooperation ermuntern. Die Räte sollen gewissermaßen das Schmiermittel für die Organisation des neuen Weiterbildungssystems sein.

Die Vorschläge der Gewerkschaften erscheinen auf den ersten Blick radikal. Das sind sie in Wirklichkeit ganz und gar nicht: Sie sind die sechs Pfeiler für ein neues funktionierendes Weiterbildungssystem.