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HRF übernimmt Anwaltskosten für türkische Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter

Der Heinrich-Rodenstein-Fonds unterstützt weitere nach Deutschland geflüchtete Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter der türkischen Bildungsgewerkschaft Egitim Sen. Der HRF-Vorstand hat dazu jüngst fünf Förderanträge beschlossen.

(Foto: pixelio.de)

Immer mehr Mitglieder der türkischen Bildungsgewerkschaft Egitim Sen flüchten nach Deutschland – und bekommen Hilfe vom Heinrich-Rodenstein-Fonds (HRF) der GEW. Der HRF-Vorstand beschloss in seiner jüngsten Sitzung fünf weitere Förderanträge, um Kolleginnen und Kollegen aus der Türkei, die zum Teil mit ihren Familien nach Deutschland gekommen sind, mit insgesamt knapp 7.300 Euro für Anwaltskosten und Soforthilfe zu unterstützen. Mitte August fand ein erstes Vernetzungstreffen beim GEW-Hauptvorstand in Frankfurt am Main statt. Künftig soll eine Liste mit Namen und Kontaktdaten allernach Deutschland geflohenen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter erstellt werden. Perspektivisch wollen alle in ihren bisherigen Berufen weiter arbeiten.

Zu den Geflüchteten gehört die Lehrerin und ehemalige Frauensekretärin beim Egitim-Sen-Vorstand in Ankara, Gülçin İsbert. 2009 wurde sie verhaftet und wegen Unterstützung terroristischer Organisationen angeklagt. Sie kam unter Auflagen frei, durfte die Türkei jedoch nicht verlassen. Seit 2011 engagiert sie sich in der Kurdenpartei HDP. Anfang 2016 musste sie untertauchen, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Seit 7. August ist sie in Deutschland. Isbert wurde auf Vorschlag der GEW beim BI-Weltkongress in Kapstadt stellvertretend für die von Verfolgung und Kriminalisierung bedrohten Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in der Türkei in Abwesenheit mit dem  Mary Hatwood Futrell Preis für Menschen- und Gewerkschaftsrechte ausgezeichnet.  

Die Lehrerin Dilek Çolak, und Egitim-Sen-Vorstandsmitglied, wurde 2008 erstmals wegen Unterstützung terroristischer Organisationen angeklagt und 2013 rechtskräftig verurteilt. Sie flüchtete in die Kurdengebiete des Nordirak, wo sie rund drei Jahre lebte. Im Frühjahr 2016 gelang es ihr, ein Visum für Deutschland zu erhalten und einen Flug nach Frankfurt zu buchen. Seit knapp 1,5 Jahren wartet sie auf ihre Anerkennung.

Die Soziologin und frühere Assistenzprofessorin an der Universität in Düzce, Latife Akyüz, war Anfang 2016 eine der InitiatorInnen des öffentlichen Aufrufs türkischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Frieden und gegen den Krieg in den Kurdenregionen. Aufgrund von Repressalien musste sie ihre Heimat verlassen. Sie lebt seit Februar 2017 in Frankfurt und hat ein Philipp-Schwartz-Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung für eine zweijährige Forschungstätigkeit am Institut für Soziologie der Goethe Universität. Latife, die inzwischen Mitglied der GEW ist, stellte im Juli 2017 einen Asylantrag und wurde bereits anerkannt.

Dokumentarfilm über kurdische Gewerkschafterin

Ercan Güneş ist Lehrer und Egitim-Sen-Mitglied und war stellvertretender Leiter einer Schule in Istanbul, wo er sich gegen die Islamisierung des Schulunterrichts zur Wehr setzte. Nachdem er nach dem gescheiterten Militärputsch an einem Streik seiner Gewerkschaft teilgenommen hatte, wurde er zunächst entlassen und für kurze Zeit inhaftiert. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kindern entschloss er sich zur Flucht nach Deutschland, wo die Familie seit Ende Juli lebt.

Die ehemalige Egitim-Sen-Frauensekretärin Elif Akgül Ateș, die in der Türkei politisch verfolgt wird, flüchtete Anfang Juni 2017 mit ihrem Ehemann Hayri Ateș auf die griechische Insel Kios. Von dort wurden sie aufs Festland in ein Flüchtlingslager in Lavrion gebracht, inzwischen wohnen sie bei Verwandten in Deutschland. Elif Akgül Ateș ist schwer krank, sie hat einen Hirntumor, Nierenprobleme und Depressionen.

Große Aufmerksamkeit hatte jüngst der Fall der Lehrerin und Egitim-Sen-Generalsekretärin Sakine Esen Yılmaz erfahren, die nach der Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstraße wegen Unterstützung terroristischer Organisationen im vergangenen Jahr nach Deutschland geflüchtet war. Ein von der GEW und der Bildungsinternationalen (BI) koproduzierter Dokumentarfilm schildert das Schicksal der kurdischen Gewerkschafterin, die nun als Asylberechtigte anerkannt ist und in Köln lebt.