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Hochschulen – kein Ort für Rassismus

Ein rassistischer Diskurs hat Einzug in das wissenschaftliche System der Universitäten gehalten hat. Wir sagen Rechtspopulismus im wissenschaftlichen Gewand den Kampf an! Ein Artikel der Studierendenzeitung read.me.

„Staatlich geförderte Pädophilie“ – so bezeichnet Ulrich Kutschera, Professor für Pflanzenphysiologie und Evolutionsbiologie an der Universität Kassel, in einem Interview mit kath.net die Ehe für alle. Bereits in der Vergangenheit war Kutschera immer wieder durch anti-moderne Äußerungen zum Genderdiskurs aufgefallen. So seien die Genderwissenschaften eine „feministische Sekte, die uns da ihren Unsinn aufdrückt“. Seine neuesten Unterstellungen gelten gleichgeschlechtlichen Partnern, die Kinder adoptieren. Kutschera zufolge seien diese Kinder gefährdeter, von ihren Eltern missbraucht zu werden – das sei evolutionsbiologisch belegbar. 

An der Universität Leipzig löste Juraprofessor Thomas Rauscher mit seinen provokanten Tweets einen Sturm der Entrüstung aus. Seit Jahren hatte Rauscher immer wieder mit Äußerungen wie „Es gibt keinen friedfertigen Islam“ provoziert. Mitte November konnte man dann auf dem Twitter-Account des Professors lesen: „Wir schulden den Afrikanern und Arabern nichts. Sie haben ihre Kontinente durch Korruption, Schlendrian, ungehemmte Vermehrung und Stammes- und Religionskriege zerstört und nehmen uns nun weg, was wir mit Fleiß aufgebaut haben.“ Anschließend verlinkte er einen Artikel der Süddeutschen Zeitung, der rechtsextreme Demonstrationen am polnischen Unabhängigkeitstag thematisierte, und kommentierte: „Polen: Ein weißes Europa brüderlicher Nationen. Für mich ist das ein wunderbares Ziel!“

Dies sind nur einige Beispiele dafür, dass ein rassistischer, rechtspopulistischer Diskurs mit den ihm eigenen Argumentations- und Artikulationsweisen Einzug in das wissenschaftliche System der Universitäten gehalten hat.

Wissenschafts- und Meinungsfreiheit oder Diskriminierung?

Die Hochschulleitung der Universität Leipzig verurteilte Rauschers Aussagen und gab an, dienstrechtliche Schritte prüfen zu wollen. Zudem hieß es von Seiten der juristischen Fakultät, sie missbillige die Verlautbarungen Rauschers, die rassistisch wahrgenommen würden. In Hessen äußerte sich die Landesregierung zum Fall Kutschera. Hessens Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU) fordert eine Prüfung seitens der Universität Kassel dahingehend, „ob der Professor als Beamter seine Pflichten dadurch verletzt hat, dass er sich (...) gegen homosexuelle Menschen geäußert hat“. Der Präsident der Universität Kassel, Professor Dr. Reiner Finkeldey, reagierte jedoch sehr zurückhaltend: „Von Mitgliedern der Universität sollen keine Äußerungen gemacht werden, von denen sich Menschen verletzt oder abgewertet fühlen.“

Studentischer Protest

Auch von studentischer Seite gab es Protest. In Leipzig organisierten Studierende eine Aktion unter dem Motto: „Rauscher, rausch ab!“ Sie demonstrierten in seiner Vorlesung, indem sie seine rechtspopulistischen Tweets an die Wand projizierten und mit Flugblättern zum Boykott der Rauscher-Vorlesungen aufriefen. Rauscher bezeichnete den Protest in seiner Vorlesung als „Nazi-Methode“.

Die Hochschulleitung erhielt darüber hinaus eine Petition zur Abberufung Rauschers mit rund 18.000 Unterschriften. Gefordert wurde unter anderem die Absetzung Rauschers als Erasmus-Beauftragter, eine Alternativveranstaltung zu Rauschers „Pflichtübung ‚BGB für Fortgeschrittene‘“ und mehr Transparenz im Umgang mit dem Fall.

Der AStA der Universität Kassel veröffentlichte einen offenen Brief, in dem Kutschera homophobe Äußerungen vorgeworfen werden. Kutschera sei ein „bemitleidenswerter, hasserfüllter Mensch“, der nicht ertragen könne, dass sich die Gesellschaft verändere. Außerdem solle sich die Hochschulleitung „genau überlegen“, ob der Professor „weiterhin an dieser Hochschule lehren sollte“. Zudem veranstaltete der AStA ein „Regenbogen-Picknick“ auf dem Campus, um für Vielfalt und gegen Kutschera zu demonstrieren.

Gefahr der machtvollen Sprecher*innenpositionen

Die unter dem Deckmantel der Wissenschaft öffentlichen rechtspopulistischen Äußerungen sind gefährlich, vor allem im Kontext einer Nutzbarmachung für rechte Argumentationslinien. So publizierte Kutschera seine gender- und homofeindlichen Äußerungen im compact-Magazin, und Rauscher ließ sich in der ersten Folge der YouTube-Sendung „Klartext mit Tillschneider“ des gleichnamigen AfD-Politikers interviewen. Der professorale Status wird als eine Stellung wahrgenommen, deren Aussagen eine implizierte Wahrheit zugesprochen wird. Diese vermeintliche Wahrheit kann Rechtsaußenpolitiker*innen eine diskursive Macht verleihen, da sie ihre rechten Positionen stützt.

Und jetzt?

Um der Gefahr der Nutzbarmachung pseudowissenschaftlichen rechtspopulistischen Gedankenguts zu begegnen, dürfen zunächst die Proteste an den Universitäten nicht abebben. Alle Statusgruppen müssen sich gemeinsam gegenüber der Hochschulleitung dafür stark machen, dass diskriminierenden und rechtspopulistischen Äußerungen an der Hochschule kein Raum gegeben wird und eine Überprüfung der rechtlichen Interventionsmöglichkeiten erfolgt. Zudem sollte von wissenschaftlicher Seite auf eine Dekonstruktion der vermeintlich wissenschaftlichen Fakten der Rechtspopulisten hingewirkt werden, sodass die propagierte „Wahrheit“ widerlegt oder deutlich als Meinungsmache demaskiert werden kann. Hochschulen als demokratische Institutionen müssen zeigen, dass flächendeckend keine Akzeptanz für homophobe, rechtsnationale und in anderer Form diskriminierende Positionen besteht.