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Kommentierte Materialsammlung

Hochschule und Forschung in der digitalen Welt

Nach der Industrie 4.0 ist neuerdings von Bildung 4.0 die Rede. Damit verbunden ist die Erwartung, dass die Digitalisierung für Bildungseinrichtungen und alle Betroffene einen umfassenden Paradigmenwechsel zur Folge hat.

Foto: ThinkStock

Die Bildungsgewerkschaft GEW hat dazu auf ihrem Gewerkschaftstag 2017 in Freiburg umfassend Stellung genommen und einen Antrag zur „Bildung in der digitalen Welt“ verabschiedet. Im März 2019 wird sich das Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“ konstituieren, in dessen Rahmen die GEW bildungsbereichsübergreifend das Thema weiter bearbeiten und Empfehlungen entwickeln wird.

Hochschulen und Forschungseinrichtungen stehen im Fokus des Umbruchs hin zur digitalen Welt. Digitale und Online-Lehr- und Lernformate ergänzen nicht nur die traditionelle Präsenzlehre in Hörsaal, Seminarraum und Labor, sie ersetzen sie auch vielfach. Massive Open Online Courses (MOOCs) haben schon vor Jahren damit Aufsehen erregt, dass weltweit eine Vielzahl an Studierenden Kurse oder ganze Studienangebote an einer Hochschule absolvieren. Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich aus der Digitalisierung für Forschung und Hochschulverwaltung, aber auch für urheberrechtliche Fragen.

Hochschulbildung und Forschung in der digitalen Welt eröffnet neue Chancen, birgt aber auch Risiken für Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Studierende und Beschäftigte. Der Zugang zu Studium und Lehre kann erleichtert werden, es können sich aber auch neue Ausgrenzungsmechanismen ergeben. Die digitale Hochschule eröffnet neue Möglichkeiten der Beteiligung von Studierenden sowohl im Studium als auch in der Hochschulgovernance, umgekehrt kann sie auch als Instrument für eine Top-Down-Steuerung der Hochschule und Normierung der Lehre verwendet werden. Die Digitalisierung kann sich als Einfallstor für eine Kommerzialisierung und Privatisierung des Hochschulwesens erweisen – die Digitalindustrie und ihre Lobby haben das Potenzial des Markts längst erkannt. Auf der anderen Seite kann die Digitalisierung auch genutzt werden, um den freien Zugang zu Lehrmaterialien und Forschungsergebnissen sowie deren eigenständige Entwicklung und Weiterentwicklung zu fördern. Eine Flexibilisierung des Studiums kann ein Teilzeitstudium erleichtern, auf der anderen Seite ist der direkte Kontakt und Diskurs von Studierenden und Lehrenden sowie Studierenden, aber auch Lehrenden untereinander konstitutiv für Hochschulbildung.

Viele Politikerinnen und Politiker verbinden mit der Digitalisierung die Erwartung, dass sich mittelfristig Kosten einsparen lassen und Personal abgebaut werden kann. Das Gegenteil ist der Fall: Eine digitale Hochschule setzt erst recht bestmögliche Betreuungsrelationen zwischen Studierenden und Lehrenden voraus, die Digitaltechnik bedarf nicht nur einmaliger Investitionen, sondern regelmäßiger Erneuerung. Und schließlich ist zu bedenken, dass sich die Digitalisierung von Hochschule und Forschung nicht einmal mit Hilfe künstlicher Intelligenz von alleine vollzieht, sondern qualifiziertes Personal in Lehre und Forschung, Technik und Verwaltung braucht. Hochschulbeschäftigte müssen also entsprechend unterstützt und qualifiziert werden, sie benötigen Zeit und Ressourcen, um die zusätzlichen Herausforderungen bewältigen zu können.

Die von Julia Landgraf erstellte und von der GEW herausgegebene Materialsammlung soll die Orientierung in der Debatte um Hochschulbildung und Forschung in der digitalen Welt erleichtern. Die Autorin hat Positionen von politischen Akteuren, aber auch Forschungsergebnisse gesichtet, strukturiert und ausgewertet. Auf diese Weise lässt sich schnell ein Überblick über den Stand der bildungs- und forschungspolitischen Debatte gewinnen – als Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung und Schärfung der eigenen Positionen.