Zum Inhalt springen

Bildung für nachhaltige Entwicklung

High-Tech und Regenwasser

Wie „grün“ sind Schulgebäude? Um das zu bewerten, entwickelte die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) einen Kriterienkatalog. Ortstermin in einem Stuttgarter Berufsschulzentrum.

Der Neubau des GPES, fertiggestellt 2013, erhielt das Zertifikat in Platin der DGNB. Foto: Horst Rudel

Nachhaltigkeit sorgt für Überraschungen: „Da kommt ja braunes Wasser raus!“, beschweren sich Schülerinnen und Schüler, wenn sie die Klospülung betätigen. „Wir müssen dann erklären“, sagt Anton Metz (64), Schulleiter der Alexander-Fleming-Schule in Stuttgart. Die Schule sammele Regenwasser auf dem Flachdach – und spüle damit die Toiletten. Das spare kostbares Trinkwasser.

Neben der Alexander-Fleming-Schule liegt das Gebäude der Hedwig-Dohm-Schule. Gemeinsam bilden sie das Berufliche Schulzentrum für Gesundheit, Pflege, Ernährung und Sozialwesen (GPES). Der Neubau des GPES, fertiggestellt 2013, trägt eine hohe Auszeichnung: das Zertifikat in Platin der DGNB. Bundesweit gibt es bislang 27 Schulen, Kitas und Hochschulen, die ein DGNB-Zertifikat erhalten haben.

„Je nach Gebäudetyp fließen bis zu 40 Nachhaltigkeitskriterien in die Bewertung ein“, unterstreicht die DGNB. Werden recycelbare Materialien, frei von Chemikalien eingesetzt? Vermeiden die Baufirmen Transportkosten, indem sie Fertigteile und Baustoffe aus der Region verwenden? Auch die Funktionalität wird bewertet. Sind Beleuchtung und Schalldämmung optimal? Wie steht es um die Sicherheit bei Brand oder Amoklauf?

Anspruchsvolle Technologie

Metz und sein Kollege Dieter Göggel (64), Schulleiter der Hedwig-Dohm-Schule, führen mich über den Schulhof. Am Rand befinden sich Metallgitter im Boden. Ein warmer Luftzug ist zu spüren – hier entweicht die verbrauchte Luft des Schulgebäudes. Ich erfahre: Die Abluft fließt zunächst über einen „Wärmeübertrager“. Der überträgt die Wärme der Abluft an die Frischluft, die von zwei mannshohen silberfarbenen Säulen neben dem Schulgebäude angesaugt wird. So sorgt die Frischluft im Gebäude für angenehme Temperaturen. „Das senkt die Heizkosten“, fasst Göggel zusammen.

Im Gebäude steckt viel High-Tech: Bewegungsmelder steuern die Beleuchtung. „Schwarze Fenster“, ohne Verglasung, öffnen sich nachts automatisch, damit kühlende Luft ins Gebäude fließen kann. Lehrkräfte erhalten eine schriftliche Anleitung, damit sie die technischen Anlagen in den Unterrichtsräumen bedienen können. Die anspruchsvolle Technologie sei anfällig für Fehler, kritisiert Göggel. Thomas Stöckle vom Schulverwaltungsamt der Stadt Stuttgart widerspricht: „Inzwischen läuft die Anlagentechnik weitestgehend reibungslos.“ Lediglich im ersten Jahr der Nutzung musste „teilweise nachgesteuert und optimiert werden“.

40 Millionen Euro investierte die Stadt Stuttgart in den GPES-Neubau. Weitere 20 Millionen Euro zahlte das Land Baden-Württemberg. Um wieviel teurer wurde das Gebäude, damit es das Platin-Zertifikat der DGNB tragen darf? Das lasse sich „monetär nicht beziffern“, erklärt Stöckle. Er schätzt die Mehrkosten auf einen „einstelligen Prozentbereich“. Dafür gebe es Einsparungen bei den laufenden Betriebskosten – „im zweistelligen Prozentbereich“.

Das Bundesbauministerium erarbeitete bis 2011 mit der DGNB einen Kriterienkatalog, um die Nachhaltigkeit von Gebäuden zu bewerten: das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB). Diverse Bundesländer haben das BNB inzwischen übernommen und angepasst. Beispiel Berlin: In der Hauptstadt gilt seit März 2019 die Vorschrift, dass öffentliche Gebäude ab einer Investitionssumme von zehn Millionen Euro das BNB im Standard Silber zu erfüllen haben. Neubauten für Schulen, Kitas und Hochschulen sind in diese Regelung einbezogen. Sachsen realisiert derzeit zwei Pilotprojekte, um das BNB zu testen, darunter ein Hochschulgebäude in Dresden. Zur Finanzierung entsprechender Neubauten nutzt der Freistaat Gelder der Europäischen Union aus dem Förderprogramm Energieeffizienz.

Photovoltaik-Anlage fehlt

Das Stuttgarter GPES zeigt indes, dass sich Nachhaltigkeit auch mit simplen Mitteln erreichen lässt – durch kluge Auslastung. „Unsere Klassen- und Fachräume werden auch vom Abendgymnasium genutzt“, betont Schulleiter Metz. Ähnliches gilt für die Hedwig-Dohm-Schule. Abends finden dort Lehrgänge der Industrie- und Handelskammer statt.

Metz bemängelt allerdings, dass es keine Klimaanlage im Gebäude gibt. „Wenn draußen 35 Grad sind, haben wir drinnen immer noch 32 oder 33 Grad.“ Auf die Klimaanlage wird trotzdem verzichtet, um Energie zu sparen. „Gemäß Energie-Erlass der Stadt Stuttgart werden städtische Gebäude nicht aktiv gekühlt“, erläutert Stöckle vom Schulverwaltungsamt.

Metz ist zudem erstaunt, dass sich auf dem Schulgebäude keine Photovoltaik-Anlage zur Stromgewinnung befindet. „Die hätte damals mitgeplant werden können.“ Stöckle erklärt: Eine derartige Anlage hätte das Gebäude auf unzulässige Weise erhöht. Er spricht von „Höhenbeschränkung“ mit dem stadtplanerischen Ziel, eine „Frischluftschneise“ freizuhalten. Diese Schneisen sorgen dafür, dass Frischluft aus dem Umland ungehindert ins Stadtgebiet fließen kann. Die Hedwig-Dohm-Schule sei zwei Geschosse niedriger, ergänzt Stöckle. Dort soll demnächst eine Photovoltaik-Anlage montiert werden.