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Herbstakademie 2013: "Grundbildung fördert Beteiligung"

Mit der diesjährigen Herbstakademie Mitte November in Weimar hat die GEW die sogenannten funktionalen Analphabeten und ihre gesellschaftliche Teilhabe in den Vordergrund gerückt.

Dass sich die GEW dieser Personengruppe annimmt, wurde von den Referenten/innen und den Teilnehmer/innen ausdrücklich gewürdigt. Allein 7,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter können zwar einen einzelnen Satz lesen oder schreiben, nicht aber zusammenhängende kürzere Sätze - so ein bereits seit zweieinhalb Jahren bekannter Befund der "Level-One-Studie".

Seit dem Ende der 1970er-Jahre sind hier gesellschaftlich relevante Erkenntnisse nicht umgesetzt worden, so eine Erkenntnis der Tagung. Ferner dürfen wir - anders als es die Medien suggerieren mögen - uns nicht damit abfinden, dass ein großer Teil der Bevölkerung bereits gesellschaftlich "abgehängt" wurde.

Grundbildung ist mehr als Lesen und Schreiben, sie soll - einem emanzipatorischen Bildungsbegriff folgend - neben der persönlichen und beruflichen Entwicklung auch zur kulturellen und politischen Teilhabe befähigen. Setzt man den Grundbildungsgedanken konsequent fort, so ist ein Anspruch bzw. Grundrecht auf Grundbildung auch für Erwachsene einzufordern. Die Betroffenen aber müssen durch öffentliche Angebote der Grundbildung die Voraussetzungen für Orientierung, Teilhabe und aktives Handeln in der Gesellschaft erhalten.

Grundbildungszentren an Volkshochschulen können hier entscheidende Schritte leisten, sofern sie personell und finanziell angemessen ausgestattet sind.

Grundbildung ist Teil des Lernens im Lebensverlauf, das statt einzelner Projekte einer dauerhaften Struktur bedarf: Hier sind eine flächendeckende, auch aufsuchende Beratung und Bildungsangebote mit professionellem und angemessen bezahltem sowie abgesicherten Personal erforderlich. Daher müssen die Bundesländer ihre Anstrengungen deutlich steigern, das "Kooperationsverbot" zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich muss aufgehoben werden.

Als wichtiger Akteur muss auch die Bundesagentur für Arbeit in den entsprechenden Qualifizierungsprogrammen neben der beruflichen Qualifizierung auch die notwendige Grund- und Allgemeinbildung vermitteln. Sollte es sich hier um eine "versicherungsfremde" Leistung halten, sind die auf die Grundbildung entfallenden Anteile aus Steuermitteln zu finanzieren, so eine auf der Tagung erhobene Forderung. Auch die betriebliche Weiterbildung ist um Grundbildungselemente zu erweitern. Hier sind vor allem die betrieblichen Interessenvertretungen einzubinden und zu sensibilisieren.

In Form von Referaten, Gesprächsrunden und Workshops zeigte die Weimarer Herbstakademie die Problemlagen auf: Jahrelange neoliberale Sozial- und Bildungspolitik hat zu einer sozialen Segmentierung der Gesellschaft geführt, wie es zuletzt wieder von der OECD-Erwachsenenbildungsstudie PIAAC dokumentiert wurde. Viele "funktionale Analphabeten", vor allem erwerbslose Menschen, sind strukturell gedemütigt und reagieren teils selbst dort mit Misstrauen, wo öffentliche Einrichtungen Grundbildungsangebote unterbreiten. Gerade angesichts des demografischen Wandels und des immer wieder beschworenen Fachkräftemangels ist eine Gesamtstrategie von Bund, Ländern und Kommunen für flächendeckende Bildungsberatung und -angebote erforderlich, will man die Betroffenen endlich gesellschaftlich beteiligen und brachliegende `gesellschaftliche Reserven` nutzen.

Nähere Informationen siehe Link im Infokasten rechts oben.

Vergleichsberechnung

Wo / TageUE / WoHonorarErgebnis bei 30 €/UEErgebnis bei 20 €/UE
Jahresrechnung452530 €33.750,00 €22,500,00 €
abzüglich Krankheitstage13,2530 € 1.980,00 € 1,320,00 €
Brutto31.770,00 €21,180,00 €
Rentenversicherung 18,9 % 6.004,53 € 4.003,02 €
Krankenversicherung 14,9 %, Mindestbeitrag v. 301,17 €/Monat bei 20 Euro/UE 4.733,73 € 3.614,04 €
Pflegeversicherung 2,3 %   730,71 €   487,14 €
zu versteuerndes Einkommen 21.742,12 €14.036,52 €
Steuern inkl. Solidaritätszuschlag (Steuerklasse 1) 3.326,41 € 1.185,60 €
Jahresnettoeinkommen16.974,62 €11.890,20 €
Monats-Netto 1.414,55 €    990,85 €
monatliches Plus bei 30 Euro/UE gegenüber 20 Euro/UE   423,70 €
Forderung nach Erstattung der Arbeitgeber-Anteile der SV im Jahr 5.559,75 €
Monats-Netto nach Erstattung der Arbeitgeber-Anteile der SV 1.614,87 €

monatliches Plus bei 30 Euro/UE inkl. Erstattung der AG-SV

   624,02 €

Erläuterung:

Die Zahl der Arbeitswochen variiert von Träger zu Träger. 45 Wochen sind ein annähernder Durchschnittswert. 13,2 Fehltage sind die durchschnittlichen Krankheitstage der Arbeitnehmer in Deutschland. Honorarkräfte erhalten keine Fortzahlung im Krankheitsfall, daher muss der Verdienstausfall abgezogen werden. Der unbezahlte Urlaub liegt in den Schließzeiten/Teilnehmerferien außerhalb der Arbeitswochen. Zeiten für Vorbereitung, Konferenzen, Teamsitzungen und Fortbildungen werden in der Regel nicht vergütet. Sozialversicherungsbeiträge müssen aufgrund des Status als Selbständige in voller Höhe von den Honorarkräften geleistet werden, die Träger beteiligen sich bisher nicht! Eine Ausnahme bilden u. a. die Volkshochschulen der Stadt Berlin. Das zu versteuernde Jahreseinkommen errechnet sich aus dem Bruttoeinkommen abzüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie 76 Prozent des Beitrages zur Rentenversicherung. Daraus ergibt sich die Einkommensteuer 2013 (Steuerrechner siehe Link im Infokasten). Von der Berücksichtigung anfallender Betriebsausgaben wird in dieser Beispielrechnung abgesehen.

Das mit dem Durchschnittshonorar von 20 Euro/UE erzielte verfügbare Einkommen liegt auf Hartz-IV-Niveau. Tatsächlich müssen viele Honorarkräfte in der Weiterbildung aufstockende Leistungen nach dem SGB II beantragen.

Mit einem Mindesthonorar von 30 Euro/UE würde eine Erhöhung des monatlichen Nettoentgeltes von ca. 424 Euro eine spürbare Einkommensverbesserung bedeuten. Bei einer Erstattung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, wie es der BFGA fordert, wären bei 30 Euro/UE weitere 200 bis 300 Euro mehr in der Tasche. Dennoch ist das Einkommen der Lehrkräfte auch nach Erfüllung dieser Forderungen der akademischen Ausbildung und der Verantwortung dieser Tätigkeit nicht angemessen. Die GEW fordert daher grundsätzlich die Festanstellung und Gleichstellung der Integrationskurslehrkräfte mit Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen.