
Patrick Niemann: Das kommt darauf an, wohin man schaut. Den meisten Fabriken in Asien – von dort kommt das Gros der Spielzeuge – würde ich allenfalls die Note 5 geben, also ein Mangelhaft.
Niemann: Weil in der Spielzeugherstellung so viel schiefläuft. Das belegt auch der aktuelle Toys Report der Nichtregierungsorganisation China Labor Watch, kurz CLW. Zwar gibt es auch die High-Tech-Produktion mit hochqualifizierten Fachkräften. Doch in der Spielzeugherstellung arbeiten eher gering Qualifizierte – unter teils schlimmen Bedingungen. In China lassen Disney, Mattel, aber auch deutsche Firmen wie Schleich, Simba Dickie oder Ravensburger billig produzieren. Den Preis zahlen die schlecht entlohnten Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken. Auch wissen die wenigsten Verbraucherinnen und Verbraucher bei uns, dass viele Betroffene ohne Schutzkleidung mit giftigen Klebstoffen oder benzolhaltigen Reinigungsmitteln hantieren müssen.
Niemann: Schon der vorletzte Toys Report hat in der Fabrik „Foshan Mattel“ offengelegt, dass beim Zulieferer des nach Lego und Hasbro drittgrößten Spielzeugherstellers Mattel Mitarbeitende verbal und körperlich belästigt wurden. Bislang hat Mattel nichts unternommen hat, um das zu ändern. Wenn Mattel im Rahmen seiner Diversity-Kampagne jetzt Barbie-Puppen ohne Haare oder einen Ken mit langem Haar anbietet, hat das wenig mit Feminismus und Frauenrechten zu tun. Das ist schlicht eine Marketing-Strategie, um neue Käuferinnen und Käufer zu finden.
Niemann: Ja. Die Fabriken zahlen zwar fast alle den chinesischen gesetzlichen Mindestlohn, der – je nach Stadt – bei umgerechnet etwa 230 bis 280 Euro pro Monat liegt. Aber das ist kein existenzsichernder Lohn. Nur mit oft 100 bis 120 Überstunden pro Monat kommen die Arbeiterinnen und Arbeiter über die Runden. In einige Fabriken leisten sie sogar bis zu 175 Extrastunden, etwa, wenn sie im Sommer für das Weihnachtsgeschäft produzieren. Dann stehen die Menschen bei Hitze bis zu 14 Stunden am Tag am Band. Damit kommen sie zwar auf etwa 450 bis 580 Euro im Monat und können in den teuren Industrieregionen überleben. Doch einige werden krank, weil sie so lange mit Giften arbeiten oder sich vor Müdigkeit verletzen.
Niemann: Das lässt sich noch nicht beurteilen. Die Fabriken öffneten recht früh wieder. Aber natürlich blieben die Beschäftigten einige Wochen ohne Einkommen.
Niemann: Sie nehmen die Missstände seit Jahren achselzuckend zur Kenntnis oder schieben die Verantwortung an Fabriken und kaum wirksame Sozial-Programme ab. Oft üben die Marken über Lieferfristen und Abnahmepreise einen so großen Druck auf die Fabriken aus, dass diese die Arbeitsbedingungen häufig gar nicht verbessern können.
Niemann: Klar. Seit Jahren verzeichnet die Spielzeugbranche Rekordumsätze von jährlich mehr als drei Milliarden Euro allein in Deutschland. Davon kommt wenig bei den Fabrikarbeitenden an. Zwar rühmen sich viele Unternehmen damit, nachhaltig zu sein. Doch einige verstehen da-runter wohl ausschließlich die wirtschaftliche Nachhaltigkeit!
Niemann: Nein. Hersteller und Handel verweisen bei ihren Lieferketten zwar gerne auf Industrie-Programme wie das Ethical Toy Program (ETP) des Weltspielwarenverbandes oder auf die Business Social Compliance Initiative (BSCI). Doch beide Programme konnten schwere Arbeitsrechtsverletzungen bislang nicht verhindern – so viel zur Wirksamkeit von industrieabhängigen Audits!
Niemann: Ja, zusammen mit ambitionierten Unternehmen und unseren Partnern vom Nürnberger Bündnis Fair Toys entwickeln wir glaubwürdige Kriterien für eine faire und umweltfreundliche Spielzeug-Lieferkette. Wir hoffen zudem, in zwei bis drei Jahren ein Unternehmenssiegel einzuführen. Vorbild ist die Fair Wear Foundation aus der Modebranche. Das gesamte Unternehmen und seine gesamte Lieferkette würden dann überprüft. In der Fair Toys Organisation sitzt die Zivilgesellschaft gleichberechtigt mit den Firmen Haba, Heunec, Sigikid und Zapf Creation im Vorstand. Jüngst sind der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) und Fischertechnik eingestiegen. Ansonsten ist die Resonanz der Industrie und des Handels wirklich ausbaufähig!
Niemann: Das ist echt eine Sisyphusarbeit. Eltern können bei textilem Spielzeug und Holzspielzeug auf Siegel wie Naturtextil IVN zertifiziert BEST oder FSC achten, fair erzeugte Produkte in den Weltläden kaufen oder Spielzeug tauschen. Aber darüber hinaus wird es schwierig. Nichtssagend ist der Hinweis „Made in Germany“ auf der Verpackung. Hierfür reicht die Endmontage in Deutschland aus. Auch das CE- und GS-Zeichen weisen weder auf Herstellungsort noch Arbeitsbedingungen hin.
Niemann: Das lässt sich pauschal kaum beantworten. Die Lieferketten sind viel zu verzweigt und intransparent. Bei Firmen wie Bruder Spielwaren, Playmobil und Fischertechnik wissen wir, dass sie vorwiegend in Deutschland und der Europäischen Union endfertigen lassen. Doch wo und wie die Vorprodukte entstanden sind, ist oft nicht klar. Und die Löhne in Bulgarien und Rumänien sind teils noch schlechter als in China.